Selbst ist das Haus

25.07.2012

 
Zum Teil noch Fiktion, in vielen Bereichen schon Realität: Gebäude regeln, kontrollieren und überwachen sich selbst.

„Energieeffizienz ist sicher derzeit das große Thema der Gebäudeautomation“, sagt denn auch Markus Brechelmacher, Produktmanager der Siemens-Division Building Technologies. Aber natürlich ohne an Komfort zu verlieren. Daher müssen die Nutzer schon auch selbst noch ein bisschen Hand beziehungsweise Finger anlegen, gilt es doch – ebenfalls ein Gebäudeautomationsgebot der Stunde –, den Komfort auch möglichst individuell regelbar zu machen. So fassen entsprechende Lösungen wie von Siemens einerseits die Regelung und Kontrolle von Heizung-Lüftung-Klima sowie Beleuchtung und Beschattung zu einer Gesamtlösung zusammen, sehen gleichzeitig aber auch Einzelraumregelungen vor, welche die Nutzer eines Gebäudes aktiv in das Energiemanagement einbeziehen. Läuft ein Raum nicht mehr energie­optimal, etwa durch Verstellen des Sollwertes für den Energieverbrauch oder eine Laufzeitverlängerung, sieht das Raumbediengerät „rot“, und der Raumnutzer kann per Tastendruck den Optimalbetrieb wieder herstellen. Dies gilt insbesondere für klimatisierte Räume, die zusätzlich mit Licht- und Sonnenschutzsteuerungen ausgestattet sind. Durch dieses aktive Einbeziehen der Nutzer – und des Betreibers – ins Energiemanagement des Gebäudes lassen sich laut einer Studie der Technischen Universität München bis zu 25 Prozent Energie einsparen, ohne an Komfort einzubüßen.

„Um Energie zu sparen, muss aber erst einmal gemessen werden, wo wie viel verbraucht wird“, bricht Siegfried Gaida, Geschäftsführer von Thermokon Components, das hochkomplexe Thema Gebäudeautomation und Energieeffizienz auf sein Grund-ABC herunter. Für diese Messungen stellt Thermokon die Sensoren her sowie die entsprechenden Bediengeräte, um Heizung, Klimatisierung und Lichtsteuerung an die tatsächliche Raumnutzung anzupassen: Multisensoren, direkt an der Wand, an der Decke oder im Zwischenboden montiert, die gleichzeitig Bewegung und Helligkeit erfassen. Feuchtefu?hler zur Messung der relativen Feuchte und der Temperatur in Wohn- und Geschäftsräumen. Oder spezielle Fühler, die Kondenswasserbildung detektieren sowie Drucksensoren zur Überwachung der Druckdifferenzen in Anlagen der Klima- und Kältetechnik. Via BUS-Systeme führt das Ganze zu einer direkten Interaktion der einzelnen, gewerkeu?bergreifenden Sensoren. 

Offen und leicht verständlich für den Nutzer
Im Sinne der Nutzerfreundlichkeit gilt es auch, Gebäudeautomatisierung möglichst offen und leicht verständlich umzusetzen. Ein gelungenes Beispiel dafür ist das neu errichtete Hotel Sonne in Mellau im Bregenzerwald, wo das Lustenauer Unternehmen Auttec – Automationstechnologie für Gebäude nicht nur das Zusammenspiel aller Einzelanlagen für Heizung, Klima und Elektro perfekt hinbekommen hat, sondern auch noch die bedienbare und aussagekräftige Visualisierung dazu. Am Touchscreen des Schaltschranks wie auch am PC des Hoteldirektors lassen sich sämtliche Anlagenzustände und Funktionen abrufen und Sollwerte ändern. Eine Aufschaltung mittels GSM-Modul auf ein Handy ist ebenso möglich wie ein Fernzugriff seitens der Automatisierungsprofis. Die Steuerungsplattform bildet die Technologie des Unternehmens Beckhoff Automation, das auf offene Automatisierungssysteme auf der Grundlage PC-basierter Steuerungstechnik spezialisiert ist. 

Eine Frage der Investitionsbereitschaft
Wie zukunftsgerecht, energieeffizient und mit welcher Intelligenz die Gebäude ausgestattet werden können, ist also heute schon weniger eine Frage der technischen Möglichkeiten als vielmehr noch eine Frage der Investitionsbereitschaft. „Es kommt immer auf den Investor an“, so Siegfried Gaida von Thermokon, denn „wenn er das Gebäude selbst bezieht, hat er ein großes Interesse, nachhaltig und energieeffizient zu bauen.“ Bei reinen Spekulationsobjekten dagegen stehe nur das Interesse im Vordergrund, dass es sich kurzfristig rentiert. Die am besten automatisierten Gebäude sind denn meist auch Konzernzentralen, wo der Nutzer zugleich auch Eigentümer ist. Dabei seien die Automatisierungskosten im Verhältnis zu den Gesamtkosten nahezu verschwindend, sagt etwa Loytec-Mitgründer Hans-Jörg Schweinzer, der noch „riesigen Aufholbedarf“ in der Gebäudeautomatisierung sieht. Den meisten Immobilien- und Facility Managern seien die Möglichkeiten der Automatisierungstechnik noch fremd, viel mehr als relativ simple Thermostate kämen kaum zum Einsatz, so Schweinzer. Dabei würden an Kosten für die gesamte Automatisierungshardware nur einige hundert Euro je Raumsegment anfallen – zuzüglich der Kosten für allfällige Raumbediengeräte.

Zukunft heißt auch altersgerecht
Nicht zuletzt aber soll das intelligente Haus in Zukunft auch älteren Menschen helfen, sprich: bei der Schlüsselsuche zur Hand gehen, kontrollieren, ob der Herd ausgeschaltet ist, und den Rettungsdienst alarmieren, wenn der oder die Bewohnerin nach einem Sturz verletzt liegen bleibt. Um diese Belange kümmert sich zum Beispiel AAL (Ambient Assisted Living), ein europäisches Programm zur Steigerung der Lebensqualität älterer Menschen. Im Mittelpunkt stehen dabei Technologien und Dienstleistungen, die den Tagesablauf älterer Menschen erleichtern und es ihnen künftig ermöglichen sollen, länger als heute in ihrer gewohnten Umgebung selbstbestimmt, autonom und mobil zu leben. 

Text: Hansjörg Preims