Kein großer Wurf
„Die größte Steuerreform in der Geschichte der Zweiten Republik kommt", frohlockte Bundeskanzler Werner Faymann nach der finalen Verhandlungsrunde. Für die ÖVP jubelte Vizekanzler Reinhold Mitterlehner: „Das Steuerreform-Paket kann sich sehen lassen. Es bringt Arbeitnehmern, Unternehmern, Familien, Bauern und Pensionisten ein Entlastungsvolumen von fünf Milliarden Euro."
So weit, so – unter anderem dank des neuen Einkommensteuer-Tarifmodells – gut. Doch nach der Analyse der Gegenfinanzierung lässt sich das Sprichwort „Des einen Freud‘, des anderen Leid" strapazieren. Zu den Verlierern des Maßnahmenpakets zählen zweifelsohne die Immobilienbesitzer bzw. -branche. So soll die Grunderwerbsteuer künftig auch bei Übertragungen im Familienverband – insbesondere bei Schenkung und Erbschaft – ebenfalls vom Verkehrswert berechnet werden. Dort kam bis dato der dreifache Einheitswert zu tragen. Nun gilt hier jedoch bei einem Verkehrswert von null Euro bis 250.000 Euro ein Steuersatz von 0,5 Prozent; bei einem Verkehrswert von 250.001 Euro bis 400.000 Euro ein Steuersatz von 2,0 Prozent und bei einem Verkehrswert von über 400.000 Euro ein Steuersatz von 3,5 Prozent.
Walter Stingl, Steuerexperte des ÖVI, bricht diese neue Regelung auf ein Beispiel herunter: Bei der Schenkung eines Grundstücks mit einem Einheitswert von 50.000 Euro und einem Verkehrswert von 500.000 Euro an ein Kind erhöht sich die Grunderwerbsteuer von bisher 3.000 Euro auf stolze 7.750 Euro. Sachverständige dürfen sich angesichts der geänderten Berechnung wohl über mehr Geschäft freuen. Auch bei der Übertragung von Grundstücken im Zuge von Unternehmensweitergaben gibt es eine Änderung. Hier soll sich der Freibetrag von 365.000 Euro auf 900.000 Euro erhöhen. Für die unentgeltliche Übertragung bei Land- und Forstwirten gilt weiterhin der einfache Einheitswert.
Neben der Grunderwerbsteuer steigt die Immobilienertragsteuer – und zwar von 25 Prozent auf 30 Prozent. Die in den Reformpapieren erwähnte Verbreiterung der Bemessungsgrundlage soll sich laut Stingl auf die Abschaffung des Inflationsabschlags beziehen. Dieser liegt derzeit beim Verkauf von Neuvermögen ab dem elften Besitzjahr bei 2 Prozent pro Jahr, maximal bei fünfzig Prozent.
Nicht nur die Immobilienbranche stöhnt ob der neuen Belastungen. Stellvertretend für alle österreichischen Unternehmer moniert Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl, dass die Regierung zur Gegenfinanzierung der Tarifreform „leider wieder einmal zum überwiegenden Teil den Weg der Steuererhöhungen und Mehrbelastungen gewählt hat, die bei der Umsetzung echter Reformen nicht notwendig gewesen wären." Diskussionsbedarf besteht aus Sicht der Wirtschaft bei der Grunderwerbsteuer. Die geplante Anhebung stellt trotz einer erhöhten Freibetragsgrenze von 900.000 Euro pro Betrieb und Steuerfall ein echtes Problem für die Betriebe dar. Zusätzliche Wermutstropfen sind neben der Anhebung der Immobilienertragsteuer jene der Kapitalertragsteuer sowie der Mehrwertsteuer. Leitl erwartet nun, dass im parlamentarischen Prozess Verbesserungen in die endgültige Beschlussfassung einfließen. Diese sollen die Stimmungslage unter den Betrieben positiv beeinflussen und zu einer konjunkturellen Belebung führen.