Was Wien dringend braucht

Wohnimmobilien
10.11.2020

 
Immobilienexperten schlagen der Stadt Wien ein umfangreiches Maßnahmenpaket für mehr Wohnraum und mehr soziale Treffsicherheit vor.
Wiener Stadtregierung muss laut Immobilienexperten dringend auf wachsenden Wohnbedarf reagieren.
Wiener Stadtregierung muss laut Immobilienexperten dringend auf wachsenden Wohnbedarf reagieren.

„Wien braucht im Wohnbau - neben vielen anderen Maßnahmen - dringend eine Änderung bei der Flächenwidmung. Wir hoffen, dass dabei endlich etwas weiter geht, hier gab es die vergangenen 10 Jahre nur Stillstand! Die Flächenwidmung ist im vergangenen Jahrhundert stecken geblieben.“ Mit diesen Worten kommentierte der Obmann der Fachgruppe der Immobilientreuhänder Kommerzialrat Michael Pisecky die Forderungen der Immobilienwirtschaft nach der Wiener Gemeinderatswahl. Die überholte Wiener Flächenwidmung stammt aus den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts und noch wird in Wien beim Wohnbau mit der Annahme einer schrumpfenden Bevölkerungszahl gearbeitet.

Pisecky nennt ein Maßnahmenpaket zu den notwendigen Änderungen der Flächenwidmung in Wien: Umfassende Überarbeitung der Flächenwidmung für eine Stadt mit 2 Millionen Einwohner. Neubau und Nachverdichtung in einer wachsenden Stadt müssen leichter möglich werden, um den unterschiedlichen Wohnbedürfnissen der Bewohner gerecht zu werden. Die Flächenwidmung soll zeitgemäße städtebauliche Konzepte ermöglichen, zum Beispiel die „produzierende Stadt“, oder „Mischnutzung“. Der bereits im Gemeinderat beschlossene „Masterplan Gründerzeit“ soll in die Praxis umgesetzt werden. Derzeit ist er leider irrelevant, weil für seine Umsetzung, gemäß den Zielen der Stadt, Abweichungen vom Flächenwidmungsplan vom Magistrat genehmigt werden müssten.

Aufhebung der derzeitigen Beschränkung der Firsthöhe

Derzeit ist die Firsthöhe in den meisten Plandokumenten auf 4,5 m beschränkt, was den Dachgeschoßausbau erschwert und oft unwirtschaftlich macht. Die Bauordnung geht grundsätzlich von bis zu 7,5 m Firsthöhe aus. Schon eine Erhöhung auf 5,5 m würde im Dachgeschoß eine 2. Ebene ermöglichen und hätte auf das Stadtbild sowie die Belichtung der Anrainer keine Auswirkungen.

Höher widmen (Bauklasse IV)

In vielen Straßen wäre die Bebauung nach Bauklasse IV (21 m) statt Bauklasse III (16 m) möglich, ohne die Belichtung für Anrainer zu verschlechtern. Diese Umwidmung würde eine Verdopplung der bestehenden Fläche ermöglichen.

„Jetzt am Beginn einer neuen Legislaturperiode des Wiener Gemeinderates und einer neuen Amtsperiode der Landesregierung wäre es ein richtiger Schritt, die Wiener Flächenwidmung dem Heute anzupassen“, verlang Pisecky, um mehr Wohnraum für die Wienerinnen und Wiener schaffen zu können.

Einreichverfahren verkürzen

„Auch Einreichverfahren von Bauvorhaben müssen in Wien dringend verkürzt werden“, das verlangt Mag. Hans Jörg Ulreich, Berufsgruppensprecher der Bauträger in der Fachgruppe der Immobilientreuhänder von der künftigen Wiener Stadtregierung.

Bei jedem Bauprojekt, auch wenn es noch so gut durchgeplant ist, gibt es einen Punkt, wie Ulreich erklärt, der sich im Vorhinein unmöglich kalkulieren lässt, nämlich das Einreichverfahren bis hin zur Genehmigung. Ulreich: „Im Interesse des Wohnbaus ist es dringend notwendig, die Verfahren zu beschleunigen. Dazu müssen zum einen die Vorschriften angepasst werden. Zu viele, zu komplizierte und zum Teil widersprüchliche Vorschriften machen das Verfahren teuer und langwierig. Es wird aber auch nötig sein, die zuständigen Stellen aufzurüsten, um eine schnellere Abwicklung zu ermöglichen.“

Ulreich nennt ein Maßnahmenpaket zu den notwendigen Änderungen bei den Einreichverfahren, um diese zu beschleunigen: Durchforsten der Bauvorschriften; Prüfen des Bayerischen Modells: Liegt nach drei Monaten keine Entscheidung der Behörde vor, gilt die Genehmigung automatisch als erteilt; Anpassung der Nachbarschaftsrechte: Durch Willkür der Nachbarn kann ein Bau auch ohne sachlich stichhaltige Argumente bis zu einem Jahr verhindert werden; Auslagerung der technischen Detailprüfung (Statik, Brandschutz, Aufzüge, etc.) an Ziviltechniker und Prüfanstalten. Damit wäre die derzeit zuständige MA 37 entlastet und könnte sich auf die Kernaufgaben im Bewilligungsverfahren konzentrieren.

Städtebauliche Verträge wären ein sinnvolles Instrument zur Regelung der Zusammenarbeit zwischen Stadt Wien und privaten Investoren. Derzeit fehlen noch transparente Bedingungen, diese sollten genau definiert werden, damit städtebauliche Verträge vermehrt genutzt werden können.

Soziale Treffsicherheit fördern

„Weiters braucht es in Wien endlich eine Anpassung der Kriterien und der Einkommensgrenzen, mit denen man zu Wohnungen im sozialem Wohnbau kommt“, das fordert der stellvertretende Obmann der Fachgruppe Wien der Immobilien- und Vermögenstreuhänder in der Wirtschaftskammer, Mag. Karl Wiesflecker.

Die soziale Treffsicherheit des so genannten sozialen Wohnbaus gilt schon länger als unzureichend. Beim Bezug einer Wohnung sind die Einkommensgrenzen so großzügig bemessen, dass über 80 Prozent der Bevölkerung diese erfüllen. Dem gegenüber stehen aber, darauf weist Wiesflecker hin, Hürden, die für Wenigverdiener nur schwer zu überwinden sind: das sind Baukostenzuschüsse, langjährig gleicher Wohnsitz in Wien, oder der Nachweis stabiler Verhältnisse.

„Daraus ergibt sich die paradoxe Situation, dass sozial schwache Schichten zu einem hohen Prozentsatz – nämlich über 50 Prozent des untersten Einkommens-Quartils - nicht im sozialen Wohnbau, sondern in privaten Mietverhältnissen wohnen“, appelliert Wiesflecker an einen sozialen Zugang bei der Wohnungsvergabe für dieses untere Einkommens-Quartils. „Schon in den 1990er Jahren (so z. B. bei der Wohnbauenquete 1991) wurde mit Zahlen belegt, dass die wirklich sozial Schwachen nicht in den sozialen Wohnbau hineinkommen. An diesem Problem hat sich bis heute nichts geändert,“ zeigt Wiesflecker auf.