Mietverträge mit Geschäftsraummietern

15.11.2012

 
Mit dem 1. StabilitätsG 2012 wurde nicht nur die Immobilienertragsteuer eingeführt, auch umsatzsteuerliche Änderungen führen zu einer massiven Belastung der Eigentümer und Vermieter. Anton Holzapfel analysiert.

1. Grundsatz der unechten Steuer­befreiung bei Vermietung und Verpachtung und Änderungen durch das 1. Stabilitätsgesetz 2012

Im Einklang mit den europarechtlichen Normen geht man bei der Vermietung und Verpachtung von Immobilien vom Grundsatz der unechten Steuerbefreiung aus. Vor allem im Vollanwendungsbereich des MRG war es aber bisher der Regelfall, dass der Vermieter für die Besteuerung mit 20 Prozent USt. optiert hat. Mit dem 1. StabilitätsG 2012 wurde die Option auf die Regelbesteuerung, drastisch eingeschränkt. Diese ist nur mehr dann möglich, wenn der Mieter fast ausschließlich (95 Prozent) Umsätze tätigt, die ihn zum Vorsteuerabzug berechtigen. 

Kleinunternehmer, Vereine, Körperschaften des öffentlichen Rechts, Banken, Ärzte und Versicherungen, die im Regelfall unecht steuerbefreite Umsätze tätigen, sind daher schon prima facie von den zitierten Änderungen betroffen. Aber auch auf den ersten Blick „unverdächtige“ Mieter laufen Gefahr, mehr als fünf Prozent Umsätze zu tätigen, die letztlich den Vorsteuerabzug des Vermieters zu Fall bringen. Man denke nur an Immobilienmakler, die Unternehmensanteile vermitteln, oder Trafikanten, die unecht steuerbefreite Umsätze aus der Lottokollektur erzielen. Leider stößt der Rechtsanwender bei der Interpretation der neuen Gesetzesbestimmungen rasch an die Grenzen der Auslegung. 

Nach Ansicht des BMF ist grundsätzlich die neue Bestimmung des § 6 Abs. 2 UStG idF 1. Stabilitätsgesetz 2012 auf jede neue Vermietung ab dem 1. 9. 2012 anzuwenden. Darüber hinaus ist jeder Vermieterwechsel ab dem 1. 9. 2012 schädlich, da – so das BMF – aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht ein neues Mietverhältnis beginne. Aufseiten des Vermieters sei ein neuer Unternehmer gegeben, im Regelfall hat er die Immobilie angeschafft und nicht selbst errichten lassen und falle deswegen auch nicht unter den obenzitierten Ausnahmetatbestand. Diese Ansicht des BMF ist m. E. vom Gesetzeswortlaut und den ErlBem nicht gedeckt und überdies zivilrechtlich schlichtweg nicht haltbar, da bei einem Vermieterwechsel der Erwerber als Rechtsnachfolger des Vermieters im Anwendungsbereich des MRG gem. § 2 Abs 1 Z 4 und 5 MRG ohne Kündigungsmöglichkeit in das Mietverhältnis eintritt. Veräußert ein Vermieter eine Liegenschaft, bewirkt dies nach § 1120 ABGB iVm § 2 Abs 1 MRG eine gesetzliche Vertragsübernahme auf Vermieterseite. Auch der Inhalt des Schuldverhältnisses wird dadurch nicht geändert. 

Für den Rechtsanwender bedeutet dies – vor allem solange die Umsatzsteuerrichtlinien nicht veröffentlicht sind – eine unerträgliche Rechtsunsicherheit, die vom Gesetzgeber umgehend klarzustellen wäre. Soll der Immobilienverwalter nach erfolgtem Verkauf einer vom ihm verwalteten Immobilie einem unecht steuerbefreiten Mieter nur noch den Nettomietzins vorschreiben? Können die dann anfallenden Vorsteuerkürzungen dem Mieter angelastet werden? Allenfalls gibt es mit § 30 Abs 2 UStG 1994 die Möglichkeit, einen angemessenen Ersatz für die Nachteile, die sich aus der Gesetzesänderung ergeben, zu erlangen. Betrachten wir aber hier primär den scheinbar „einfacheren Fall“ einer Neuvermietung ab 1. 9. 2012.

2. Mietzinsvereinbarungen im Hinblick auf den möglichen Vorsteuerverlust ab 1. 9. 2012
Der Vermieter wird zwei Fallkonstellationen bei der Erstellung eines neuen Mietvertrags unterscheiden müssen:
a) Unecht steuerbefreiter Geschäftsraummieter 
(bei denen keinesfalls mehr eine Option auf 20 Prozent USt. möglich ist, z. B. Arzt, Versicherungsmakler, Bank, Versicherung, Kleinunternehmer)

Ganz entgegen der in Österreich herrschenden Denkweise der Nettokalkulation (und auch Netto-Abrechnung) wird der Vermieter die Miethöhe neu kalkulieren müssen, um den zu erwartenden Vorsteuerverlust zu kompensieren. Im Mietvertrag wird klargestellt, dass keine Option möglich ist. Die Betriebskosten werden dem Mieter wohl brutto in Rechnung gestellt. Mietrechtliche Grenzen ergeben sich bei der Kalkulation aber vor allem aus den Angemessenheitsbestimmungen des § 16 MRG.

b) Geschäftsraummieter, derzeit mit Umsätzen, die nahezu ausschließlich zum Vorsteuerabzug berechtigen
Der Vermieter wird sich bestätigen lassen, dass derzeit fast ausschließlich Umsätze getätigt werden, die zum Vorsteuerabzug berechtigen. Der Mieter sollte verpflichtet werden, eine Änderung der Verhältnisse unverzüglich zu melden. Für den Fall, dass dies nicht erfolgt, wäre eine Schad- und Klagloshaltung zu vereinbaren.  

Ergänzt werden sollte der neue Mietvertrag noch um die Klausel, dass sich der Mietzins erhöht, sollten sich die umsatzsteuerlichen Verhältnisse des Mieters ändern. Eine automatische Erhöhung um die bis dahin vorgeschriebene USt. als „Vorsteueräquivalent“ würde aber nur auf den ersten Blick die wirtschaftlichen Nachteile einfangen, da mit der unecht befreiten Vermietung auch eine Korrektur der Vorsteuern der vergangenen 20 Jahre für Anschaffung, Herstellung und Großreparatur ausgelöst wird.

c) Weiterverrechnung des Vorsteuerverlustes
Eine andere Variante wäre auch noch denkbar: nämlich die Verrechnung des tatsächlich sich jeweils ergebenden Vorsteuerverlustes auf den Mieter.

d) Der angemessene Mietzins als Höchstgrenze
Kernfrage aller Überlegungen muss sein: Können die in den Mietzins einkalkulierten Vorsteuerverluste bei der Ermittlung des angemessenen Mietzinses berücksichtigt werden? Die österreichische Lösung lautet ganz einfach: Der Geschäftsraummieter hat ohnehin eine Rügeobliegenheit. 
Eine Mietzinsanfechtung ist nur möglich, wenn er spätestens zum Zeitpunkt der Übergabe diese Rüge auch tatsächlich ausspricht. Jeder Immobilienverwalter wird selbst bei Lektüre dieser Zeilen nachprüfen, wie viele Fälle einer Anfechtung er/sie in den vergangenen 15 Jahren erlebt hat …

3. Ruf nach dem Gesetzgeber unerlässlich
Zusammenfassend ergibt sich ein dringender gesetzgeberischer Handlungsbedarf. 

Einerseits sollte klargestellt werden, auf welche Rechtsbeziehungen die neuen Bestimmungen anzuwenden sind; andererseits wäre der Begriff des „brutto“ kalkulierten angemessenen Mietzinses i. S. d. § 16 Abs. (1) MRG zu definieren und die Anwendbarkeit der Übergangsbestimmung des § 30 UStG ­sicherzustellen.

Text: Anton Holzapfel