Handel im Portfolio
Handelsimmobilien stehen in der Gunst internationaler Investoren ganz oben. Die Nachfrage nach Objekten ist aber größer als das Angebot.


Der Ort war äußerst ungewöhnlich. Als Unibail-Rodamco heimische Journalisten Ende Juni zu einem Pressegespräch in das größte Einkaufszentrum des Landes, die Shopping City Süd (SCS), bat, fanden sich die angereisten Medienvertreter kurzerhand in einem Toilettenvorraum des Konsumtempels wieder. „Es macht uns stolz, mit der Shopping City Süd das österreichweit erste Vier-Sterne-Shoppingcenter zu führen. Die SCS steht für höchste Ansprüche in puncto Aufenthalts- und Servicequalität, gepaart mit einer einzigartigen Shoppingatmosphäre und exklusivem Markenangebot“, erklärte Thomas Heidenhofer, Country Manager von Unibail-Rodamco Österreich. Um das Gesagte zumindest teilweise und visuell zu untermauern, musste der stylishe Toilettenvorraum herhalten. „Sauberkeit und Hygiene im gesamten Einkaufszentrum sind uns wichtig. Wir haben mehr als drei Millionen Euro in die Modernisierung unserer neuen Vier-Sterne-Toilettenanlagen investiert“, so Center-Manager Anton Cech. Dass sich Unibail-Rodamco – neben der SCS befindet sich auch das Donau-Zentrum im Portfolio des in Paris an der Börse gelisteten Immobilienunternehmens – das Vier-Sterne-Gütesiegel selbst ausgedacht hat, überrascht in der Shoppingcenterindustrie niemanden. Service, Unterhaltung, Erlebnis und eine gehobene Aufenthaltsqualität der Konsumenten spielen bei nationalen und internationalen Shoppingcenterbetreibern eine immer größere Rolle. So gibt es in der SCS jetzt einen Buggyverleih für Jungfamilien, eine „Welcome Kids Zone“ und viele andere Annehmlichkeiten für die einkaufende Masse. Und die strömt in Scharen in die Einkaufszentren, was auch Immobilieninvestoren seit geraumer Zeit bemerken.
Hoher Veranlagungsdruck
Kurzum: Handelsimmobilien sind ganz oben in der Gunst der Investoren angelangt. Das hat gute Gründe: Seit sich die Weltwirtschaft von Krise zu Krise schlängelt, haben sowohl private als auch institutionelle Anleger das Thema „Anlagesicherheit“ zum heiligen Gral der Investorengemeinschaft erhoben. Die starke Volatilität an den Aktienmärkten, gepaart mit der Niedrigzinspolitik der EZB, treiben die Anleger förmlich in „Betongold“. Natürlich sind auch Immobilien mit mitunter schwindelerregenden Abwertungsprozessen – wie viele im Zuge der Lehman-Pleite schmerzlich erfahren mussten – konfrontiert. Da konjunkturelle Tiefs aber recht lange brauchen, bis sie den direkten Weg in die Geldbörse der Konsumenten finden, gelten Handelsimmobilien als relativ beständige Cashflow-Generatoren, was vor allem für institutionelle Investoren überaus interessant ist. Der „Siegeszug“ der Shoppingcenter, High-Street-Immobilien und Fachmarktzentren ist nachvollziehbar und voll im Gange.
CashFlow gefragt
„Ich glaube, dass die Investoren nach der Immobilienkrise nicht mehr bereit sind, für höhere Renditen ein bis zwei Jahre länger auf ihren Cashflow zu warten. Sie wollen ihr Geld einsetzen und gleich Cash zurückkriegen. Schließlich gibt es hier Druck. In vielen Märkten kann man nicht einmal mehr den Garantiezins verdienen. Wenn die Investoren so gezwungen werden, in Immobilien zu gehen – um Renten oder Versicherungen zu bedienen –, brauchen sie nichtsdestotrotz einen Cashflow, der sofort zurückkommt“, glaubt Josip Kardun, CEO der auf Handelsimmobilien spezialisierten Atrium European Real Estate. Das lässt sich auch gut in Zahlen ausdrücken, sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene. Mit rund 320 Millionen Euro ist der Investmentbetrag am österreichischen Immobilienmarkt im ersten Quartal 2015 zwar geringer als im Vorjahr (700 Millionen Euro). Mit rund 35 Prozent des Transaktionsvolumens wurde der Einzelhandelssektor zur stärksten Assetklasse, weiß CBRE Österreich. Die Spitzenrendite für Einkaufszentren sank im ersten Quartal 2015 leicht auf 4,95 Prozent. Für Geschäftshäuser in Wiener Einkaufsstraßen, exklusive Kohlmarkt, Graben und Kärntner Straße, lagen die Spitzenrenditen unverändert bei 3,9 Prozent. Für Fachmarktzentren blieb sie ebenfalls stabil bei rund sechs Prozent. Das Problem an der Kauflust der nationalen und internationalen Investoren: In Europa gehen die Kaufobjekte aus. Vor allem Core-Objekte sind derzeit kaum am Markt verfügbar, die Preise für überregionale astronomisch. Wer dennoch zuschlagen will, muss Abstriche machen. Dass das aber nicht immer funktioniert, sieht man beispielhaft an The Mall bei der Wiener Landstraße. Das durchaus anspruchsvolle Objekt steht seit geraumer Zeit zum Verkauf. Offensichtlich ist für potenzielle Käufer der Mixed-use-Charakter des Gebäudes, also die Kombination von Büro und Retail, nicht attraktiv genug. Dennoch: Die hohe Kauflust der Investoren vermerkt die Shoppingcenterindustrie mit Freude.
Aktuelle Projekte
Besonders aktiv ist derzeit etwa die SES Spar European Shopping Centers (SES), nach eigenen Angaben in Österreich und Slowenien Marktführer im Bereich Shoppingcenter. Darüber hinaus ist das Unternehmen in Ungarn, Tschechien und Norditalien tätig. Die Chefetage von SES hat sich zuletzt der Bundeshauptstadt und Umgebung verschrieben. Für die Münchner Unternehmensgruppe Jost Hurler errichtet die SES das neue Huma-Shoppingcenter in Simmering. Auf 50.000 Quadratmetern verpachtbarer Fläche entsteht das jüngste Shoppingcenter Wiens mit mehr als 90 Shops, Gastronomie- und Dienstleistungsbetrieben, 2.000 Gratis-Parkplätzen und 800 Arbeitsplätzen. Das neue Huma-Center wird 2016 eröffnet und bis 2017 noch um einen zusätzlichen Bauteil erweitert. Pionierarbeit will die SES zudem mit dem Management von Einkaufsstraßen leisten. Die Verträge für den Betrieb einer Einkaufsstraße in der neuen Seestadt Aspern hat das Unternehmen schon in der Tasche (siehe Interview mit SES-Chef Marcus Wild auf Seite 40). Aber auch weiter westlich wird gebaut. Ende August eröffnet die SES die Weberzeile, ein innerstädtisches Shoppingcenter in Ried im Innkreis. Auf einer Fläche von 22.000 Quadratmetern entsteht ein Center in zentraler Lage mit rund 50 Shops.
In der gemeinsamen Projektgesellschaft Prises entwickeln SES und die Prisma Unternehmensgruppe die Seestadt Bregenz – ein multifunktionales Quartier inmitten der Innenstadt der Vorarlberger Landeshauptstadt. Das Gesamtprojekt umfasst zirka 21.000 Quadratmeter, davon entfallen etwa 14.000 Quadratmeter auf Handel, Gastronomie und Dienstleistung. Die SES übernimmt die Erstellung des Branchen- und Shopmixes und wird die Vermarktung der Geschäftsflächen und das laufende Management verantworten. Mit der Neuentwicklung innerstädtischer Handelsflächen liegt die SES voll im Trend der Shoppingcenterindustrie. Waren in der Vergangenheit die großen Neuentwicklungen am Rande der Stadt lange das Nonplusultra einer ganzen Generation, so haben sich die Entwicklungsdestinationen nun gewandelt. Sprich: Der Handel kehrt zurück in die Stadt.
Zurück in die Stadt
Die Stadtväter und ihre Planer sind angetreten, die „Fehler“ der Vergangenheit zu korrigieren. Sie haben eingesehen: Nicht der Handel braucht die Stadt, sondern die Stadt braucht den Handel. Die heutige Bedeutung des Handels für die Stadt ist kaum zu ermessen. Zahlreiche europäische Metropolen und der milliardenschwere Wirtschaftsfaktor „Städtetourismus“ leben vom Handel in der Stadt. Unzählige historische Marktplätze wie in den Hansevierteln von Bremen, Lübeck und Hamburg oder in den Zentren von Prag und Wien definieren sich über eine gewachsene Bausubstanz, die der Handel über Hunderte von Jahren hinterlassen hat. Es reist gewiss niemand in eine Stadt, um die Fehlentwicklungen der Stadtplaner zu besuchen.
Immer strengere Raumordnungspläne verhindern nun das Entstehen größerer Shoppingdestinationen oder Einkaufszentren an den Rändern der Städte. In Österreich gilt es unter Branchenexperten fast schon als sicher, dass mit der Eröffnung des G3 Shopping Resort Gerasdorf im Norden Wiens Ende 2012 der letzte große Dinosaurier auf der grünen Wiese seine Pforten öffnete. Die Zeiten der großen Neuentwicklungen an der Peripherie scheinen vorerst einmal passé zu sein. Aber nicht nur striktere Raumordnungspläne allein bescheren den überdimensionierten Greenfield-Projekten ein Ende.
Neues urbanes Lebensgefühl
Im neuen Lebensgefühl der sogenannten Digitalmoderne sehnt sich der Mensch nach Urbanität, man ist durchdrungen von einem Verlangen nach Stadt, Dichte, Intensität und Erleben. Dabei steht der fortschreitenden Individualisierung und Privatheit ein ausgeprägtes Wir-Gefühl gegenüber, das Offenheit, Gemeinschaftsplätze und -räume, Wandel, Dynamik sowie eine kollektive Identität verlangt, die sich bestens in Regionalität, unmittelbarerer Umgebung und Nähe an sich finden lässt. Es ist wohl kein Zufall, dass immer mehr erfolgreiche Handelsformate und -konzepte eben genau auf dieses Rezept von Regionalität und Authentizität setzen. Die Rückkehr des Handels in die Städte und damit in die Nachbarschaft zum Konsumenten ist unaufhaltsam.
Ein durchaus gelungenes Beispiel zeitgemäßer Quartiersentwicklung befindet sich mitten in der Wiener Innenstadt. Der österreichische Immobilieninvestor René Benko realisiert auf der teuersten Einkaufsmeile der ehemaligen Kaiserstadt sein „Goldenes Quartier“. Das Besondere daran: Durch den Kauf, die Revitalisierung und den Umbau einer denkmalgeschützten Immobilien – diese wurde bis zuletzt als Zentrale einer österreichischen Bank genutzt – sowie anschließender Vermietung an internationale Topmarken hat Benko eine vielbeachtete Einkaufsluxusmeile geschaffen und gezeigt, dass gelungene Quartiersentwicklung auch in traditionell gewachsenen und gutbespielten Gebieten durchaus sinnvoll sein kann.
Fachmarktzentren im Visier
Wenn Investoren ihre Einkaufsliste für den Handelsimmobilienbereich zusammenstellen, fällt ihre Wahl aber auch immer häufiger auf Fachmarktzentren. In Deutschland (erstes Quartal 2014) hat das Investitionsvolumen in Fachmarktzentren sogar jenes in Shoppingcenter getoppt. Die Investorengunst hat ist da wohl wechselhaft verteilt. Ein Hauptgrund ist gewiss in den unterschiedlichen Renditen zu suchen. Denn ausschüttungsorientierte Anleger kalkulieren in der Regel mit sechs Prozent Rendite. Je mehr in den vergangenen Jahren jene von als Core-Objekte geltenden Einkaufszentren unter diese Marke rutschte, desto uninteressanter wurde diese für die Investoren. Fachmarktzentren sind für Anleger darüber hinaus attraktiv, weil dieser Immobilientypus auf dem Markt verfügbar ist. Einen weiteren Vorteil bildet die Tatsache, dass die Investitionssumme je Objekt deutlich kleiner als zum Beispiel jene einer innerstädtischen Mall ist. Das erlaubt eine größere Risikostreuung, da sich die verfügbare Geldmittel auf mehrere Standorte verteilen lassen.
Revitalisierungsbedarf als Trumpf
Die Experten der MEC Metro-ECE, Deutschlands Markführer bei Fachmarktzentren, geben zu bedenken, dass der Löwenanteil der großflächigen Fachmarktzentren in den 1980er-Jahren erbaut wurde, weswegen der Sanierungs- und Revitalisierungsbedarf heute enorm ist. Wertsteigerungspotenzial inklusive. Das Interesse (internationaler) Anleger an diesen „opportunistischen“ Investments beeinflusst den Markt positiv. Diese eigenkapitalgetriebenen Investoren suchen kaum nach neu zu entwickelnden Fachmarktzentren – auch weil diese aufgrund der rigiden Widmungspläne immer mehr zu Raritäten mutieren. Trumpf sind revitalisierungsbedürftige Fachmarktzentren mit kurzen Mietvertragslaufzeiten. Dass in Österreich fast an jedem heimischen Kreisverkehr ein Objekt zu finden ist, ist übrigens keine Sinnestäuschung. Unabhängig von der Development-Generation erhob RegioData Research, dass der Fachmarktzentrenanteil, gemessen an der gesamten Retailfläche eines Landes, derzeit in Belgien und Österreich mit jeweils 30 Prozent am höchsten ist. Es folgen Großbritannien mit 25 Prozent, Schweden mit 24 Prozent und Deutschland mit 21 Prozent. Kurzum: Es gibt ihn also doch noch zu erwerben, den Handel fürs Portfolio.