Immobilienvermarktung

Bis zu hundert Anfragen pro Mietwohnung

09.12.2025

Makler, deren Postfächer an ihr Limit stoßen. Interessenten, die den Überblick über ihre Aktivitäten verlieren. Mario Zoidl, Berufsgruppensprecher der österreichischen Immobilienmakler, und sein Stellvertreter Philipp Sulek berichten von dramatischen Konstellationen am heimischen Mietmarkt.

OIZ: Am 1. Juli 2023 trat in Österreich das Bestellerprinzip in Kraft. Inwiefern veränderte sich seither der Mietmarkt?

MARIO ZOIDL: In Oberösterreich gab es große Umbrüche. Bevor das Bestellerprinzip eingeführt wurde, waren bei uns im Bundesland zahlreiche Mietwohnungen auf dem Markt. Jetzt herrscht ein Engpass. Die Nachfrage übertrifft das Angebot bei Weitem. Denn nicht zuletzt wegen der mittlerweile ausgelaufenen KIM-Verordnung können Interessenten – von Arbeitern bis Akademiker – Eigentum nicht mehr finanzieren, weswegen sie ins Mietsegment wechselten. Das wird in nächster Zeit so bleiben.

OIZ: Wie gestaltet sich die Situation in der Bundeshauptstadt, Herr Sulek?

PHILIPP SULEK: Insofern ein bisschen anders, als Wien schon immer eine Mieterstadt war. Vor diesem Hintergrund hegte ich die Hoffnung, dass die Sensibilisierung für unsere Dienstleistung als Immobilienmaklerinnen und -makler mit der Einführung des Bestellerprinzips zunehmen wird. Das Gegenteil passierte. Weil das Angebot extrem knapp ist, bekommen wir pro Mietwohnung bis zu hundert Anfragen. Wir sind gezwungen, drastisch zu selektieren, was uns nicht beliebt macht.

OIZ: Wie reagieren die Interessenten auf das knappe Angebot?

SULEK: Es mag paradox klingen, aber die No-Show-Raten steigen massiv, sprich die Interessenten erscheinen nicht zu Besichtigungsterminen. Weil sie pauschal via App und ohne besondere Textierung für zig Mietwohnungen anfragen, verlieren sie den Überblick. Wenn man sie anruft, wissen sie nicht, von welchem Objekt die Rede ist. Dennoch vereinbaren sie Besichtigungen, zu denen sie dann eben oft nicht erscheinen. Wir gingen daher dazu über, Sammeltermine zu organisieren. Also um 10:15 Uhr, 10:30 Uhr, 10:45 Uhr etc. Auf diese Art reduzieren wir das Risiko von Leerfahrten, die ansonsten beispielsweise vom 21. in den 14. Bezirk und zurück gleich einmal eineinhalb Stunden in Anspruch nehmen.

Mann in grauem Anzug
Mario Zoidl, Berufsgruppensprecher der österreichischen Immobilienmakler und Geschäftsführer von VKB Immobilien in Linz: „Bei Privatinseraten werden häufig Quasi-Ablösen verlangt. Mietinteressenten müssen also beispielsweise einen Kasten um 3.000 Euro übernehmen.“
Credit: Eric Krügl

OIZ: Wie ist „Besichtigungsmoral“ bei Ihnen, Herr Zoidl?

ZOIDL: Leerfahrten fallen bei uns in Oberösterreich wegen der Distanzen zeitlich noch mehr ins Gewicht. Es gilt, sie unbedingt zu vermeiden. Daher rufen wir am Tag der Besichtigung jeden Interessenten zwecks Rückbestätigung an. Ist er oder sie nicht erreichbar, kommen wir nicht. Darüber informieren wir im Vorfeld. Generell stellt die Terminfindung eine separate Herausforderung dar.

OIZ: Ist Self Showing hier ein Lösungsansatz?

ZOIDL: Für Self Showing eignet sich unser Markt nicht. Wie setzen wie gesagt auf telefonisches Nachhaken. Das macht unsere No-Show-Rate überschaubar.

SULEK: In Wien ist Self Showing sehr wohl ein Thema. Es fing mit Corona an, ebbte dann aber wieder ab. Seither bewegte sich technisch einiges, sodass im Mietsegment zunehmend Selbstbesichtigungen stattfinden.

OIZ: Was tat sich seit der Einführung des Bestellerprinzips darüber hinaus?

ZOIDL: Zahlreiche Immobilienmaklerinnen und -makler, die als Einzelpersonenunternehmen tätig waren und ihren Hauptumsatz mit Vermietungen erwirtschafteten, verschwanden vom Markt. Größere Maklerbetriebe wiederum bauten Mitarbeiter ab. Die, die blieben, fungieren offiziell nicht mehr als Doppelmakler. Sprich, sie vertreten nur mehr die Interessen der Vermieter. In der Praxis sind die Makler aber weiterhin Fürsprecher der Mietinteressenten.

OIZ: Gibt es auch positive Aspekte?

Mann in schwarzem Jackett
Philipp Sulek, Berufsgruppensprecher-Stellvertreter der österreichischen Immobilienmakler und Geschäftsführer von Sulek Immobilien in Wien: „Es mag paradox klingen, aber die No-Show-Raten steigen massiv, sprich die Mietinteressenten erscheinen nicht zu Besichtigungen.“
Credit: Sulek Immobilien

SULEK: Ja, denn das Bestellerprinzip führte meiner Meinung nach dazu, dass Makler Prozessschritte unter die Lupe nehmen und sie nach Möglichkeit digitalisieren. Hintergrund ist die erwähnte schiere Masse von Anfragen. So meldeten sich bei mir kürzlich zwei Start-Ups, die die Mietsuchenden vorselektieren und mir ausschließlich qualifizierte Leads mit Selbstauskunft, Terminvorschlägen für die Besichtigung etc. präsentieren. Auch das bereits ausgeführte Self-Showing zählt hier dazu.

OIZ: Sind Mietwohnungen, die seit der Einführung des Bestellerprinzips privat inseriert werden, günstiger als solche, die über Makler laufen?

SULEK: Im Gegenteil. Laut einer Evaluierung des ZT Datenforum, die Mietinserate und -preise innerhalb von Bezirken verglich, sind die privat angebotenen Wohnungen teurer.

ZOIDL: Dazu kommt, dass häufig Quasi-Ablösen verlangt werden. Interessenten müssen also beispielsweise einen Kasten um 3.000 Euro übernehmen. So kommt es für sie im Endeffekt teurer, als wenn sie die Maklerprovision bezahlt hätten.

OIZ: Wie schwer fallen im Mietsegment die Insertionskosten für die großen Immobilienplattformen ins Gewicht?

ZOIDL: Diese bilden für Maklerinnen und Makler zweifelsohne die größten Ausgabeposten. Alle stöhnen darunter. Das ist wirklich ein Problem, vor allem die Einzelpersonenunternehmen. Und die Preise der Plattformen steigen ständig weiter.

OIZ: Wie stehen Sie vor diesem Hintergrund zum Thema Gemeinschaftsgeschäft?

ZOIDL: Weil wir in der Miete unterm Strich wenig Umsatz erwirtschaften, möchten wir das Gemeinschaftsgeschäft gerade in diesem Segment fördern. Nach Abzug der Kosten für die Plattformen und angesichts des Aufwands, den wir betreiben müssen, arbeiten wir hier lediglich kostendeckend. Das hängt selbstverständlich damit zusammen, dass die Mieten im Durchschnitt bei 700 Euro liegen und die Provision entsprechend niedrig ausfällt. Da binde ich gerne Maklerkollegen ein und ich werde umgekehrt eingebunden.

OIZ: Summa summarum welchen Weg müssen Makler hierzulande beschreiten?

SULEK: Es führt kein Weg an ImmoMarktplatz.at, der Plattform von Immobilienmaklern für Immobilienmakler, vorbei. Hinter dem Portal stehen der Fachverband der Immobilien- und Vermögenstreuhänder, der Österreichische Verband der Immobilienwirtschaft (ÖVI) sowie der Immobilienring – und das ohne wirtschaftliche Eigeninteressen.

Notebook, das auf seinem Screen die Website von ImmoMarktplatz.at zeigt
Die Mitgliedsbetriebe von ImmoMarktplatz.at verpflichten sich, ihre Objekte zuerst dort zu veröffentlichen. Erst nach 24 Stunden kommen anderen Portale zum Zug; ein Zeitvorsprung, der für Mietinteressenten entscheidend ist.
Credit: Getty Images-2216410716 c nuddss

ZOIDL: Ja, ImmoMarktplatz.at ist für die Maklerinnen und Makler der einzig gangbare Weg. Die Plattform ist unabhängig und preiswert. Die Mitgliedsbetriebe verpflichten sich dazu, ihre Objekte zuerst auf ImmoMarktplatz.at zu inserieren. Erst nach 24 Stunden kommen die anderen Portale zum Zug. So sollen die Konsumentinnen und Konsumenten lernen, dass sie die „frischen“ Immobilien dort und nirgendwo sonst finden. Dieser 24-Stunden-Zeitvorsprung ist gerade im Mietsegment entscheidend. Im Übrigen fördert ImmoMarktplatz.at in einer B2B-Version dezidiert das vorhin erwähnte Gemeinschaftsgeschäft.

OIZ: ImmoMarktplatz.at plant 2026 eine Offensive, richtig?

SULEK: Diese Offensive wird auch dahingehend unterstützt, dass im nächsten Jahr bisher sieben Fachgruppen der Immobilien- und Vermögenstreuhänder – wir freuen uns, wenn alle dabei sind – für ihre Mitglieder in den Bundesländern das Nutzungsentgelt von ImmoMarktplatz.at übernehmen. Darüber hinaus rührt eine ausgeklügelte Marketingkampagne die Werbetrommel für die Plattform. Deklariertes Ziel ist es, ImmoMarktplatz.at effektiv gegen die dominierenden Player in Position zu bringen und preisdämpfend zu wirken.

 

 

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