Es gibt (nicht) immer was zu tun!
In einer aktuellen Entscheidung setzt sich der Oberste Gerichtshof (OGH) unter anderem damit auseinander, in welchem Zeitraum den Vermieter die Räum- und Streupflicht für Wege innerhalb einer Wohnausanlage trifft. Dabei macht der OGH Aussagen, die auch für andere Liegenschaften relevant sind. Eine Analyse.


Text: FH-Doz. Mag. Christoph Kothbauer
Öffentliche Gehsteige und Gehwege
Die Räum- und Streupflichten für Gehsteige sind im Gesetz klar geregelt. Nach § 93 StVO hat der Liegenschaftseigentümer im Ortsgebiet dafür zu sorgen, dass die entlang der Liegenschaft vorhandenen Gehsteige in der Zeit von 6 bis 22 Uhr von Schnee geräumt sowie bei Glatteis bestreut sind. Die Gemeinde kann die Räum- und Streupflichten mittels Verordnung oder auf Antrag des Liegenschaftseigentümers mit Bescheid sowohl hinsichtlich des Zeitraums als auch hinsichtlich des Umfangs einschränken.
Wege innerhalb einer Wohnhausanlage
Anders als auf öffentlichen Gehsteigen, fallen jene innerhalb der Wohnanlage befindlichen Wege nicht in den Anwendungsbereich des § 93 StVO. Hier ist der Umfang der Räum- und Streupflicht weniger klar geregelt. Es bestehen zwei unterschiedliche Haftungsgründe: ein „strengeres“ Haftungsregime, das den Liegenschaftseigentümer gegenüber seinen Mietern trifft, und ein „weniger strenges“ Haftungsregime gegenüber anderen Personen, die die Wege zulässigerweise benutzen.
Haftung gegenüber den Mietern
Gegenüber den Mietern ergibt sich die Haftung als Nebenpflicht aus dem Mietvertrag. In den „Schutzbereich“ des Mietvertrags fallen auch zur Hausgemeinschaft des Mieters gehörende Personen. Kunden, Gäste oder Lieferanten des Mieters sind hingegen nicht vom Schutz umfasst.
Diese Räum- und Streupflicht des Vermieters wird durch die Verkehrsbedürfnisse und die Zumutbarkeit der zu setzenden Maßnahmen begrenzt. Allerdings gibt es keine allgemein gültigen Regeln, in welchem Zeitraum nun tatsächlich zu räumen ist.
Fest steht, dass eine Schneeräumung bzw. Maßnahmen gegen Glatteis „rund um die Uhr“ regelmäßig unzumutbar sind. Ebenso besteht keine Pflicht zur ununterbrochenen Schneeräumung bei andauerndem Schneefall oder sich ständig erneuerndem Glatteis. Der Eigentümer bzw. Vermieter hat nur jene Vorkehrungen zu treffen, die vernünftigerweise von ihm erwartet werden können. Die vertraglichen Verkehrssicherungspflichten dürfen nicht überspannt werden.
In der eingangs zitierten Entscheidung sprach der OGH aus, dass bei der betroffenen Liegenschaft nach 24 Uhr jedenfalls keine Räum- und Streupflicht mehr besteht. Das begründete der OGH auch mit dem Vorliegen einer allgemeinen Nachtruhe, da zumindest ab 24 Uhr die Beleuchtung ausgeschaltet war. Das alleine kann unseres Erachtens kaum ausschlaggebend sein: Andernfalls hätte es der Liegenschaftseigentümer ja in der Hand, seine Räum- und Streupflicht zu minimieren, in dem er zum Beispiel bereits um 19 Uhr die Beleuchtung ausschaltet.
Zur Beurteilung der Räum- und Streupflichten muss auf die konkrete Liegenschaft abgestellt werden: Bei einem Pensionistenwohnheim wird möglicherweise auch schon vor 22 Uhr kein „Verkehrsbedürfnis“ und somit keine Pflicht zur Schneeräumung mehr bestehen. Hingegen ist bei einem Studentenheim oder bei Mietern mit Kundenverkehr auch in den Nachtstunden (wie (zum Beispiel einer Apotheke) davon auszugehen, dass auch nach 24 Uhr noch Personen auf den Wegen unterwegs sind. Dabei ist auch auf allfällige, in den jeweiligen Mietverträgen bzw. in einer Hausordnung getroffene Regelungen Rücksicht zu nehmen. Abgesehen von solchen Sonderfällen gibt die Regelung der StVO wohl einen recht guten Anhaltspunkt dafür, in welchem Zeitraum mit der Benützung eines Wegs zu rechnen ist: In der Regel kommen die Benutzer der Wege innerhalb der Anlage ja entweder vom öffentlichen Gehsteig oder gehen dorthin. Das „Verkehrsbedürfnis“ innerhalb der Anlage ist unseres Erachtens, von Einzelfällen abgesehen, geringer als jenes der dem öffentlichen Verkehr dienenden Gehsteige.
Haftung gegenüber anderen Personen
Die Haftung gegenüber Personen, die nicht in das „strengere“ Schutzregime fallen, gründet sich in erster Linie auf § 1319a ABGB, die Wegehalterhaftung. Nach dieser Bestimmung haftet der Liegenschaftseigentümer (die Eigentümergemeinschaft), aber auch die Hausverwaltung für Schäden, die aufgrund eines mangelhaften Zustands eines Weges entstehen. Anders als im „strengeren Schutzregime“ besteht die Haftung aber nur dann, wenn dieser Zustand vorsätzlich oder grob fahrlässig verschuldet worden ist.
Diese Haftung kommt nur zur Anwendung, wenn der Unfall auf einem „Weg“ passiert. Ein innerhalb einer Wohnanlage befindlicher, von einer Vielzahl von Personen benützter Verbindungsweg fällt in diesen Anwendungsbereich, unabhängig davon, ob der Eigentümer den Weg als solchen gewidmet hat. Hingegen ist eine auf Privatgrund liegende Fläche per se kein Weg. Ebenso fallen Wege auf einem abgezäunten, nicht jedermann zugänglichen Grundstück nicht darunter.
Der Umfang der Räum- und Streupflicht ist wie bereits oben dargestellt auch hier jeweils im Einzelfall zu beurteilen. Die Haftung besteht jedoch nicht, wenn der Weg unzulässigerweise benutzt worden ist und das für den Nutzer auch erkennbar war. Die Haftung kann dadurch vermieden werden, dass der Liegenschaftseigentümer (bzw. die Hausverwaltung) den Weg im Winter erkennbar sperrt.
Beauftragung von externen Winterdiensten
Die Räum- und Streupflicht wird häufig auf einen Winterdienst übertragen. Zur Beurteilung der Frage, ob sich der Liegenschaftseigentümer dadurch der Haftung entzieht, ist wiederum zwischen den einzelnen Bereichen zu unterscheiden: Für den Bereich der öffentlichen Gehsteige stellt § 93 Abs 5 StVO klar, dass bei der Übertragung des Winterdienstes an einen selbstständigen Dritten mittels Vertrag das beauftragte Unternehmen an die Stelle des Liegenschaftseigentümers tritt. In diesen Fällen ist daher nur der beauftragte Winterdienst verantwortlich.
Innerhalb der Wohnhausanlage ist wieder zu unterscheiden: Im „strengeren Regime“ hat der Liegenschaftseigentümer auch für das Verschulden der mit dem Winterdienst betrauten Personen einzustehen. Kann der beauftragte Winterdienst nicht rechtzeitig kommen, etwa aufgrund eines Organisationsverschuldens, so ist dieses Verschulden dem Liegenschaftseigentümer zuzurechnen. Klarerweise kann sich der Liegenschaftseigentümer dann beim Winterdienst regressieren.
Anders ist die Haftung im „weniger strengen“ Haftungsregime geregelt. Dort ist zu unterscheiden, ob der Winterdienst an ein selbstständiges Unternehmen oder an eine weisungsgebundene Person (zum Beispiel Hausbesorger) übertragen wird. Im ersten Fall haftet der Liegenschaftseigentümer nur für ein allfälliges Auswahlverschulden, etwa wenn er ein ungeeignetes Unternehmen beauftragt. Im zweiten Fall ist das Verschulden des Gehilfen dem Liegenschaftseigentümer wieder zuzurechnen, wobei auch hier die Haftung auf grobes Verschulden oder Vorsatz beschränkt ist.
Um eine Haftung abzuwenden, sollte jedenfalls ein Nachweis über die Gewerbeberechtigung eingeholt werden. Weiters sollte geprüft werden, ob das beauftragte Unternehmen über eine aufrechte Haftpflichtversicherung in ausreichender Höhe verfügt: Reicht die Höhe der Versicherung beispielsweise für den Verdienstentgang eines Architekten aus, der nach einem Sturz auf dem Gelände mehrere Wochen mit Liegegips ans Bett gefesselt ist?