Bundesländerforum Wien

„Ein Tropfen auf den heißen Stein“

08.09.2025

Im OIZ-Interview rücken der Wiener Fachgruppenobmann Micheal Pisecky und seine Stellvertreterin Nicole Fürntrath das OGH-Urteil vom 30. Juli 2025 in Zusammenhang mit Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen ins rechte Licht.

OIZ: In den Vorjahren führte ich das Interview über den Wiener Immobilienmarkt stets mit Ihnen allein, Herr Pisecky. Nun ist Frau Fürntrath an Ihrer Seite.

MICHAEL PISECKY: Es freut mich, Nicole bei diesem Interview beziehungsweise generell in der Fachgruppe Wien der Immobilien- und Vermögenstreuhänder als Stellvertreterin an meiner Seite zu haben. Hintergrund ist, dass wir in dieser bis 2030 laufenden Funktionsperiode einen Generationenwechsel vollziehen. Noch ungefähr zwei Jahre teilen wir uns die Aufgaben. Danach übergebe ich mit Nicole an eine Fachgruppenobfrau, die als Verwalterin bei etlichen Wien-Themen und darüber hinaus über ein ausgewiesenes Know-how verfügt.

NICOLE FÜRNTRATH: Ich bin dir, Michael, sehr dankbar, dass du mich in der Fachgruppe Wien noch ein Stück weit begleitest. So kann ich das Regelwerk und sämtliche Facetten der Funktion besser kennenlernen.

OIZ: Wie sind Sie bei der Fachgruppe „gelandet“?

FÜRNTRATH: Das rührt daher, dass ich mit etlichen Punkten, die meinen Beruf als Immobilienverwalterin betrafen, unzufrieden war. Mit dieser Unzufriedenheit im Rücken wandte ich mich an die Fachgruppe Wien, wo mir der damalige Geschäftsführer Rudolf North nahelegte, selbst in der Interessenvertretung aktiv zu werden. Tatsächlich glaube ich, dass ich über die Wirtschaftskammer für die Berufsgruppen der Immobilientreuhänder viel bewirken kann.

OIZ: Zu tun gibt es genug. Der Wohnimmobilienmarkt durchlebt krisenbeladene Zeiten. Was sind die Gründe für den Rückgang des Neubaus in Wien?

PISECKY: Es handelt sich um ein Potpourri von Gründen. Die Grundkosten stiegen stark, die Baukosten im Zuge der Covid-19-Pandemie – Stichwort: Lieferkettenproblematik – noch stärker. Dazu kam die wegen des Ukraine-Kriegs sprunghaft anziehende Inflation. Gleichzeitig wurden die Zinsen innerhalb kürzester Zeit enorm erhöht. Sprich die EZB beendete ihre Niedrigzinspolitik, die eine Geldschwemme und damit auch Investitionen in Immobilien vorantrieb, ausgelöst hatte.

Die hohen Grund-, Bau- sowie Zinskosten machten es gewerblichen Bauträgern in der Folge unmöglich, Wohnprojekte zu markttauglichen Preisen umzusetzen. Daher hörten etliche auf, neue Projekte zu planen. Diese Tendenz verstärkte sich dadurch, dass die Bauträger einerseits kaum mehr Finanzierungen für Neubauten erhielten. Andererseits bekamen sie die bestehenden Neubauwohnungen nicht verkauft, weil sich im vierten Quartal 2022 die Nachfrage nach Mietobjekten verdoppelt hatte, während jene nach Eigentum halbierte. Dies alles verstärkte die mittlerweile doch nicht ganz ausgelaufene KIM-Verordnung.

Mann im Anzug, Frau in Kleid, nebeneinander stehend
Michael Pisecky, Fachgruppenobmann der Immobilien- und Vermögenstreuhänder in Wien, flankiert von seiner Stellvertreterin Nicole Fürntrath.
Credit: Allahyari PR/CH

OIZ: Kommen wir vom Minenfeld Neubau zu den Bestandsimmobilien und somit zum Thema Sanierung. Was schaut hier der Status Quo in der Bundeshauptstadt aus?

FÜRNTRATH: Als Immobilienverwalterin erlebe ich die Probleme in der Bestandssanierung und damit in der Dekarbonisierung täglich hautnah mit. Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, dass diesbezüglich während der letzten Jahre – sei es im Zinshaus- oder im Wohnungseigentumsbereich – Flaute herrschte. Von Einzelobjekten abgesehen wurde nichts umgesetzt. Wie schon x-mal erwähnt, gilt es, endlich rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die das Sanieren ermöglichen. Zinshausbesitzer benötigen für Investitionen die rechtliche Sicherheit, dass die Einnahmen aus ihren Mietverträgen halten. Es funktioniert nicht, wenn sie für etwaige Mietzinszrückzahlungen Rückstellungen bilden müssen. Das aktuelle OGH-Urteil zu den Wertsicherungsklauseln (Rechtssicherheit rund um die Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen wiederhergestellt? – WKO) ist sicher ein wichtiger Schritt, aber in Wahrheit nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

OIZ: Welche Gründe gibt es darüber hinaus für die Flaute in der Bestandssanierung in Wien?

FÜRNTRATH: Neben den rechtlichen Rahmenbedingungen – etwa beim Mietrecht punkto Duldungspflichten von Mietern – mangelt es an Förderanreizen. Weiters darf man nicht vergessen, dass große Sanierungsprojekte häufig mit Dachgeschoßausbauten oder -aufstockungen einhergehen. Und hier gestaltet sich alles, was Einreichung, Bewilligung, Förderung sowie die Wiener Bauordnung betrifft, schwierig, um es diplomatisch zu formulieren. Man muss also, damit statt Flaute Bewegung eintritt, beim Wohnrecht, bei den Förderstellen und bei der Bauordnung ansetzen.

OIZ: Das OGH-Urteil zu den Wertsicherungsklauseln wurde bereits angesprochen. Wie ist es für die Mieterstadt Wien einzustufen?

PISECKY: Wie Nicole schon sagte, ist es ein Tropfen auf den heißen Stein. Ich wurde nach der Urteilsverkündung mehrmals gefragt, ob die Vermieter nun gewonnen haben. Nein, haben sie nicht. Wenn jemand gewonnen hat, dann der Mietwohnungsmarkt, auf dem die Mietervertretung und die Arbeiterkammer via permanenter Verbandsklagen Rechtsunsicherheit schüren. Mit den Urteilen im Mai und Juni 2023 löste der OGH, mit seinen Entscheidungen, KSchG §6 Abs 2, Ziffer 4 müsse in allen Wertsicherungsklauseln angeführt sein, womit alle gewerblichen Mietverträge betroffen wären, enorme Sorgen aus. Diese sind nun korrigiert – was jedoch rechtlich erst einmal halten muss. Unsere Vorschläge an den Gesetzgeber, wie diese Situation in Ordnung zu bringen ist, liegen seit zwei Jahren auf dem Tisch. Dessen ungeachtet, werden die Dauerangriffe auf die Mietverträge weitergehen. Die Vermieter können sich unverändert nicht in rechtlicher Sicherheit wiegen. Deswegen wird sich der Mietwohnungsmarkt ausdünnen und es zwingt zu noch mehr Befristungen

OIZ: Auf die Verwalter von Immobilien in Wien kommt das Bauwerksbuch (Anm.:Die OIZ berichtete: Bauwerksbuch: Neue Anforderungen an Verwalter von Immobilien in Wien – OIZ) zu. Was bedeutet das in der Praxis?

FÜRNTRATH: Je mehr ich mich mit dem in der Wiener Bauordnung festgeschriebenem Bauwerksbuch beschäftige, desto mehr Fragen stellen sich mir. Fakt ist, dass die Verwalter – und das ist vielen Kolleginnen und Kollegen noch nicht bewusst – mit ihm noch mehr Verantwortung zu schultern haben. Einerseits gibt es Liegenschaften, für die sie bereits ein Bauwerksbuch führen müssen. Für andere wird die Vorbereitungszeit knapp. Die Behörde zeigt sich aus heutiger Sicht sehr restriktiv. Sie kontrolliert und sprach schon erste Strafen aus – teils für Bagatellen wie für herunterfallenden Sockelverputz. Das Thema Bauwerksbuch ist ein hochbrisantes. Die Fachgruppe Wien plant Informationsveranstaltungen für die Verwalter.

OIZ: Welche weiteren Aktivitäten verfolgt die Fachgruppe in dieser Funktionsperiode?

PISECKY: Am 29. September 2025 gibt es eine Sonderveranstaltung zum Thema Wertsicherungen. Unsere Vortragsreihe „Raus aus Gas“ läuft weiter, ebenso wie unsere Lehrlingsausbildungsinitiative, unsere PR-Aktivitäten, die Imagearbeit im Online-Bereich und die Auspreisung mit dem IMMY-Award. 2026 planen wir einen Schwerpunkt ad Cybersicherheit. Das nächste Highlight ist aber selbstverständlich der vom Fachverband mit der Fachgruppe Wien ausgerichtete 50. Bundestag der Immobilienwirtschaft (www.bundestag.at).

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