Mehr Grün statt Grau

Wiener Bauordnung
13.12.2022

Von: Redaktion OIZ
Am 9. und 10. November 2022 fand eine Fachenquete zur Wiener Bauordnungsnovelle statt. Michael Pisecky und Hans Jörg Ulreich berichten von dieser „Kick-Off“-Veranstaltung und plädieren für eine zeitgemäße Flächenwidmung sowie für schnellere Verfahren.

Mann im Anzug
Michael Pisecky ist Fachgruppenobmann der Wiener Immobilien- und Vermögenstreuhänder.

OIZ: Warum wird die Bauordnung der Bundeshauptstadt erneut überarbeitet?

MICHAEL PISECKY: Wien steht vor vielen neuen Herausforderungen. Um die Green-Deal-Ziele der Europäischen Union bis 2050 zu erreichen, braucht es umfassende Maßnahmen, beispielsweise zum Ausstieg aus fossilen Energieträgern, mehr Grün statt Grau und rechtliche Adaptierungen für einen Zugewinn an innerstädtischer Nachverdichtung. Ein effizientes und einfaches Mittel, hier rasch neue Rahmenbedingungen festzulegen, ist eine Novellierung der Wiener Bauordnung, die in ihrer derzeitigen Fassung nicht mehr zeitgemäß ist.

OIZ: Wie gestaltete sich vor diesem Hintergrund die Fachenquete zur Wiener Bauordnungsnovelle am 9. und 10. November 2022?

PISECKY: Die Fachenquete war eine sehr begrüßenswerte „Kick Off“-Veranstaltung. Vorgetragen und diskutiert wurden nicht nur die Pläne und Ansätze der Stadtverwaltung, sondern auch viele Vorschläge von Expertinnen und Experten aus den unterschiedlichsten Bereichen. Lösungen zu den Problemstellungen wurden noch nicht ausgemacht, aber jede und jeder konnte ihre respektive seine Sicht darauf darlegen.

lächelnder Mann im Anzug, mit Brille
Hans Jörg Ulreich ist Berufsgruppensprecher der österreichischen Bauträger.

OIZ: Was sind Ihrer Meinung nach die wesentlichsten Punkte, die in der neuen Bauordnung Berücksichtigung finden müssen?

HANS JÖRG ULREICH: Wir haben in Wien eine völlig veraltete und unzeitgemäße Flächenwidmung, die Nachverdichtung praktisch verunmöglicht. Über eine Bauordnungsnovelle und eine Adaptierung des §69 BO könnte hier die Nachverdichtung forciert werden.Außerdem braucht es einen effizienten Weg, um Bewilligungsverfahren, die in Wien viel zu lange dauern, sicher und rechtens abzukürzen.

Und wesentliche Baukostentreiber wie Stellplätze und überzogener Brandschutz müssen angegangen werden. Wir haben zahlreiche überbordende Vorschriften, die sich gegenseitig sogar widersprechen. Etwa bei Brandschutz und Gehsteigbreiten versus Begrünung. Hier müssen Widersprüche aufgehoben und die rechtlichen Rahmenbedingungen den politischen Zielen – Nachverdichtung und Begrünung – eindeutig und klar angepasst werden.

OIZ: Wie kann eine neue Bauordnung in all diesen komplexen Bereichen effizient eingreifen?
ULREICH:
Um nicht jahrelang auf eine Änderung der Wiener Flächenwidmung warten zu müssen – denn das ist ein langer politischer Prozess –, könnte Nachverdichtung wie erwähnt durch die Adaptierung des §69 BO angekurbelt werden.

Derzeit darf in Wien nur über im §69 BO festgelegte Ausnahmen höher und dichter gebaut werden. Ein reiner Zugewinn von Wohn- und Geschäftsfläche zählt jedoch nicht zu diesen Ausnahmen. Es könnte durch eine kleine Adaptierung, wie beispielsweise die Anwendung des §69 nach den in der Präambel der BO definierten Zielsetzungen, etliches bewirkt und vereinfacht werden.

OIZ: Wie sollen Verfahren verkürzt werden?
ULREICH:
Fakt ist, dass die Behörden offensichtlich überlastet sind, denn die Verfahren dauern mittlerweile über die Maßen lange. Man könnte einerseits technische Detailprüfungen auslagern, zum Beispiel in den Bereichen Statik, Brandschutz, Aufzüge und vielem mehr. Andererseits hat mein Kollege, ÖVI-Vizepräsident Klaus Wolfinger, ein neues schnelles und dennoch sicheres Verfahren für die Behörde entwickelt, das er bei der Enquete umfassend präsentiert hat. Allein es fehlt der fruchtbare Boden – sprich: der Veränderungswille seitens der Stadtverwaltung.

OIZ: Wie lassen sich Brandschutz- und Klimaschutzmaßnahmen besser vereinbaren?

ULREICH: Die aktuellen Brandschutzmaßnahmen verhindern in Wien ein umfassendes und einfaches Fassadenbegrünungskonzept. Objekte einfach einmal zu begrünen, ist in anderen europäischen Städten möglich; in der Bundeshauptstadt Wien nicht. Es ist natürlich politisch schwierig, hier eine Brandschutzvorgabe zu ignorieren. Aber Fakt ist: Fassadenbegrünungen sind durch den Brandschutz kostenintensiv und benötigen Platz, dadurch werden Begrünungen gerade innerstädtisch nicht umgesetzt.

Blick auf die Dächer Wens
Eine Bauordnungsnovelle und eine Adaptierung des §69 BO könnte in Wien Nachverdichtung forcieren.

OIZ: Was bedeutet die Novelle der Wiener Bauordnung für die Bauordnungen der Bundesländer?

ULREICH: Alle Länder sind durch den Green Deal, der heute noch als Empfehlung und Zielformulierung gilt, aber in den kommenden Jahren verbindliche Rahmenbedingungen vorgeben wird, dazu gezwungen, veraltete Vorschriften zu durchforsten und die neuen Ziele auch rechtlich zu ermöglichen. Für unsere Branche wird besonders das Ziel des Netto-Null-Flächenverbrauches bis 2050 interessant werden. Spätestens dann darf eigentlich auch nach EU-Vorgabe nur mehr nachverdichtet werden. Neuer Flächenverbrauch, wenn er überhaupt bewilligt wird, muss dann durch neue Naturflächen ausgeglichen werden. Dazu kommen der Energieumstieg und Begrünungs- und Freiflächenstrategien.

Es kommt mit Sicherheit bundesweit zu Bewegungen in den Bauordnungen – hoffentlich in die richtige Richtung!

OIZ: Wie geht es nach der Fachenquete weiter?

PISECKY: Der offizielle Diskussionsprozess hat mit der Enquete begonnen. Wir, die Branche, sind schon seit Langem mit der nötigen Expertise gerüstet. Gemeinsam mit anderen Branchenvertreterinnen und -vertretern haben wir uns auf einen gemeinsamen Forderungskatalog geeinigt, der die wichtigsten Maßnahmen zu allen angesprochenen Punkten enthält. Der weitere Schritt wird eine Abstimmung innerhalb der Wiener Wirtschaftskammer sein. Wir werden die nächsten Monate intensiv arbeiten, damit wir zu einem für die Branche, für Wien sowie die Wienerinnen und Wiener ein gutes Ergebnis erreichen. Die Beschlussfassung der neuen Bauordnung ist jedenfalls im nächsten Jahr geplant.