„Wir sollten uns gut vorbereiten“

Facility Management
13.09.2022

 
Auch die Schädlingsbekämpfer bekommen den Klimawandel zu spüren. Ungeziefer passt sein Verhalten an.

Tigermücke
Die Tigermücke hat bereits ihren Weg um die Welt angetreten.

Der Klimawandel bedeutet auch für die Schädlingsbekämpfung neue Herausforderungen – erwartbare und bereits spürbare. „Veränderung der Mesophilen – das klingt so harmlos, ist es aber nicht“, weiß Peter Fiedler, Geschäftsführer der ASSA Objektservice GmbH. Klimawandel und vektor-übertragene Krankheiten, verstärkter internationaler Personen- und Güterverkehr, die Welt als Dorf. Pathogene würden vermehrt in ihren Wirten reisen; auch der Mensch kann hier herhalten. Durch diesen Mechanismus habe beispielsweise die Tigermücke ihren Weg um die Welt angetreten. „Wir bewegen uns in eine neue Ära, auf die wir uns gut vorbereiten sollten“, so Fiedler.

Mesophile („das Mittlere liebend“) Lebewesen bevorzugen „mittlere“ Verhältnisse. Bei den Insekten ist es die Eigenschaft, sich bei mittelmäßigen Temperaturen besonders wohlzufühlen und sich deshalb besonders gut und rasch zu vermehren. „Die Temperaturen, auf die wir uns in Zentraleuropa durch den Klimawandel mehr oder weniger langsam zubewegen, sind optimale Entwicklungsparameter sowohl für heimische als auch für neue Insekten, sogenannte Neozoen, die immer häufiger werden“, so Fiedler.

So fühlen sich die meisten Schädlinge im Lebensmittelbereich wie auch die in unserem Umfeld im mittleren Temperaturbereich besonders wohl. „Mittlere Temperaturen, das bedeutet in diesem Fall ein Minimum von 10 bis 15 Grad Celsius, ein Optimum von 30 bis 40 Grad und ein Maximum von 35 bis 47 Grad. Genau auf diese Temperaturen steuern wir zu“, präzisiert Fiedler. Durch das Steigen der Temperaturen und auch teilweise der Feuchtigkeit verkürzten sich die Entwicklungszyklen rapide. Hinzu komme, dass durch eine schnellere Generationenfolge die Anpassungsfähigkeit der Tiere deutlich erhöht sei. Eine Veränderung in der Temperatur um zwei Grad Celsius könne zu ein bis fünf zusätzlichen Entwicklungszyklen im Jahr führen, was das Ansteigen und Vermehren der Populationen rapide beschleunige.

Mann mit Brille und Schnauzbart
Paul Hörmann, bei Attensam für Schädlingsbekämpfung und Taubenabwehr zuständig: „Durch den Klimawandel kommen bei uns zunehmend auch neue Insektenarten wie der Buchsbaumzünsler vor.“

Vor allem ein städtisches Problem

Eine Veränderung der Schädlingspopulationen von bereits bestehenden Arten wie etwa der Deutschen Schabe, der Bettwanze, der Pharao-Ameise, des Katzenflohs oder der Kleidermotte gilt für den Experten als eher unwahrscheinlich. Wahrscheinlich sei aber, „dass sich einige bisher bei uns nicht so verbreitete Arten wie die Argentinische Ameise oder die Mediterrane Termite stärker und schneller etablieren werden oder auch bereits (teilweise) bestehende Arten wie diverse Stechmückenarten oder die bekannte Stubenfliege deutliche Veränderungen der Populationen (also Ansteigen und rasantes Wachstum) zeigen werden.“ Speziell im urbanen Bereich, wo die Temperatur Nach einer Studie von Angilletta und anderen aus dem Jahr 2007 um durchschnittlich 12 Grad Celsius höher sei als in der Umgebung, seien diese Auswirkungen besonders stark spürbar.

Noch sind alle diese Themen aber nicht überall in der EU ganz angekommen. Fiedler: „In einzelnen Ländern wurden bereits etablierte Monitoring-Systeme (Skandinavien, Spanien) vorgestellt, aber noch ist hier kein einheitlicher Weg gefunden.“ Der Schlüsselfaktor sei, „dass nicht nur der Schädlingsbekämpfer, sondern auch die handelnden Schlüsselpersonen den ‚Feind‘ kennen und dass nur ein wirklich frühzeitiges Erkennen von etwaigem Schädlingsbefall auch zu raschen und dann meist kostengünstig effizienten Gegenmaßnahmen führt.“  Die Wirkstoff-Thematik im Bereich der EU sei wiederum ein eigenes und sehr komplexes Thema: „Die Biozidzulassungen sind zunehmend eingeschränkter und gegenseitige Anerkennungen werden oft – aus Kostengründen – nicht durchgeführt. Der Absatzmarkt vieler kleiner Länder ist zu klein, daher rechnet sich das für die Unternehmen nicht.“

Mann mit Brille
Peter Fiedler, Geschäftsführer der ASSA Objektservice: „Durch das Steigen der Temperaturen und auch teilweise der Feuchtigkeit verkürzen sich die Entwicklungszyklen der Schädlinge rapide.“

Höherer Befallsdruck bei etablierten Schädlingen

Gerhard Klosterer, Technischer Leiter Rentokil Initial GmbH: „Die Folgen des Klimawandels sind schon seit Längerem spürbar, Schädlinge passen ihr Verhalten dementsprechend an.“ Herausfordernd seien dabei nicht „neue“ invasive Arten wie die Asiatische Tigermücke, sondern die bereits etablierten Schädlinge, die sich aufgrund des wärmeren Klimas besser vermehren und dementsprechend ihr Revier vergrößern würden, und als Folge davon werde ein höherer Befallsdruck spürbar. Im normalen Alltag bedeute dies etwa eine verlängerte Wespen- und Ameisensaison oder in Lebensmittelbetrieben ein erhöhter Fliegenbefall.

Paul Hörmann, bei Attensam für Schädlingsbekämpfung und Taubenabwehr zuständig: „Durch den Klimawandel kommen bei uns zunehmend auch neue Insektenarten wie der Buchsbaumzünsler vor. In den kommenden Jahren wird sich die Situation wahrscheinlich noch verschärfen. Eingeschleppte Insekten können erheblichen Einfluss auf die heimische Pflanzenwelt nehmen – bis hin zur kompletten Zerstörung.“ Stechmückenarten wie die Tigermücke, ursprünglich in den südasiatischen Subtropen beheimatet, hätten als Überträger von Krankheitserregern wie dem Zika- oder dem Dengue-Virus einen direkten Einfluss auf den Menschen. Aktuell gebe es wenige bis keine Wirkstoffe, die laut der EU-Verordnung zu Insektiziden zulässig wären, um diese Schädlinge wirksam zu bekämpfen.