Wer kann sich Sanieren noch leisten?

15.04.2014

Eine deutsche Studie über die Kosteneffizienz von Wärmedämmungen an Wohngebäuden erregt auch hierzulande die Gemüter. Aber wie verhält es sich mit den Kosten und Nutzen von ­Wärmedämmfassaden tatsächlich?

Von der Haustechnik sagt man, dass diese nach rund 20 Jahren ausgetauscht werden muss oder dass jedenfalls Teile erneuert werden müssen, bei Dach, Wänden oder Fenstern rechnet man mit etwa

Den Stein ins Rollen brachte vor geraumer Zeit ein Artikel der Zeitschrift „Die Welt“ mit dem Titel: „Die große Lüge von der Wärmedämmung“. Darin wird auf eine für die deutsche Förderbank „Kreditanstalt für Wiederaufbau“ (KfW) durchgeführte Prognos-Studie über Kosten und Nutzen der Energiewende eingegangen, in der auch Kosten und Nutzen von Wärmedämmfassaden gegenüber­gestellt werden.

Und das Ergebnis dieser Untersuchung sei ernüchternd, heißt es in dem Artikel: Energetische Sanierungen würden mehr Geld verschlingen, als dadurch eingespart werden könnte. Nicht einmal bei energieeffizienten Neubauten würde sich die Investition über die eingesparten Energiekosten amortisieren.

In Deutschland löste diese Meldung umgehend heftige Reaktionen aus. Die Deutsche Energie-Agentur etwa bekräftigte, hunderte Praxisbeispiele würden belegen, dass die Mehrkosten für die energetischen Maßnahmen sich sehr wohl über die Energieeinsparung refinanzieren ließen. Im Beitrag der „Welt“ sei nur nicht unterschieden worden zwischen den ohnehin für Neubau oder Sanierung anfallenden Kosten und den Mehrkosten, die energiesparende Maßnahmen verursachten. Die „Hessische Energiespar-Aktion“ warnte gar davor, sich von den Falschmeldungen verunsichern zu lassen: Wer dem auf dem Leim gehe und an seinem Haus keine Energiesparmaßnahmen ergreife, werfe sein Geld für weiter steigende Heizkosten aus dem Fenster. Die in der Diskussion geäußerte Behauptung, die Investitionskosten lägen höher als die Einsparungen, sei schlichtweg falsch.

Einsparungen erzielbar
Mit Verzögerung ist diese Diskussion um die Kosteneffizienz von Wärmedämmungen an Wohngebäuden dann auch nach Österreich übergeschwappt. Wobei auch hierzulande die Experten weniger den Inhalt der Studie kritisieren als vielmehr deren medial verkürzte Wiedergabe. Franziska Trebut, wissenschaftliche Projektmanagerin der Ögut, der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik: „Aus dieser Studie haben dann die Medien die ermittelten Gesamt­investitionen herangezogen, die notwendig sind, um im Wohnbausektor bestimmte Einsparziele bis 2050 zu bewirken. Dem wurde die zu erzielende Energiekosteneinsparung gegenüber­gestellt. Wobei der Ohnehin-Aufwand, der für laufende Instandhaltung oder konventionelle Neubauten notwendig ist, nicht vom Mehraufwand für höhere energetische Standards auseinandergerechnet wurde.“ Wenn man das aber tue, dann seien die Mehrkosten durch die Einsparungen sehr wohl weitgehend erzielbar. Hinzu kämen Komfortgewinne und Beschäftigungseffekte am Arbeitsmarkt. Beides habe die KfW in ihrer Argumentation für die Sanierungsförderungen angeführt, sagt Trebut und stellt differenzierend klar: „Nehmen Sie zum Beispiel den Fenstereinbau. Wenn man für ein neues Gebäude Fenster auswählt, hat man Standardprodukte am Markt und solche, die energieeffizienter sind. Da kann man als energetisch relevante Mehrkosten natürlich nur die Kostendifferenz ansetzen, sprich man kann nicht die gesamten Kosten für eine Drei-Scheiben-Isolierverglasung inklusive Einbau heranziehen und erwarten, dass diese sich über die Energieeinsparung finanzieren lassen.“ Genau das sei aber, wie gesagt, nicht in der Studie selbst, sondern in deren Rezeption in den Medien so gemacht worden.

Bei den Wohnbaubeständen sei es genau genommen ähnlich. Da gebe es bestimmte Instandhaltungszyklen, je nachdem, welche Gebäudeteile man betrachte: „Bei der Haustechnik sagt man, dass diese nach rund 20 Jahren ausgetauscht werden muss oder dass jedenfalls Teile erneuert werden müssen, bei Dach, Wänden oder Fenstern rechnet man mit etwa 30 Jahren, bis diese zu erneuern sind“, erklärt Trebut. Und hier sei es eben auch wichtig, wirklich nur die Mehrkosten anzusetzen. Wenn ein Gebäude älter ist, empfiehlt Trebut, sich einen fachkundigen Berater oder Planer zu nehmen, der ein Sanierungskonzept erstellt und darin sinnvolle Maßnahmen nennt, die dann entweder auf einmal oder schrittweise in einer sinnvollen Reihenfolge ausgeführt werden.

Bei der ganzen Diskussion fehlt der Ögut-Projektmanagerin aber auch eine über den Einsparungseffekt hinausgehende ganzheitliche Betrachtung der Wohnqualität durch Sanierung: „Der Wärmeschutz bewirkt zum einen Energieeinsparung, zum anderen aber natürlich auch eine Komfortsteigerung, beispielsweise dadurch, dass es im Winter in der Nähe der Fenster nicht mehr zugig und kalt ist und man die Wohnfläche daher wirklich voll nutzen kann.“

Steigerung der Wohnqualität
Herbert Greisberger, Geschäftsführer der Energie- und Umweltagentur NÖ, weist die Aussage, dass sich eine Dämmung nicht rechnet, ebenfalls „entschieden zurück“, weil es in dieser Verkürzung sicher nicht richtig sei. „Jeder weiß, Sanierung von Gebäuden ist keine billige Angelegenheit, aber kaum jemand saniert ausschließlich wegen der Heizkosten“, so Greisberger, „daher ist es unsinnig, nur den finanziellen Aspekt zu betrachten und zu sagen, eine Sanierung, die eine wesentliche Verbesserung der Gebäudequalität darstellt, und zwar bei jedem Gebäude, müsse sich ausschließlich aus den eingesparten Heizkosten decken.“ Wer sich ein neues Auto kaufe, tue das auch nicht aus dem Grund, dass sich die Gesamtinvestition dafür aus dem geringeren Energieverbrauch decken solle. Zu einem ganz großen Teil rechne sich die Sanierung aber auch aufgrund der eingesparten Energiekosten.

Die Prioritätenreihung von mehreren Nutzen einer Sanierung sind für Greisberger dennoch klar: „Der wichtigste Nutzen ist die Steigerung der Wohnqualität und des Wohnkomforts. Erst als Zweites stellt sich die Frage, wie eine eventuelle Sanierung erfolgen soll, damit die Betriebskosten – und die Energiekosten sind ein wesentlicher Teil davon – nachher geringer sind und so eine wirtschaftlichere Relation hergestellt werden kann. Man muss es in dieser Abfolge sehen und nicht umgekehrt.“ Greisberger ist sich jedenfalls sicher, „dass die meisten Menschen, die ich kenne, sagen würden, Sanieren und Dämmen lohnt sich, die Wohnsituation ganzheitlich betrachtet“.

Überaschaubarer Mehraufwand
Ähnlich sieht dies Hans Jörg Ulreich, Geschäftsführer der gleichnamigen Bauträger GmbH: „Saniert wird – vor allem beim Einfamilienhaus – weniger wegen der Energieersparnis als vielmehr wegen des Wohnkomforts. Fenster ziehen, die Fassade ist nicht mehr schön und gehört ohnehin erneuert. Und wer das Geld hat und womöglich einen Euro-Crash fürchtet, leistet sich eben auch eine Wärmedämmung für die nächsten 30 Jahre.“ Auch die neue Wohnzimmercouch sei keine Kostenersparnis. Nicht alles lasse sich rein monetär begründen.
Wobei man, so Ulreich, aber auch den rein monetären Aspekt einer Sanierung differenziert sehen müsse: „Sind bei einem Haus die Fassade und die Fenster in Ordnung, dann rechnet sich eine Sanierung auf einen noch besseren energetischen Standard finanziell de facto nie, zumindest nicht bei den jetzigen Energiepreisen. Wenn aber die Fassade und die Fenster kaputt sind, dann macht es Sinn, auf das höchstmögliche und kostenoptimale Fabrikat zu wechseln, es müssen sich dann ja nur mehr die Mehrkosten amortisieren. Wird die Fassade saniert, muss man sowieso ein Gerüst aufstellen, und ob man dann den Putz nur ausbessert oder gleich einen Vollwärmeschutz draufgibt – der Mehraufwand ist überschaubar, man hat aber die optimale Wärmeeinsparung.“

Naturgemäß anders verhält es sich bei Gründerzeithäusern. Ulreich: „Bei einem Großteil der Gründerzeithäuser sind Fassade und Fenster kaputt, da besteht also ohnehin akuter Sanierungsbedarf, sodass sich hier nicht wirklich die Frage der Wirtschaftlichkeit stellt.“ Die Fenster müssten ohnehin getauscht werden, und ob man nun Zwei-Scheiben-Fenster oder Drei-Scheiben-Passivhaus-Fenster einbaue, sei nicht mehr der entscheidende Kostenfaktor.

Wenn, dann zukunftsfähig und fachgerecht
Sehr wohl entscheidend sowohl für Kosten- wie auch für Energieeffizienz ist hingegen die Qualität einer Sanierung. Herbert Greisberger: „Leider gibt es eine Menge Sanierungen, bei denen der energetische Aspekt nicht hinreichend berücksichtigt, wo zu wenig gedämmt wird.“ Daher sei seine wichtigste Botschaft: „Wenn man ein Gebäude saniert, dann soll man es wirklich zukunftsfähig machen.“
Denn es sei einfach schade, nicht darauf zu achten, den energetischen Aspekt gleich mit zu berücksichtigen und entsprechend zu optimieren. Schließlich werde ja nur alle 20 bis 30 Jahre saniert.

Als ineffizient und nicht zukunftsfähig erweist sich häufig auch, wenn nur Einzelsanierungsmaßnahmen getroffen werden, zum Beispiel ein alleiniger Fenstertausch. „Das wird oft gemacht und ist durchaus problematisch, denn da kann genau das passieren, was häufig als Folge von Wärmeschutzmaßnahmen genannt wird – dass es zu Schimmelbildung kommt“, sagt Franziska Trebut und erklärt konkret, wie es dazu kommen kann: „Bei einer hohen Luftfeuchtigkeit im Raum ist es so, dass sich diese Feuchte immer dort absetzt, wo es am kältesten ist. Wenn man nun ein vergleichsweise gutes Fenster hat und daneben eine noch eher schlechte Wand, dann kondensiert das Wasser nicht mehr wie früher am Glas, an dem kein Schimmel wachsen kann, sondern an der Wand, wo der Schimmel dann beste Wachstumsbedingungen findet. Es ist immer schlecht, wenn der schwächste Teil der Fassade nicht mehr das Glas ist, sondern die Wand.“

Man sollte also beides auf einmal machen, die Fassade dämmen und die Fenster tauschen. In der Regel leicht zu dämmen sei die oberste Geschoßdecke, „was bezogen auf das ganze Haus auch den besten Effekt bringt, sprich bezogen auf die Kosten, die man einsetzen muss – weil nach oben am meisten Wärme im Gebäude verlorengeht“, so Trebut.

Und nicht zuletzt spricht Hans Jörg Ulreich im Zusammenhang mit Ineffizienz auch das Stichwort „Baumängel“ an: „Durch die neue Technik und durch das Dämmen und neue Fenster wird immer dichter gebaut. Das Bauen ist nicht mehr Lowtech, wie es jahrhunderte- oder jahrtausendelang der Fall war, es ist jetzt Hightech. Man muss die Fenster abkleben, Kältebrücken beachten, Lüftungsverhalten abstimmen und vieles mehr.“ Das Produkt Wohnen werde immer komplexer, und viele, die das ausführten und oft auch nicht der deutschen Sprache kundig seien, würden das nicht fachgerecht schaffen. „Die Arbeiter sind mit diesen neuen komplexen Baustoffen oft überfordert, und dadurch kommt es zu mehr Schäden als früher, auch Schimmelbildung, Kondenswasser und anderes mehr.“

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