Die Rückkehr der Kreditklemme

09.03.2012

 
Wie sich die aktuelle Finanzkrise auf die Immobilien­finanzierung auswirkt, und warum Basel III die Branche mehr bremst als beflügelt.

Banken sind nur noch regionale Geldinstitute – mit entsprechend limitierten Volumina. Darüber hinaus üben sich die Banken bei der Immobilienfinanzierung vor allem in neuem, vorauseilendem Gehorsam im Hinblick auf Basel III. 

„Es gab und gibt keine Kreditklemme“, nicht für seine Kundengruppe, sagt Gaston Giefing, als Stadtdirektor von Raiffeisen Wien für die Kundenbetreuung der Sparte Handel & Gewerbe verantwortlich – für 7.500 kleine bis mittlere Unternehmen mit bis zu zehn Millionen Euro Jahresumsatzleistung sowie 15.000 Ein-Personen-Unternehmen. „Für diese Zielgruppe haben wir vergangenes Jahr mehr als 300 Millionen Euro Kreditmittel zur Verfügung gestellt“, so Giefing, „so viel, wie wir überhaupt noch nie für investive Wiener Wirtschaftstreibende vergeben haben.“ Mehr als die Hälfte davon für Hausverwaltungen, Immobilienentwickler und Wohnungseigentümergemeinschaften. 60 Beraterinnen und Berater an sechs Standorten stünden diesen Kunden vor Ort zur Verfügung. Damit wolle man die Wettbewerbsfähigkeit von Wiener Unternehmen und Immobilienentwicklern erhalten und weiteres Wirtschaftswachstum ermöglichen. „Unser Ziel ist es, bis 2015 die führende Bank für Wiener Wirtschafts­treibende zu sein“, erklärt Giefing, denn „daran erkennt man schon, dass wir eine qualitative Wachstumsstrategie verfolgen.“ 

Er möchte die Leser der OIZ aber auch persönlich überzeugen: „Jeden, der ein Investitionsvorhaben hat, sei es im Gewerbe-, Handels- oder Immobilienbereich, lade ich ein zu einem persönlichen Beratungsgespräch – man soll uns testen.“

Darüber hinaus weist Giefing auf die vor sechs Jahren von Raiffeisen gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Wien ins Leben gerufene „Raiffeisen Grätzelmillion“ hin – die, wie er sagt, günstigste nichtöffentlich geförderte Euroinvestitionsfinanzierung der Stadt, mit der mehr als 900 Betriebe mit mittlerweile 100 Millionen Euro ihre Investitionsvorhaben gefördert bekommen hätten. „Und speziell für Wohnungseigentümergemeinschaften, die in die thermische Sanierung investieren wollen, haben wir vergangenes Jahr die Thermomillion geschaffen zu einem fixen Margenaufschlag auf Euribor-Basis von einem Prozent“, so Giefing. 

Hier habe man nicht zuletzt mit dem Aussetzen der Thewosan-Förderung der Stadt Wien einen echten Förderbedarf und -auftrag gesehen. Innerhalb von sieben Werktagen bekämen diese Kunden bereits eine Grundsatzfinanzierungsentscheidung: „Schneller geht es nicht.“

„Banken sehr zögerlich“
Für Kallco-Geschäftsführer Winfried Kallinger hingegen ist nichts schneller und besser geworden. Nach der Wirtschaftskrise 2008 habe sich die Finanzierungssituation zwar partiell und temporär entspannt, jetzt aber seien die Banken bei der Projektfinanzierung im Immobilienbereich „wieder sehr zögerlich“. Ein genereller Trend lässt sich aus Kallingers Sicht dabei schwer ausmachen. 

Er beschreibt die Situation als eher unübersichtlich und sehr von der jeweiligen Bank abhängig, sprich: „Bei den großen Bankinstituten gibt es nach wie vor eine sehr, sehr zögerliche Finanzierungsbereitschaft. Besser ist die Situation bei Banken, die näher am Kunden sind, insbesondere regionale Banken.“ Das sei auch in der Krise schon so gewesen, „nur sind diese Banken in der Regel mit ihren Volumina limitiert, sodass größere Projekte damit nicht ohne weiteres realisierbar sind“.

Wobei Bauträger Kallinger, der überwiegend im Wiener Wohnungsbau tätig ist, mit „unübersichtlich“ auch eine gewisse Unberechenbarkeit meint. Und zwar insofern, als man sich auf die eigene Überzeugung, die Parameter für eine Finanzierungszusage zu erfüllen, nicht mehr unbedingt verlassen könne. Man müsse vielmehr von vornherein versuchen auszuloten, nach welchen Parametern eine Finanzierungsbereitschaft gegeben sein könnte. „Und das“, so Kallinger, „ist natürlich insofern ein Problem, als schnelle und flexible Entscheidungen notwendig sind, um ein Projekt zu akquirieren.“ Man bekomme sehr schwer von vornherein eine Aussage von der Bank, meistens dauere das länger, als man eigentlich Zeit habe, um eine Ankaufsentscheidung zu treffen.

Finanzierungsproblematik auch auf Käuferseite
Auch die Situation der Käuferfinanzierung hat sich laut Kallinger nicht wirklich entspannt. Es sei nach wie vor „zäh“ und dauere sehr lange bis zu einer Entscheidung. Bei den meisten Banken gebe es auch noch immer diese magische Grenze für die Finanzierungsbereitschaft, die für Normalverdiener irgendwo bei 300.000 Euro liege. „Will ein Wohnungskäufer eine Bankfinanzierung haben, wird alles, was über diese Grenze hinausgeht, von den Banken sehr scheel angesehen.“ Bei größeren Wohnungen werde das vom Eigenmitteleinsatz her dann sehr problematisch, zumal die Quadratmeterpreise mittlerweile im Schnitt schon bei 3.000 Euro lägen. „Das heißt, bei 120 bis 130 Quadratmetern liegt der Kaufpreis bei 400.000 Euro, und die 100.000 Euro, die über den 300.000 liegen, sind dann praktisch nicht finanzierbar“, zeigt Kallinger die Problematik auf Käuferseite auf.

Für den Selbstnutzer sei also der Wunsch, eine größere Eigentumswohnung zu erwerben, auch von der Finanzierungsseite her sehr schwierig geworden. Und die Projektentwickler müssten sich darauf entsprechend einstellen, indem sie die Wohnungsgrößen für mittelständisches Publikum kleiner halten. Was aber wiederum nicht den eigentlichen Wunsch der Selbstnutzer von Eigentumswohnungen befriedige. „Vorsorgewohnungen sind ein anderes Thema“, so Kallinger, „und im Luxusbereich gelten sowieso andere Regeln.“

Hohe Gesamtbelastung für den Kreditnehmer
Noch düsterer schaut es bei der Finanzierung von gewerblichen Objekten aus. Andreas Ridder, Österreich-Geschäftsführer des internationalen Immobiliendienstleisters CB ­Richard Ellis (CBRE): „In den letzten Monaten ist es wieder viel schwieriger geworden, die Banken sind äußerst zurück­haltend. Entweder sie finanzieren gar nichts oder wenn doch, dann beschränken sie sich eher auf gute, alte Kunden beziehungsweise auf alte Geschäftsverbindungen, die sie nicht stören oder abbrechen wollen.“ Und alle, Banken wie auch Investoren, würden sich nur noch auf die besten Produkte mit geringstem Risiko konzentrieren. Ohne Vorvermietung sei es für einen Developer von Bürobauten, Einkaufs- oder Fachmarktzentren fast unmöglich, ein Projekt ohne extrem viel Eigenkapital finanziert zu bekommen. Auch Hotels ohne einen langfristigen Pachtvertrag mit einer potenten internationalen Kette seien kaum zu finanzieren. „Die Gesamtbelastung für den Kreditnehmer ist trotz der niedrigen Zinsen enorm hoch“, so Ridder, „weil der Risikoaufschlag der Banken so hoch geworden ist.“

Problem Basel III
Wie begründen die Banken dieses restriktive Finanzierungsverhalten? Ridder: „Das Problem ist natürlich Basel III, das Mitte des Jahres kommt und womit die Eigenkapitalvorschriften für die Banken noch strenger werden.“ Im Hinblick darauf könnten die Banken entweder frisches Kapital aufnehmen oder ihr Bilanzvolumen verkleinern, und das Bilanzvolumen verkleinern heiße, das Kreditvolumen reduzieren. Im Moment würden sie eben beides versuchen – frisches Eigenkapital zu bekommen und das Kreditvolumen zu verkürzen. „Und das sagen sie auch ganz offen“, so Ridder. 

Die CBRE etwa habe in den vergangenen Monaten einige Transaktionen getätigt beziehungsweise Verkäufe und Käufe vermittelt, die dann geplatzt seien, weil die Käufer nicht mehr die – zum Teil bereits schriftlich zugesagte – Finanzierung bekommen hätten. Die Banken hätten dann einfach gesagt, es tue ihnen leid, aber sie könnten einfach nicht mehr. Wobei auch Ridder Unterschiede zwischen den „mühsameren“ Großbanken und den „eher besseren“ Regionalbanken – „die allerdings keine 150 Millionen, sondern nur bis zu 20 Millionen finanzieren könnten“ – einräumt.

Für Winfried Kallinger üben sich die Banken hinsichtlich Basel III „wieder einmal in vorauseilendem Gehorsam“. Dabei werde sich wie schon mit Basel II auch mit Basel III die Sicherheit von Projektfinanzierungen nicht verbessern, im Gegenteil: Es gehe alles mechanischer, starr, nach irgendwelchen standardisierten formalen Prüfkriterien, die innere Qualität eines Projekts und die Performance eines Unternehmens werde weitgehend in den Hintergrund gedrängt. In seinen Augen „eine sehr dumme Entwicklung“.

Reichlich Geld auf Investorenseite
Aus dieser tendenziell unbefriedigenden, unsicheren und von einem verunsicherten, unklaren und restriktionsgeprägten Finanzmarkt beeinflussten Finanzierungssituation hat Kallinger denn auch die Konsequenzen gezogen: „Wir haben das Volumen der eigenen Projekte zurückgefahren und dafür den Dienstleistungsbereich – die Abwicklung von Projekten für große Investoren, die in wertvolle Immobilien investieren und ein langfristiges Investment suchen – ausgebaut.“ Aufseiten der Immobilieninvestoren habe der Zufluss von Kapital nämlich zugenommen. 

Für Kallinger eine paradoxe Entwicklung: „Auf Investorenseite gibt es genug Geld, während man von den Banken keine oder nur sehr unsicher Kredite bekommt.“ Zwar würden auch Investoren zum Teil über Fremdkapital finanzieren, diese hätten aber „kein Problem, eine hohe Eigenmittelquote darzustellen, sondern eher das Problem, Projekte zu finden, die den Anforderungen qualitativ und von der Rendite her entsprechen“. Eine Entwicklung, die schließlich auch Andreas Ridder bestätigt: „Von den Investoren fließt genügend Geld.“ Interessant sei, dass viele der Investoren – unter anderem auch Versicherungen wie die Allianz – jetzt auch begännen, ins Immobilienfinanzierungsgeschäft einzusteigen, „weil man da sehr viel Geld verdienen kann, die Margen sind sehr gut“, so Ridder.

Text: Hansjörg Preims