Was ändert sich im Bauverfahren?

17.11.2013

Die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 20121 schafft mit Wirkung  ab 1. Jänner 2014 den administrativen Instanzenzug weitgehend ab. In Wien betrifft diese einschneidende Reform des Verwaltungsrechtsschutzes vor allem die Bauoberbehörde, die mit Jahresende aufgelöst wird.

Text: Dr. Martin Foerster, DR. Bernhard Marschall
 

Anstatt der Berufung an die Bauoberbehörde können Parteien ab diesem Zeitpunkt Beschwerde beim neuen Verwaltungsgericht erheben. Damit werden zukünftig – von der Verwaltung getrennt – Richter unabhängig und unparteilich entscheiden2. Aber auch die zum Teil vom bisherigen Verfahrensrahmen3 wesentlich abweichende neue Verfahrensordnung der Verwaltungsgerichte macht ein Umdenken erforderlich. Auf landesgesetzlicher Ebene mussten zudem die jeweiligen Bauordnungen angepasst werden4. Unverändert bleibt die Zuständigkeit der jeweiligen Baubehörde erster Instanz.
 

Das „9+2-Modell“ der neuen Verwaltungsgerichtsbarkeit

Kern der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 ist die Schaffung einer zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit. Dazu ist – im Wesentlichen als Ersatz der bisherigen UVS – in jedem Bundesland ein Verwaltungsgericht (Landesverwaltungsgericht) vorgesehen, auf Ebene des Bundes werden ein Bundesverwaltungsgericht (das unter anderem die Agenden des Asylgerichtshofs übernimmt) und ein Bundesfinanzgericht (anstatt des UFS) eingeführt5. Gleichzeitig werden mit Jahresende zahlreiche Sonderbehörden von Bund und Ländern aufgelöst und deren Kompetenzen in den Aufgabenbereich der neuen Verwaltungsgerichte übertragen. Als eine von mehr als 100 unabhängigen Verwaltungsbehörden betrifft dies auch die Bauoberbehörde für Wien6.
 

Instanzenzug ab 1. Jänner 2014

Gegen baurechtliche Bescheide ist in Wien derzeit noch die Berufung an die Bauoberbehörde zulässig. Will man sich ab 1. Jänner 2014 gegen einen Baubescheid zur Wehr setzen, muss Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien erhoben werden.

Dies ist jedoch nicht auf sämtliche Bundesländer übertragbar; die geänderten verfassungsrechtlichen Grundlagen7 lassen – quasi als Ausnahme von der allgemeinen Auflösung des administrativen Instanzenzugs8 – in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinden den zweistufigen innergemeindlichen Instanzenzug grundsätzlich bestehen. Eine Beschwerde kann damit generell erst nach Erschöpfung des innergemeindlichen Instanzenzuges erhoben werden, sofern dieser nicht gesetzlich ausgeschlossen wurde9. In der Bauordnung für Wien ist im Unterschied zu Bauordnungen in anderen Bundesländern ein solcher Ausschluss ausdrücklich erfolgt. Damit ist in Wien der Instanzenzug bereits mit Vorliegen des erstinstanzlichen Bescheids erschöpft10.
 

Das neue Verfahren vor den Verwaltungs­gerichten und der Weg dorthin

Für die Verfahren vor den Landesverwaltungsgerichten wurde ein eigenes Bundesgesetz, das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG11), geschaffen. Die verfahrensrechtlichen Rahmenbedingungen sind somit österreichweit einheitlich. Die Verfahrensordnung der Verwaltungsgerichte unterscheidet sich im Detail erheblich vom bisherigen Verfahren nach AVG; dies betrifft vor allem auch den Rechtsschutz. Die wesentlichen Eckpunkte:

Die gravierendste Änderung betrifft die Anforderungen an den Inhalt der Beschwerde. Eine Beschwerde hat neben der Bezeichnung des angefochtenen Bescheids, der Bezeichnung der belangten Behörde und Angaben zur Beurteilung der Rechtzeitigkeit vor allem die Gründe der behaupteten Rechtswidrigkeit und ein Begehren zu beinhalten. Nach § 27 VwGVG ist der gesetzliche Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichts (anders als die Kognitionsbefugnis der Berufungsbehörden)12 auf die Gründe und das Begehren beschränkt. Ob es durch diesen eingeschränkten Prüfungsumfang zur erhofften Straffung des Verfahrens kommen wird, ist stark zu bezweifeln. Insbesondere für Bauverfahren ist zu befürchten, dass künftig jede auch noch so an den Haaren herbeigezogene Rechtswidrigkeit umfassend dargestellt werden wird, um nur ja nicht aus verfahrensrechtlichen Gründen das Argument zu verlieren. Es bleibt vor diesem Hintergrund abzuwarten, wie strikt die gesetzlichen Vorgaben von den Verwaltungsgerichten ausgelegt werden13.

Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen einen baurechtlichen Bescheid beträgt ab 1. Jänner 2014 vier Wochen. Die Frist beginnt mit Zustellung des Bescheids an den Beschwerdeführer, bei mündlicher Verkündung mit dem Tag der Verkündung.

Die Beschwerde ist bei der Behörde erster Instanz einzubringen. Wird die Beschwerde fälschlich beim Verwaltungsgericht eingebracht, ist diese – anders als im derzeitigen Verfahren nach AVG – nicht als fristgerecht anzusehen; vielmehr hat ab 1. Jänner 2014 das Verwaltungsgericht nach den allgemeinen Regeln ohne unnötigen Aufschub, jedoch auf Risiko des Beschwerdeführers, die Beschwerde an die zuständige Behörde weiterzuleiten.

Einer rechtzeitig eingebrachten und zulässigen Beschwerde kommt aufschiebende Wirkung zu, sofern diese nicht von baurechtlichen Spezialnormen oder von der Behörde ausgeschlossen wird.

Das Modell der Berufungsvorentscheidung wurde als Beschwerdevorentscheidung ins VwGVG übernommen; der bescheiderlassenden Behörde steht es frei, binnen zwei Monaten den angefochtenen Bescheid aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurück- oder abzuweisen. Gegen die Beschwerdevorentscheidung kann binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung – wie im System des AVG – bei der Behörde ein Vorlageantrag gestellt werden. Die Beschwerde ist dann dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorzulegen. Anders als die Berufungsvorentscheidung tritt die Beschwerdevorentscheidung mit dem Vorlageantrag nicht außer Kraft, sondern wird zum Gegenstand des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht. Die oben beschriebene Einschränkung des Prüfungsumfangs ist auch von der Behörde im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung zu beachten14.

Bei Verletzung der Entscheidungspflicht der Behörde erster Instanz (konkret: wenn nicht innerhalb von sechs Monaten entschieden wird) kann ab 2014 Säumnisbeschwerde erhoben werden. Dieser Rechtsbehelf ersetzt das derzeitige Instrument des Devolutionsantrags. Wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist, bleibt der Säumnisschutz allerdings zahnlos. Einzubringen ist die Säumnisbeschwerde bei der Behörde erster Instanz; diese kann binnen drei Monaten den Bescheid nachholen. Nur wenn die Behörde den Bescheid nicht nachholt, hat sie dem Verwaltungsgericht die Beschwerde samt Akten vorzulegen.

Sofern die Beschwerde nicht zurückgewiesen wird oder das Verfahren einzustellen ist, entscheidet das Verwaltungsgericht durch Erkenntnis. Eine öffentliche mündliche Verhandlung ist vom Verwaltungsgericht durchzuführen, wenn dies beantragt wird oder das Gericht dies für erforderlich hält.

Die Parteien haben im Verfahren der Verwaltungsgerichte die erwachsenden Kosten grundsätzlich selbst zu bestreiten; die Möglichkeit der Gewährung von Verfahrenshilfe besteht nicht15.
 

Komplexe Übergangsregelungen

Der Gesetzgeber hat sich mit der Auflösung der Bauoberbehörde gleichzeitig mit Einführung des Verwaltungsgerichts Wien gegen eine vorübergehende Parallelstruktur entschieden. Für anhängige Verfahren werden Vorkehrungen getroffen. Die Details legt das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz16 fest. Folgende Konstellationen werden unterschieden:

Die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des 31. Dezember 2013 bei der Bauoberbehörde anhängigen Verfahren geht auf das Verwaltungsgericht über. Die Verfahrensordnung des VwGVG ist dabei anzuwenden; dadurch können sich etwa bei einer Berufung, die nicht den Vorgaben für Beschwerden entspricht, Probleme ergeben. Die Voraussetzungen an Beschwerden sollten daher auch bei noch in diesem Jahr erhobenen Berufungen beachtet werden.

Ist ein Baubescheid, gegen den eine Berufung zulässig ist, vor Ablauf des 31. Dezember 2013 erlassen worden, läuft die Berufungsfrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde nicht bereits bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 Berufung erhoben, so kann gegen den Bescheid vom 1. Jänner 2014 bis zum Ablauf des 29. Jänner 2014 Beschwerde erhoben werden. Die Beschwerdefrist beginnt damit neu zu laufen und beträgt vier Wochen. Sonderregelungen bestehen für Mehrparteienverfahren.

Eine gegen einen vor Ablauf des 31. Dezember 2013 erlassenen Bescheid bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 erhobene Berufung gilt als rechtzeitig erhobene Beschwerde; dies ist deshalb wesentlich, weil mit Einbringung der Berufung das Verfahren noch nicht bei der Bauoberbehörde anhängig ist, sondern im Rahmen der Berufungsvorentscheidung der belangten Behörde Zuständigkeit zukommt. Wenn diese Situation über den 31. Dezember 2013 hinaus besteht, hat die bescheiderlassende Behörde das Vorverfahren nach VwGVG fortzuführen17.

Bescheide, deren Zustellung vor dem 31. Dezember 2013 veranlasst wurde, die jedoch bis zum Ablauf dieses Tages nicht gültig zugestellt wurden (und damit noch nicht erlassen sind)18, gelten gegenüber jenen Personen, denen gegenüber die Zustellung veranlasst wurde, als zugestellt. Bei fristauslösenden Zustellungen beginnt die Frist mit jenem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Bescheid nach den Bestimmungen des Zustellge­setzes als zugestellt gelten würde; diese Fiktion soll den Rechtschutz sicherstellen. Wenn der Bescheid auch nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes nicht bis spätestens 30. Juni 2014 als zugestellt gelten würde (derartige Szenarien sind zumindest denkbar), tritt dieser von Gesetz wegen außer Kraft.
 

Beschwerderegelung

Entsprechende Detailregelungen bestehen auch für die Beschwerde zum VwGH. Anträge auf Wiederaufnahme oder Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in baurechtlichen Verfahren sind – wenn nach dem 31. Dezember 2013 gestellt – ebenfalls vom Verwaltungsgericht zu entscheiden.

Ab 1. Jänner 2014 wird im Bereich des Baurechts in Wien gegen die erstinstanzliche Behördenentscheidung einzig der Weg der Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien offenstehen. Die derzeitige Möglichkeit der Berufung an die Bauoberbehörde entfällt mit der Auflösung dieser Sonderbehörde mit Jahresende.

In anderen Bundesländern wurde zum Teil der zweigliedrige Instanzenzug beibehalten, sodass das Verwaltungsgericht erst nach Erschöpfung des innergemeindlichen Instanzenzugs angerufen werden kann. Die neuen Rahmenbedingungen für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht unterscheiden sich von den derzeitigen Strukturen zum Teil beträchtlich.
 

Formulierung von Beschwerden

Vor allem an die Formulierung von Beschwerden werden erhöhte Anforderungen gestellt – durch Anführung von Gründen muss der Prüfungsumfang abgesteckt werden. Ob damit der Aufwand für die Verwaltungsgerichte geringer wird, darf bezweifelt werden. Aus Gründen der Vorsicht werden Beschwerdeführer eher lang und breit alle erdenklichen Rechtswidrigkeitsgründe ausführen, um nicht Gefahr zu laufen, Argumente später nicht mehr aufgreifen zu können. Besondere Aufmerksamkeit ist auch bereits anhängigen Verfahren zu schenken, die umfassenden Übergangsvorschriften sind komplex und unübersichtlich. Zum Teil empfiehlt es sich, die neuen gesetzlichen Voraussetzungen schon jetzt zu beachten.

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
logo

Newsletter abonnieren

Sichern Sie sich Ihren Wissensvorsprung vor allen anderen in der Branche und bleiben Sie mit unserem Newsletter bestens informiert.


Zum Newsletter