Raus aus den Fossilen in kleinen klugen Schritten
Wenn es um Dekarbonisierung geht, funktioniert in einer Wohnungseigentumsgemeinschaft „alle mitnehmen“ meist nicht. Zumindest nicht von jetzt auf gleich. Stufenweise kann es aber gelingen.

Die Förderaktion „Raus aus Öl und Gas“ für den Heizungstausch auf erneuerbare Energie war Ende 2024 ausgeschöpft. Wie kann Dekarbonisierung unabhängig davon gelingen? „Von jetzt auf gleich“ ohnehin nicht. Außerdem seien in der Vergangenheit viele der Bundesfördermillionen gar nicht abgeholt worden, sagt Roman Wagner von der Immobilienkanzlei Dr. Roman Wagner GmbH. Warum nicht? „In Wohnungseigentumsgemeinschaften etwa gab es neben den Befürwortern von Dekarbonisierungsmaßnahmen auch jene, die daran kein Interesse hatten. Seien es jene, für die trotz sehr attraktiver Förderanreize der selbst zu entrichtende Betrag noch zu hoch war. Seien es jene, die vermieten und meinten, sie hätten mangels Möglichkeit, die Miete zu erhöhen ,eh nichts davon’. Oder seien es auch Ältere, die keine große Renovierung mehr wollten. Es braucht aber die hundert Prozent der Eigentümer. Spätestens dann, wenn man die Heizung zentralisieren und von der Energiequelle umstellen möchte“, betont Wagner. Und daran scheitere es. Denn hundert Prozent bringe man so gut wie nie zusammen.
Wie es trotzdem gehen kann, „Raus aus Gas“ zu kommen, nämlich stufenweise und in kluger Aufeinanderfolge, zeigt er an folgendem Beispiel einer großen Wohnungseigentumsgemeinschaft, die anfangs weit davon entfernt war, sich für Dekarbonisierung zu interessieren. Die erste Stufe bildete hier eine Effizienzsteigerung der schon in die Jahre gekommenen Gaszentralheizung; eine Optimierung der bestehenden Gaskesselanlage, von einem technischen Unternehmen betreut. Dann erfolgte ein Einjustieren der Stränge, die Ausstattung der Stränge mit Strangregulierventilen, ein Monitoring, sodass es technisch überwacht wird, eine Reduktion der Vorlauftemperatur, eine Erhöhung der Spreizung; an mehreren Schrauben drehen und optimal einjustieren, sodass die Kilowattstunde Heizenergie maximal genützt wird.
Amortisationsdauer als Entscheidungskriterium
Man ist mit den Strängen natürlich so gefahren, dass es alle warm haben. Und man hat herausgefunden, dass eine relativ geringe Spreizung zwischen Vorlauf und Rücklauf bestand. Der Einbau der Strangregulierventile samt Monitoring sowie ein mehrfaches Nachjustierten waren zwar teure Maßnahmen. Aber einer Wirtschaftlichkeitsrechnung zufolge sollte sich die Investition allein durch die Energieeinsparung innerhalb von zweieinhalb Jahren gerechnet haben. Dann würde man schon in die Gewinnzone kommen. Eine knappe Mehrheit stimmte schließlich für diese Lösung, die auch so umgesetzt wurde. „Und siehe da – es war die Zeit, in der die Energiekosten extrem hoch waren, sodass sich die Effizienzsteigerungsmaßnahmen sogar noch schneller als in zweieinhalb Jahren rechneten, nämlich zwar schon nach der ersten Heizperiode.“ Bei der nächsten Eigentümerversammlung war die Installation einer Photovoltaikanlage Thema – für den allgemeinen Zähler und den Verkauf des Überschusses an den Energiebereitsteller. „Und durch die schnellere Amortisation der Effizienzsteigerungsmaßnahmen war das in der Eigentümerversammlung quasi schon ein Selbstläufer“, so Wagner.

Credit: Immobilienkanzlei Dr. Roman Wagner
Nächster Schritt: die Kombination der PV-Anlage mit einer Wärmepumpe. Da ist man gerade dabei. Zunächst nur für das Warmwasser, damit sich die Amortisationszeit für die PV-Anlage verkürzt. Aber es wird wieder Energie gespart, auch wenn die bei Amortisationszeiten hier jeweils mehrere Jahren betragen.
Die Frage des Gaspreises
Und erst der allerletzte Schritt ist die Umstellung der Heizung auf Wärmepumpe. Warum der allerletzte Schritt? Wagner: „Weil das die schlechteste Amortisationszeit hat, nämlich 19 Jahre. Da ist die Erwartung, dass die Wärmepumpen technisch auch immer besser beziehungsweise effizienter sowie eventuell auch günstiger werden.“ Und: „Wenn die Regierung möchte, dass wir ,Raus aus Gas’ kommen und die Fördermodelle nicht funktionieren, wird sie auf Gas vermutlich entsprechende Abgaben verlangen respektive es teurer machen. Dann reduziert sich die Amortisationsdauer deutlich.“ In dem Fall werde es in den Wohnungseigentumsgemeinschaften ein Umdenken geben. In der gegenständlichen Eigentümergemeinschaft wird dieser letzte Schritt für „Raus aus Gas“ sicher gesetzt werden.
„Man muss die kleineren Schritte attraktiver machen. Das ist das, was an dem gegenständlichen Beispiel einer Eigentümergemeinschaft gemacht wurde“, so Wagner, der fortfährt: „Die Wohnungseigentümer haben in ihren Reparaturfonds nichts einzahlen müssen. Es hat schon gekostet, aber in Größenordnungen, die ohnedies im Reparaturfonds vorhanden waren.“
Bezüglich Amortisationszeiten sind in der Praxis zehn Jahre in der Regel der Knackpunkt. „Alles, was darüber ist, ist schwer zu verkaufen. Je weiter man darunter kommt, desto interessanter wird es für die Eigentümer“, weiß Wagner. „Da sind plötzlich auch diejenigen dabei, die sagen, sie wollen nur mehr ein paar Jahre dort sein, oder Vermieter, die sonst kein Interesse hätten.“ Denn auch der vermietende Eigentümer müsse sich bewusst sein, dass der Mieter mit Betriebs- und Energiekosten belastet werde. „Das heißt, man holt auch vermietende Eigentümer ins Boot, wenn man es entsprechend darstellt. Das, glaube ich, wäre der Weg, wie man erfolgreich dekarbonisieren kann.“ Sicher ein Prozess über Jahre oder Jahrzehnte. Obiges Beispiel zeige, wie es funktionieren könne beziehungsweise wie man eine Eigentümergemeinschaft, die anfangs völlig dagegen gewesen sei, im Endeffekt dazu bewege, „Raus aus Gas“ zu kommen.
Fehlende Planungssicherheit
Der große Fördertopf des Bundes ist also wie erwähnt leer. Wie fördern die Bundesländer Einzelmaßnahmen für die Dekarbonisierung? In Wien laufen diesbezüglich laut der Hauskunft noch Gespräche. In Salzburg unterstützt das Landes-Wohnbauförderungsgesetz 2025 (S.WFG 2025) „verschiedene Sanierungsmaßnahmen, um Wohnraum zu verbessern und nachhaltiger zu gestalten“, sagt Andreas Scherm, Fachgruppengeschäftsführer der Immobilientreuhänder, WKS. Gefördert werden unter anderem thermische Sanierungen, die Verbesserung des baulichen Wärmeschutzes sowie der Austausch von Fenstern und Außentüren. Die Errichtung oder Erneuerung von Wärmebereitstellungssystemen und thermischen Solaranlagen fördert die Wohnbauförderung nur mehr in Objekten mit mindestens neun Wohnungen. Dazu gehören der Anschluss an klimafreundliche Fernwärme, Biomasseheizungen, elektrisch betriebene Heizungswärmepumpen und hochwertige thermische Solaranlagen. Zudem werden im Wohnbauförderungsgesetz Maßnahmen zur behindertengerechten Ausstattung und die nachträgliche Errichtung von Personenaufzügen gefördert.

Credit: Die Fotografen
Scherm erläutert: „Aktuell sind aber aufgrund der ausgeschöpften Fördermittel energetische Maßnahmen nach dem S.WFG 2025 nicht registrier- oder beantragbar. Daneben besteht die Energieförderung des Landes Salzburg, die sich auf Maßnahmen zur Erreichung der Energie- und Klimaschutzziele Salzburg 2050 konzentriert. Sie unterstützt unter anderem erneuerbare Zentralheizungen, thermische Solaranlagen, Photovoltaikanlagen und Stromspeicher für verschiedene Nutzergruppen.“ Diese Förderungen stehen auch kleinen Objekten (mit weniger als neun Wohneinheiten) offen.
Für Ellen Moll, Immobilienverwaltung Dr. Moll & Punt OHG in Innsbruck, stellt die aktuelle Fördersituation Hausverwaltungen von Eigentümergemeinschaften vor große Herausforderungen: „In einer Wohnungseigentumsgemeinschaft vergehen von der Planung bis zur Durchführung einer Sanierung mindestens eineinhalb Jahre. Nicht vorhersagbare Förderhöhen erschweren es, einen Sanierungsbeschluss innerhalb einer Eigentümergemeinschaft zu erreichen. Da die Förderhöhen in den jeweiligen Budgets (Bund, Land, Gemeinde) verankert sind und diese nur auf ein bis zwei Jahre abgeschlossen werden, fehlt uns hier Planungssicherheit.“ Die Stadt Innsbruck stellte mit 28. Februar 2025 ihre Förderungen (rund 15 Prozent, beispielsweise für Türen oder Fenstertausch) ohne entsprechende Vorankündigung ein. Das Land Tirol fördere derzeit weiterhin Einzelmaßnahmen zur energetischen Sanierung. Einzelsanierungsmaßnahmen seien zwar sinnvoll, so Moll, „aber aus wirtschaftlicher und auch technischer Sicht ist eine Gesamtsanierung immer vorzuziehen.“