„Ich sehe mich nicht als Einzelkämpfer“

Fachverband
13.12.2022

Von: Redaktion OIZ
Am 22. November 2022 wurde KommR Ing. Gerald Gollenz zum Fachverbandsobmann der Immobilien- und Vermögenstreuhänder bestellt. Der Steirer übernimmt die Funktion in einer für die Branche besonders herausfordernden Zeit.

Mann mit Brille
"Die größte Herausforderung bildet das Bestellerprinzip, das leider in die vollkommen falsche Richtung geht.“

OIZ: Herzliche Gratulation zu Ihrer Bestellung, Herr Gollenz.

GERALD GOLLENZ: Vielen Dank. Bereits Ende April hat mich mein Vorgänger Georg Edlauer informiert, dass er heuer seine Funktion aus persönlichen Gründen zurücklegen wird. Ich möchte mich bei Georg für seinen jahrelangen Einsatz für die Branche bedanken. Ich habe nicht nur einen Kollegen, sondern auch einen Freund gewonnen.

Obwohl die Funktion bei meiner Lebensplanung nicht an oberster Stelle gestanden ist, habe ich mich gerne bereit erklärt, dem Wunsch der Mehrheit der Funktionäre nachzukommen und für die restliche Periode als Fachverbandsobmann zu fungieren.

OIZ: Wie gehen Sie an Ihre neue Funktion heran?

GOLLENZ: Ich sehe mich nicht als Einzelkämpfer an vorderster Front, sondern als Teil und – wenn Sie so wollen – Sprecher eines Teams, das gemeinschaftlich und im Einvernehmen die Geschicke des Fachverbands lenkt. Dieses Team, also der erweiterte Vorstand, wurde vor sieben Jahren eingeführt.

Mein Dank gilt an dieser Stelle Michael Pisecky, der weiterhin der Branche als erster Obmann-Stellvertreter mit Fokus auf Immobilienmakler-Agenden dienen möchte. Weiters danke ich Johannes Wild, der die Funktion des zweiten Obmann-Stellvertreters übernommen hat und sich auf die Immobilienverwalter konzentriert. Ich selbst orte meinen Schwerpunkt bei den Bauträger-Agenden.

OIZ: Sie treten Ihre Funktion in einer für die Branche äußerst schwierigen und herausfordernden Zeit an.

GOLLENZ: Das ist mir bewusst. Die größte Herausforderung bildet das Bestellerprinzip, das leider in die vollkommen falsche Richtung geht. Voraussichtlich Mitte 2023 wird es in Kraft treten. Ich hoffe, dass die Übergangsfrist bei sechs Monaten bleibt. Denn es wäre für mich nicht nachvollziehbar, wenn diese, weil die Politik im Vorfeld länger gebraucht hat, kürzer ausfällt. Vor allem, weil wir noch immer nicht wissen, wie das Bestellerprinzip im Endeffekt konkret ausgestaltet sein wird.

OIZ: Wie ordnen Sie die zweite große Herausforderung ein? Das Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWG).

GOLLENZ: Meiner Meinung nach ist das EWG überhaupt nicht ausgegoren. Ich betrachte es als Vorschlag – von wem auch immer. Status jetzt verfügt es über keinerlei Inhalt, aus dem wir schließen können, wie es weitergehen soll. Im Gegenteil. Vor allen bei den wohnrechtlichen Themen tappen wir im Dunkeln.

Das Zentralisierungsverbot im EWG verursacht massive Kapitalvernichtung. Es bedarf noch einer intensiven Diskussion. Wir werden jedenfalls massiv gegen den vorliegenden Entwurf arbeiten. Vor diesem Hintergrund haben wir gemeinsam mit dem ÖVI eine Stellungnahme erarbeitet.

Sprechender Mann mit Brille
„Besonderen Fokus möchte ich in den kommenden Jahren auch auf die Bereiche Digitalisierung sowie Aus-/Weiterbildung in der Branche legen.“

OIZ: Wie schätzen Sie das heimische Immobilienjahr 2023 generell ein?

GOLLENZ: Weil die Auftragsbücher der Baufirmen noch relativ voll sind, wird es Anfang 2023 schwierig. Dabei sind nicht die Lieferschwierigkeiten das Problem. Schließlich sind sämtliche Materialien wieder verfügbar. Das Problem ist vielmehr, dass während der nächsten sechs, sieben Monate die Preise nicht kalkuliert werden können beziehungsweises wird es herausfordernd sein, Preise zu halten. Wer jetzt mit einem Projekt beginnt, weiß nicht, was es unter dem Strich tatsächlich kosten wird.

Verschärfend kommt die seit dem 1. August 2022 geltende Kreditvergaberichtlinie KIM-VO hinzu. Wir kämpfen mit Hochdruck dafür, dass diese nachgebessert wird. Österreich übte sich diesbezüglich leider einmal mehr in vorauseilendem Gehorsam. Meines Wissens wurde die Richtlinie in Slowenien und Italien noch nicht umgesetzt und Deutschland setzte sie abgewandelt um.

OIZ: Geht es in der zweiten Jahreshälfte 2023 bergauf?

GOLLENZ: Ja, das tut es aller Voraussicht nach. Das erste Halbjahr wird wie erwähnt jedoch problematisch. Einerseits, da wenig produziert wird, andererseits, da – weil die Menschen die Finanzierung nicht bekommen – wenig verkauft wird. Meiner Wahrnehmung nach werden sich die Auftragsbücher der Baufirmen im zweiten Halbjahr 2023 langsam leeren. In weiterer Folge werden Projekte wieder besser kalkulierbar sein. In der Zwischenzeit müssen die zahlreichen offenen Behördenverfahren abgewickelt werden. Gemäß unseres Neubauberichts befinden sich für die nächsten Jahre dennoch genügend Projekte in der Pipeline. 

OIZ: Sie erwähnten den Neubaubericht. Warum ist er für die Branche so relevant?

GOLLENZ: Der Neubaubericht war mir schon immer ein Anliegen. Ich bin sehr froh, dass wir ihn gemeinsam mit Exploreal realisiert haben. Endlich wissen wir, wer und wo in Österreich wie viele Wohnungen baut. Bis auf zwei Bundesländer – Niederösterreich und das Burgenland – liegen die gewerblichen vor den gemeinnützigen Bauträgern. Außerdem wissen wir, wo sich welche Projekte in Planung befinden. Dank dieses Wissens können sich unsere Mitglieder besser an den Markt angleichen.

Ich erachte diesen Neubaubericht mit seiner laufenden Aktualisierung für mehr als gelungen. Darüber hinaus geben wir gemeinsam mit dem ZT Datenforum regelmäßig den Immobilienpreisspiegel heraus; ein für die Branche ebenfalls essentielles Instrumentarium.

OIZ: Welche Themen möchten Sie darüber hinaus vorantreiben?

GOLLENZ:Besonderen Fokus möchte ich in den kommenden Jahren auf die Bereiche Digitalisierung sowie Aus-/Weiterbildung in der Branche legen. Und ich möchte unseren Marktplatz forcieren. Mein Appell an die Makler lautet, dieses Portal künftig zu nutzen.

Über Gerald Gollenz

Seit 2000 ist Gerald Gollenz in der Wirtschaftskammer tätig, seit 17 Jahren als Fachgruppenobmann der Immobilien- und Vermögenstreuhänder in der Steiermark und seit zwölf Jahren als Fachgruppenobmann-Stellvertreter. Nach mehr als einem Vierteljahrhundert in Führungspositionen diverser Immobiliengesellschaften entwickelt und realisiert er seit 2012 als selbstständiger Unternehmer Bauträgerprojekte in Graz, Wien sowie Salzburg. Gollenz lebt mit seiner Frau im südoststeirischen Weinort Klöch.