"Man kann es nicht umsetzen"

erneuerbare Energie
03.03.2023

Von: Redaktion OIZ
Ellen Moll, Berufsgruppensprecherin der Immobilienverwalter, und Johannes Wild, Obmann-Stellvertreter des Fachverbandes, kritisieren am EWG vor allem die fehlenden wohnrechtlichen Begleitmaßnahmen.

Gasherd
Eine der vielen offenen Fragen: Was passiert mit dem Gasherd des Mieters?

OIZ: Welche Relevanz hat das Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWG) für die Dekarbonisierung des Immobilienbestands in Österreich?

JOHANNES WILD: Grundsätzlich kann man festhalten, dass Wohnen hierzulande einen Großteil der Emissionen verursacht. Es macht zweifelsohne Sinn, hier anzusetzen. Allerdings gestalten sich unsere Zugänge als Immobilienverwalter oft anders, als es dieser gesetzliche Vorstoß tut. Wir betrachten das eher von der praktischen Seite. Sprich: Welche Punkte können wir tatsächlich umsetzen und – und das ist wesentlich – wie schauen die wohnrechtlichen Begleitmaßnahmen aus? Weiters stellt sich die Frage der Finanzierung. Der größte Hebel liegt für mich im Übrigen nicht in der Heizung, sondern eher in der Bautechnik.

Frau mit blonden Haaren
Ellen Moll, Berufsgruppensprecherin der Immobilienverwalter im Fachverband der Immobilien- und Vermögenstreuhänder: „Ohne wohnrechtliche Begleitmaßnahmen ist das EWG so für uns nicht umsetzbar.“

OIZ: Inwiefern?

WILD: Es geht darum, Gebäude wirtschaftlich sinnvoll zu sanieren. Nehmen wir als Beispiel ein Wiener Zinshaus mit einem Heizlastbedarf laut Energieausweis von 220 kWh/m2. Das ist der klassisch hohe Wert für eine derartige Liegenschaft. Er sollte auf 120 kWh/m2 reduziert werden. Das ist keine berauschende Zahl, ich weiß. Die Einsparung ist aber eine größere, als wenn man ein Gebäude von 60 kWh/m2 auf 25 kWh/m2 bringt. Jedenfalls haben derartige Sanierungen mehr Einsparpotenziale als diverse Heizungsumrüstungen.

OIZ: Was gibt es beim EWG darüber hinaus zu bedenken?

ELLEN MOLL: Es gilt, zwischen Wohnungseigentum und Mietobjekten zu unterscheiden. Beim Wohnungseigentum besteht die Herausforderung darin, bis 2025 eine einstimmige Vereinbarung für das Opting-Out aus der Zentralisierungsverpflichtung zu schaffen. Das ist eine zu kurze Zeitspanne, ganz abgesehen davon, dass eine Zustimmung aller selten erreicht wird. Die Folgefrage ist dann die Verpflichtung, solche Etagenheizungen auf zentrale Beheizungssysteme umzustellen. Weiters geht es um die Anschlussverpflichtung ans Fernwärmenetz, wobei sich etwa die Frage stellt, wo es Fernwärme gibt, wann sie kommt etc. Häufig heißt es, die Fernwärme stehe in vielleicht fünf oder zehn Jahren zur Verfügung, wenn überhaupt. Genaueres wisse man aber nicht.

WILD: Apropos Fernwärme: Ich betreue ein Bauträgerprojekt im 10. Bezirk in Wien, dessen Fernwärmeanschluss laut – allerdings nur mündlicher – Auskunft rund 25.000 Euro kosten sollte. Als es so weit war, hieß es, die Kosten belaufen sich auf 125.000 Euro! Das bei einer Anschlussverpflichtung ans Fernwärmenetz…

Mann in dunkelblauem Anzug
Johannes Wild, Obmann Stellvertreter des Fachverbandes der Immobilien- und Vermögenstreuhänder: „Der größte Hebel liegt für mich nicht in der Heizung, sondern eher in der Bautechnik.“

OIZ: Und bei Mietobjekten?

MOLL: Dort herrscht eine ähnliche Problemlage wie beim Wohnungseigentum. Es muss etwa berücksichtigt werden, wer seinerzeit die Heizung einbaute. War es der Mieter oder war es der Eigentümer? Muss der Mieter es dulden, dass eine neue, zentrale Heizung installiert wird? Was passiert mit seinem Gasherd? Es kommen viele Probleme auf uns zu. Wir könnten Stunden darüber reden.

OIZ: Reden wir über die vermeintliche Kostenersparnis.

MOLL: Ja, das ist das nächste Problem. Viele Leute denken, dass die Heizkosten dann sinken. Dabei bewirkt die Umstellung auf eine Pelletsheizung oder auf eine Wärmepumpe keine Ersparnis. Im Gegenteil. Die laufenden Heizkosten werden steigen. Teils verdoppeln sie sich sogar.

OIZ: Ist das EWG unterm Strich derzeit das Hauptthema unter den Verwaltern?

WILD: Formulieren wir es so: Es vergeht kein Tag, an dem nicht ein Wohnungs-/Hauseigentümer oder ein Mieter uns mit der Thematik konfrontiert. Sie wollen wissen, wie wir weiter vorgehen. Wir antworten stets, dass uns, weil die gesetzliche Grundlage fehlt, die Hände gebunden sind. Erst, wenn wir wissen, wie die Bestimmungen konkret ausgestaltet sind, wissen wir, was theoretisch in welchem Zeitrahmen zu tun ist. Falls das EWG jedoch in der vorliegenden Entwurfsform kommt…

MOLL: … dann kann man es nicht umsetzen. Wir wissen nicht, wie wir das machen sollten – weil einfach die Begleitmaßnahmen komplett fehlen.

WILD: Dazu kommt, dass wesentliche Punkte des EWG die Bauordnungen betreffen. Derer gibt es in Österreich bekanntlich neun Stück. Und wie die Bundesländer das Thema handhaben, ist ohnehin noch völlig unklar.

Über das EWG

Am 13. Juni 2022 wurde der Entwurf des Erneuerbare-Wärme-Gesetzes (EWG) in die Begutachtung geschickt und im Anschluss überarbeitet. Am 2. November 2022 erfolgte der Ministerratsbeschluss. Die Paragraphen legen den Ausstieg aus fossilen Heizungen (Kohle, Öl, Gas) in Österreich fest.Bereits ab heuer dürften demnach in Neubauten keine Gasheizungen mehr verbaut werden. Bis 2035 müssen alte Kohle- und Ölheizungen durch ein moderne, erneuerbare Heizsysteme ersetzt werden. Bis 2040 müssen wiederum alle Gasheizungen durch moderne, erneuerbare Heizsysteme ersetzt oder mit biogenem Gas betrieben werden. Bei dezentralen Anlagen (Gasetagenheizungen in Wohnungen) in Gebieten mit ausgebauter Fernwärme soll bis 2040 ans Fernwärmenetz angeschlossen werden. Eigentümern der einzelnen Nutzungseinheiten soll der Anschluss an ein klimafreundliches zentrales Wärmeversorgungssystem ermöglicht werden. Der Fachverband setzt sich vehement dafür ein, dass wohnrechtliche Begleitmaßnahmen erfolgen, um die ambitionierten Ziele erreichen zu können. Bislang wurde leider verabsäumt, Regelungen zur Kostentragung beziehungsweise zum Investitionsersatz im WEG zu schaffen und vor allem Duldungspflichten der Mieter zu verankern.