„Reglementierter Wohnraum“

23.07.2013

 
Mit 276 Millionen Euro will die Bundesregierung den Wohnbau deutlich ankurbeln. Aber sowohl gewerbliche als auch gemeinnützige Bauträger fordern Erleichterungen bei den Baustandards.
„Schöner Wohnen“ müsse nicht unleistbar sein, sagen Branchenvertreter.
„Schöner Wohnen“ müsse nicht unleistbar sein, sagen Branchenvertreter.

Die Bauwirtschaft wirkt zumindest auf den ersten Blick zufrieden. Denn unmittelbar nach dem Bekanntwerden der Alpine-Pleite meldete sich die Regierung mit einem Konjunkturpaket für Österreich. Doch als vorgezogenes Wahlzuckerl wollten ÖVP und SPÖ den koalitionären Geldsegen nicht verstanden wissen. Immerhin sollen die 276 Millionen Euro, die die Länder als zusätzliche Mittel für ihre Wohnbauförderung erhalten, auch nach dem Urnengang für konjunkturellen Aufschwung sorgen. Auch dass diese Geldmittel die seit Monaten schwellende politische Debatte ums „leistbare Wohnen“ kalmieren sollen, bestreiten die Politiker. 

Immerhin bis zu rund 14.000 zusätzliche Wohneinheiten könnte die Aufstockung der Wohnbauförderung je nach unterschiedlichen Schätzungen dennoch bringen. Dass der damit geschaffene Wohnraum aber tatsächlich „leistbar“ ist, bezweifeln Vertreter der Bau- und Immobilienbranche. Selbst unter Politikern und gemeinnützigen Bauträgern wächst der Ruf nach Vereinfachungen der landesspezifischen Bauordnungen sowie der Abbau unnötiger bürokratischer Hürden. Konkret geht es um Aufweichungen der Normen in Brand-, Schall- und Wärmeschutz, die Bauen im Regelfall unnötig verteuern. In Wien beispielsweise ist der vorgeschriebene Notkamin – ein Relikt aus den Zeiten der Ölkrise – für viele Bauträger ein unberechenbarer Kostenfaktor. Eine „Vereinheitlichung der Bauordnungen und Normen, der Reform der Reichsgaragenordnung, teilweise Widmungsgewinnabschöpfung zur Verbilligung der Grundstücke und günstige Kredite von der Europäischen Investitionsbank“, fordert etwa Gabriela Moser, Bautensprecherin der Grünen.

Vorschriftenchaos in Vorarlberg
Ein ganz wesentlicher Teil der Verteuerung im Wohnbau aber betrifft den gesamten Bereich der Vorschriften und Behördenverfahren. „Das vernünftige Maß ist längst überschritten. So ist Vorarlberg von einem Vorreiter in Sachen Wohnbau zu einer Geisel von Vorschriften und Gesetzen geworden, was sich in der Praxis jetzt auch durch ständig steigende Kosten zeigt“, kritisiert Manfred Rein, Präsident der Wirtschaftskammer Vorarlberg, die Regelungswut im Wohnbau. Vorarlberger Unternehmen bekennen sich ausdrücklich zu einer ökologischen und nachhaltigen Bauweise. Was die energetischen Standards betrifft, so ist Vorarlberg nach wie vor ambitionierter als der Rest von Österreich, der sich an den Richtlinien des Österreichischen Institut für Bautechnik (OIB) orientiert. 

Denn die Vorarlberger Bautechnikverordnung fordert bereits seit Jahren höhere Standards. So sind zum Beispiel Solarthermie oder Drei-Scheiben-Verglasung heute nahezu ein fixer Bestandteil der Ausführungen, um die vorgegebenen Werte zu erreichen. Aber selbst der Landesrechnungshof bemängelt in seinem Bericht zur Wohnbauförderung die ausufernden technischen Standards, die letztendlich zu einer kaum finanzierbaren Verteuerung im Wohnbau führen. „Die vom Energieinstitut geforderten energetischen Maßnahmen sind auf ihre Zweckmäßigkeit und Finanzierbarkeit hin zu hinterfragen“, so Rein. „Wir brauchen leistbaren Wohnraum auf einem guten ökologischen Niveau, wie wir es in Vorarlberg immer gehandhabt haben. Auf überzogene Vorschriften, die aus der Theorie abgeleitet werden, in der Praxis aber nicht funktionieren, können wir und vor allem die bauwillige Bevölkerung verzichten“, so Rein. Ähnlich werden das wohl viele seiner Kollegen und vor allem wohnraumschaffende Unternehmen sehen.