Wie Corona das Immobilienmarketing verändert

Marketing
06.07.2021

 
Mit Corona kam beim Immobilienmarketing und -verkauf endgültig für viele der Anstoß neue Vertriebskanäle und -methoden anzugehen.
Die Marketingeffekte bei virtuellen Messen reichen über den Messetag hinaus.
Die Marketingeffekte bei virtuellen Messen reichen über den Messetag hinaus.

Viel an Aktivität hat sich während der Lockdowns notgedrungen ins Internet verlagert. Mitunter ist die gängige Form der Immobilienvermarktung dann an ihre Grenzen gestoßen, wie man am eigenen Leib erfahren konnte. „Wir haben hunderte Emails und Anrufe erhalten“, hieß es gegen Ende des letzten Lockdowns bei einem regionalen Maklerbüro. Die Bearbeitung der Anfragen bezüglich eines „Haus im Grünen“ war offensichtlich zum Erliegen gekommen. Offizielle Besichtigungen von Freizeitobjekten wie in jenem Fall waren außerdem verunmöglicht. Bei der Besichtigung die dann auf Eigeninitiative und ohne Objektbegehung stattgefunden hat, fand man das Haus von anderen Interessenten umschwärmt vor. Bei regulären Wohnobjekten war die Situation etwas entspannter, aber besichtigt wurde auch hier lieber nur bei aktuellem und konkretem Interesse.

Markt mit Turbulenzen

Darüber, welche nachhaltigen Folgen man mit COVID-19 am Immobilienmarkt erdulden wird müssen, mangelt es an Spekulationen weiterhin nicht. Einmal mehr werden diese genährt durch eine Befragung unter den heimischen Haushalten im Auftrag von Re/Max Austria. Demnach wird sowohl der Kauf als auch der Verkauf von Immobilien als schwieriger werdend empfunden. 47 Prozent der Befragten erwarten einen problematischen Immobilienkauf und 37 Prozent tun das auch für den Immobilienverkauf. Die Projektleiterin vom Linzer Umfrageunternehmen Market, Birgit Starmayr, erläutert: „Irgendwann muss irgendwer die riesigen Corona-Kosten wieder bezahlen. Wie immer das auch erfolgen mag, es schmälert Einkommen und Vermögen und dann haben die Käufer weniger finanziellen Spielraum, Immobilien zu kaufen.“ Das würden zuallererst die Verkaufsdienstleister spüren und es wird außerdem vermutet, dass der Bedarf an Beratung von Seiten der Immobilienexperten eher mehr als weniger wird. Um die rarer werdende Abgeber wirbt man bei Re/Max mittlerweile mit einer kostenlosen online Marktwerteinschätzung. Um außerdem unbefriedigte Nachfrage zu bedienen, wird mit App, digitalem Bieterverfahren und online-Terminbuchung operiert. Lange vor der Corona-Plage hat man bei Re/Max Austria Weichen gestellt und mit virtuellen Besichtigungen begonnen. „Wir kümmern uns um die Technologie und stellen sie den Franchisepartnern zur Verfügung“, sagt Geschäftsführer Bernhard Reikersdorfer und er sieht Makler mit Marketingverbund bei Facebook & Co. kostentechnisch im Vorteil.

Besichtigung, zunächst virtuell

Nicht erst seit Corona setzt man auch bei der Raiffeisen Immobilienvermittlung auf Effizienzsteigerung durch Digitalisierung. Mit Corona hätte sich der Trend insgesamt durchgesetzt und man sieht sich beim nach eigenen Angaben umsatzstärksten Verbundmakler bestätigt. „Bei 15 bis 20 Besichtigungen pro Vermietung vor Ort kann durch online Touren mindestens die Hälfte davon wegfallen,“ sagt Peter Weinberger, Sprecher der Raiffeisen Immobilien Vermittlung (RIV). Insbesondere in der Vermietung von Wohnraum sei hier schneller ein Abschluss möglich. Was die Besichtigungen betrifft, hebt man damit Einsparpotenzial. „Oft wird schnell klar, dass kein weiterführendes Interesse besteht“, sagt Weinberger und freut sich, unnötigen Leerläufen online fortan Einhalt gebieten zu können. Beim Schwesterunternehmen „Raiffeisen Wohnbau“ wiederum unterstützt seit dem Corona-Jahr 2020 ein Tool namens Wohnbaunavigator den Vertrieb von Einzelwohnungen bei Projekten. Im Unterschied zur virtuellen Wohnungsbesichtigung wäre hier die Lage im Projekt mit abgedeckt. Anordnung, Ausrichtung und Einbettung der Wohnung würde sich im 3D-Modell erkunden lassen. Außerdem ließe sich über Filterfunktionen der Vertrieb der noch freien Objekte voll unterstützen. „Es kontaktieren uns viel öfter nur mehr jene persönlich, die bereits ausführlich im Internet selektiert haben und ein echtes Interesse bekunden“, gibt Gerhild Bensch-König als Mitglied der Geschäftsführung Auskunft zum Mehrwert. Dem Einsatz beim Projekt Paradisgasse sollen demnächst weitere folgen. Das Feedback der Kundinnen und Kunden auf das neue Produkt der Softwareschmiede JamJam sei eindeutig positiv und die Verweildauer auf der Webseite wäre deutlich erhöht worden. Letztere soll auch weiter zum Info-Hub ausgebaut und mit online Tools bespielt werden.

Effizienzgewinn

Diejenigen unter den kleineren Maklern, die es den Großen mit ihren digitalen Mitteln gleichtun wollen, werden mehr. Angebote zu Preis- und Markteinschätzungen poppen immer häufiger in Social Media-Kanälen auf. Mit digitalen Marketinglösungen aller Art hat sich die Bottimmo AG einen Namen gemacht. Co-Günder Georg Ortner, ein aus der Steiermark kommender Makler und Verkaufstrainer, stellt die Neupositionierung der Makler bei seinen Vorträgen in den Vordergrund: „Der gesamte Markt spielt sich im Internet ab.“ Interesse für Angebote müsste möglichst frühzeitig konvertiert werden. „Für ein Gut, das man nur einmal verkaufen kann, ist die Maximierung der Anfragen kein geeigneter Indikator“, sagt Ortner. Online Besichtigungstouren würden dem Makler verraten, wer wie oft seine Touren macht. Daraus könne Urgenz abgeleitet werden. Andreas Karg, Makler und Mitglied des Vorstandes des ÖVI, kommentiert die Erfahrungen fürs Kleinbüro: „Wenn einmal die neuen Handgriffe gelernt sind, lässt sich damit umso effizienter arbeiten“. 360-Grad-Bilder wären per App durchgängig ins Internet zu bringen. „Die Kunden kommen mit hohem Vorwissen und das macht die reale Besichtigung dann auch besser“, sagt Karg und verweist auf Zeit- und Kostenersparnis, was gerade mit beschränkten Ressourcen helfen würde.

Virtuelle Messeformate

Bei der Wiener Immobilienmesse (WIM) sind die Vermarktungsaktivitäten zuletzt in neuen Channels wie online TV, Blog oder Newsletter komplett im Internet gelandet. Der online Messetag hat nach dortigen Angaben mehr als 6.000 Personen angezogen. Auf virtuelle Messestände war bewusst verzichtet worden. Jenes stark interaktive Format war dafür bei der „Erste Wohnmesse“ zum zweiten Mal zum Einsatz gekommen. Virtuelle Stände sind dabei mit Angeboten hinterlegt worden. Durch Klicken konnte man Infos und Vorträge abrufen oder auch den nächsten Stand besuchen. „Die Besucher kommunizieren über Live-Chat und das kann nach unseren Erfahrungen vom Vertrieb oder vom Makler auch neben der täglichen Arbeit bearbeitet werden“, sagt Sebastian Berloffa vom Wohnmesse-Umsetzungspartner Enteco. Essentiell wäre neben dem Effizienzgewinn auch der Multichannelansatz. Zum Beispiel würden Angebote bei Interesse direkt eingespielt. In Kombination mit Social Media und Newslettern sei eine teilindividualisierte Angebotslegung möglich und zwar DSGVO-konform. Die Marketingeffekte würden beim virtuellen Format zeitlich über den Messetag hinaus reichen. Alle hätten viel gelernt und Berloffa sieht daher eine weitere Bespielung des Formats als sehr wahrscheinlich: „Die Zukunft sehe ich in hybriden Events, die sowohl real stattfinden, wie auch digital“. Beim Immo-Marketingunternehmen Cordes verweist man auf die Möglichkeit einer permanenten Bespielung, gleich einem virtuellen Projektbüro. „Wir haben den virtuellen Showroom entwickelt, der auch Termine per Videokonferenz ermöglicht“, sagt Geschäftsführer Stanislav Hana. Der Aufwand von virtuellen Präsentationen wäre damit von dauerhaftem Nutzen. Bei virtuellen Messen könne man damit grundsätzlich andocken, was von großen Projektentwicklern aber erst noch durchgesetzt werden müsse. Entwickelt wurde das Produkt für einen Bauträger, der sich damit gewissermaßen vor Ort den Baustellencontainer für Kaufinteressenten erspart. Die Webseite als online Referenz zum Projekt hat zuletzt auch spürbar an Bedeutung gewonnen. Laut Hana konvertiert ein Interesse dort aber eher nur, wenn begleitenden Werbemaßnahmen gesetzt werden: „Es muss ein entsprechendes Vorwissen über print oder online Medien aufgebaut werden.“

Corona-Premieren

Nicht nur Besichtigungen und Kundengespräche sind ins Internet abgewandert, auch Bieterverfahren. Das Service Immo-billie.com ist im letzten Jahr voll durchgestartet. Beim 2020 gegründeten Start-Up wird von über 60 Kunden berichtet. Motivierte Abgeber würden die Methode beim Makler des Vertrauens auch einfordern. Mittels der Plattform soll es Professionisten möglich sein, Bieterprozesse transparent und geordnet online abzuwickeln. Volle Transparenz bei der Lage, auch ganz ohne Adressbekanntgabe, verspricht hingegen das Start-Up Place Qu, das es seit Ende 2019 gibt. Verkauf oder Vermietung soll hier per Empfehlung der Lage nach Zielgruppen begünstigt werden. Bessere Orientierung auf Plattformen würde für weniger fehlgeleitetes Interesse sorgen. Während der Lockdowns waren bei den selbst betriebenen Services LageGuru.at und LageGold.com stetig steigende Aufrufzahlen festgestellt worden und Rückgänge danach hätte es nicht gegeben. Für Vertriebs- oder Maklerseiten wird eine integrierte Anwendung mit dem Ziel bereit gestellt, für mehr vorqualifiziertes Interesse zu sorgen.

Mehr online Präsenz

Damit die Übersicht bei der gestiegenen Anzahl an digitalen Marketinglösungen nicht verloren geht, hat das Softwareunternehmen OnOffice im Corona-Jahr 2020 einen „Marketplace“ für Drittanbieter präsentiert. Zusatzdienste sollen hier mit gebucht werden können. Wenn es um neue digitale Anwendungen geht, zeigt man sich beim Universalmakler EHL vorwärtsorientiert. Um zur richtigen Auswahl zu kommen, „scouten“ die Bereichsleiter Lösungen. „Eine große Klammer für die eingesetzten Werkzeuge muss es geben“, sagt Geschäftsführer Michael Ehlmaier. Die virtuelle Besichtigung sei ein Erfolgsbeispiel und ein Zurück sieht man hier keineswegs. „Für uns ist es wichtig, mit den eingesetzten Mitteln immer State of the Art zu sein“, sagt Ehlmaier. Integriert würden Dinge nur wenn sie bei den Kunden ankommen sowie auch Abläufe optimieren. Mehr online Präsenz gilt jedenfalls als Corona-Effekt, der gekommen ist um zu bleiben.