Die Hektik ist aus dem Markt

Zinshäuser
05.05.2023

Von: Redaktion OIZ
Die bisher boomende Assetklasse der Zinshäuser erlebt eine Bereinigungsphase. Die verbliebenen Investoren können aus einem größeren Angebot wählen und von gesunkenen Preisen profitieren.

Fassade eines schönen Zinshauses
Aktuell gibt es rund 13.600 Zinshäuser in Wien. Der Bestand sinkt. Wobei dies nicht auf Abrisse, sondern auf die Begründung von Wohnungseigentum zurückzuführen ist.

Ohne Zweifel sind Zinshäuser von historischer Bedeutung für die Stadt Wien und als solche wertvolle und erhaltenswerte Gebäude. Kein Wunder, dass sie bislang ein äußerst begehrtes Anlageobjekt waren. Ihre Attraktivität liegt nicht zuletzt darin begründet, dass sie „ein nicht vervielfältigbares Kulturgut“ sind, sagt Philipp Maisel, Teamleiter Zinshaus bei Otto Immobilien. Es seien daher nicht immer ausschließlich wirtschaftliche Kriterien ausschlaggebend für einen Kauf: „Oftmals wird ein Zinshaus wie eine Antiquität gesehen. Sie gefällt und man geht davon aus, dass sie nachhaltig wertstabil ist und ein Wertsteigerungspotential hat.“ Laut Patrick Rezazadeh, Geschäftsführender Gesellschafter der VRG Immobilien, gebe es gerade in Wien „ein enormes Entwicklungspotential in wertbeständigen Zinshäusern, die vor allem langfristig bestehen werden“.

Dennoch befindet sich die Assetklasse aktuell in einem Wandlungsprozess. Aus Entwickler-Sicht sind es erhöhte Baukosten, Inflation und veränderte Kreditvergaberichtlinien, die bislang zu einem Rückgang von Projekten gesorgt haben. Rezazadeh: "Wir beobachten momentan eine gewisse Marktbereinigung." Jene Immobilienanbieter, die auf schnelle Gewinne und Wertzuwächse gesetzt haben, können momentan mit ihren Projekten nicht mehr überzeugen.“ Was Bauträger-Projekte betreffe, so sei eine Zurückhaltung am Markt spürbar. Vor allem kleine Bauträger hätten in dieser Marktphase Schwierigkeiten, ihre Projekte zu verwirklichen: „Die Etablierten haben in der Regel jedoch ein starkes Fundament und treiben ihre Projekte auch jetzt noch aktiv voran. Es werden insgesamt weniger Projekte finanziert, doch sobald sich die Zinsen normalisieren, erwarten wir hier wieder mehr Bewegung." Da der Bestand von Zinshäusern limitiert ist, hält sich die Nachfrage in diesem Bereich stabil.

Lachender Mann im Anzug
Herwig M. Peham, Leitung Investment EHL Investment Consulting: „Die erfolgte Indexierung ist bei Richtwertmieten ein wichtiges Signal und schafft wieder mehr Sicherheit.“

Dachbodenausbauten weniger attraktiv

„Für Entwickler sind Zinshäuser nach wie vor deshalb interessant, weil sie sich – im Vergleich zu anderen Wohnbauten in guten Lagen – bei 2.000 bis 3.000 Euro pro Quadratmeter Kaufpreis Investition noch rechnen“, betont Herwig M. Peham, Leitung Investment EHL Investment Consulting.

Die Zins- und Baukostenerhöhungen führten jedoch dazu, dass laut Maisel die Attraktivität von Dachbodenausbauten tendenziell abnahm, wenngleich hier die Lagequalität ausschlaggebend sei: „Typische Dachböden mit einer Fläche von 200 bis 400 Quadratmeter außerhalb des Gürtels bleiben vorerst eher leer. Dachböden ab 500 Quadratmetern innerhalb des Gürtels, wo sich die Fixkosten auf eine größere Fläche umlegen lassen und wo mit attraktiven Verkaufspreisen zu rechnen ist, werden weiterhin ausgebaut." „Generell wird derzeit sicher noch genauer geprüft und überlegt“, ergänzt Peham. Und weiter: „Für private Investoren ist das Ausbaupotential ohnehin nicht das entscheidende Kaufkriterium. Entwickler, die das Ausbaupotential im Blick haben, achten nun noch mehr auf die Größe der Fläche. Kleine Potentiale werden nicht mehr gehoben, dafür sind die Baukosten zu hoch. Aufgrund der höheren Baukosten werden Dachböden derzeit nur dann ausgebaut, wenn 300 bis 500 Quadratmeter erzielbare zusätzlich Fläche möglich sind. Bei Flächen darunter muss schon die Mikrolage sehr interessant sein oder es stehen private Interessen dahinter.“

Weniger Ankäufe

Der aktuellen Zinshaus-Marktbericht von Otto Immobilien zeigt jedenfalls, dass es nach einem starken ersten Halbjahr 2022 ein Abflauen der Marktdynamik im zweiten Halbjahr gab – wenngleich in geringerem Ausmaß als bei anderen Assetklassen. So fanden vergangenes Jahr in Wien 483 Transaktionen statt; um 28 Prozent weniger als im Vergleichszeitraum 2021. Wobei es deutliche Unterschiede von Bezirk zu Bezirk gibt: Im 1. und 9. Bezirk wurden sogar enorme Zuwächse bei der Zahl der Zinshausverkäufe verzeichnet. Das Transaktionsvolumen, Asset Deals und Share Deals zusammengenommen, betrug knapp über zwei Milliarden Euro aus.

Im Jahr davor wurde gemäß Marktbericht mit 2,4 Milliarden Euro noch ein bisheriges Rekordergebnis erzielt. Die veränderten Kreditvergaberichtlinien schlugen schließlich hohe Wellen und fegten so manche Investoren vom Markt. Maisel spricht von einer Stabilisierungs- und Bereinigungsphase: „Aufgrund der höheren Finanzierungskosten werden weniger Zinshäuser gekauft. Dafür wird gezielter ausgewählt. Vor dem ersten Halbjahr 2022 und die Jahre davor wurden auch Objekte angekauft, die vielleicht nur zu 75 Prozent zum Suchfokus passten. Jetzt muss die Liegenschaft annähernd zu 100 Prozent passen.“ Laut EHL-Zinshaus-Experte Herwig M. Peham trat auch die Lage wieder stärker in den Vordergrund. Die große Veränderung gegenüber den letzten Jahren sei allerdings, dass Kunden nur mit sehr viel oder ausschließlich Eigenkapital einkaufen beziehungsweise einkaufen können: „Es gibt kaum mehr Investoren, die schnell kaufen und wiederverkaufen. Wenn jetzt jemand kauft, dann mit einem längerfristigen Horizont – so wie es beim Zinshaus eigentlich sein sollte. Da ist es nicht so entscheidend, ob eine Konsolidierung eintritt oder nicht.“ Für Kunden mit Eigenkapital sei Peham zufolge das Zinshaus nach wie vor interessant: „Die erfolgte Indexierung ist bei Richtwertmieten ein wichtiges Signal und schafft wieder mehr Sicherheit.“

Mann mit Brille, im Anzug
Philipp Maisel, Teamleiter Zinshaus bei Otto Immobilien: „Aufgrund der höheren Finanzierungskosten werden weniger Zinshäuser gekauft. Dafür wird gezielter ausgewählt.“

Vom Verkäufer- zum Käufermarkt

Genau jene Kunden profitieren nun auch von einem größeren Marktangebot, „da Eigentümer aufgrund der gestiegenen Zinskosten häufiger Objekte verkaufen“, so Zinshausexperte Maisel: „Das Angebot ist gestiegen, während die Nachfrage einerseits durch die erhöhte Unsicherheit am Markt und anderseits durch die stark gestiegenen Finanzierungskosten gebremst wurde.“ Es sind allerdings nicht immer Finanzierungsprobleme, die zu einer Veräußerung führen. „Die Gründe sind auch oft vom Markt entkoppelt. Es werden damit beispielsweise stille Reserve gehoben, oder das Portfolio wird neu strukturiert. Das macht diese Assetklasse interessant, denn es kommen immer wieder spannende Produkte auf den Markt“, so Peham.

Diese neue Situation spiegelt sich freilich auch in einer Preisveränderung wider. Die Preise sanken seit Herbst 2022, in einigen Bezirken sogar deutlich. „Über ganz Wien ist im Durchschnitt ein Minus von 10 Prozent zu beobachten“, sagt Maisel und fügt hinzu: „Aktuell haben wir einen Käufermarkt. Käufer können derzeit aus einem größeren Angebot wählen als noch im ersten Halbjahr 2022. Stehen mehrere Häuser mit ähnlichen Parametern zur Auswahl, hat das zwangsläufig einen Einfluss auf die Kaufpreise.“

Laut Alexander Scheuch, Managing Director Rustler Gruppe, nähern sich die Preise wieder mehr den tatsächlichen Werten der Gebäude an: „In Wien hatten wir oft die Situation, dass 20 bis 30 Prozent mehr über den im Verkehrswertgutachten errechneten Preisen bezahlt wurde.“ Die Hochzeiten, in denen – wie Scheuch schildert – innerhalb weniger Stunden nach Exposé-Versand erste Kaufangebote abgegeben wurden, sind vorbei. Der Run unter den Bietenden habe ebenso aufgehört wie die „extreme Entkoppelung von Verkehrswert und tatsächlichem Verkaufspreis“. Dennoch ist EHL-Zinshausexperte Peham, der die Preisveränderungen mit zwischen 5 bis 15 Prozent beziffert, der Meinung: „Ein gutes Objekt erzeugt nach wie vor Nachfrage, auch sehr zeitnah, doch die Hektik ist aus dem Markt. Die Interessenten können nun mehr selektieren und nach den eigenen Kriterien entscheiden.“ Scheuch geht nicht davon aus, dass die Preise vorerst wieder anziehen werden. Im Gegenteil: Wie es scheint, würden im Moment viele der Dinge harren, die da kommen: „Es wird abgewartet.“ Die verminderte Marktdynamik könnte nach Maisels Einschätzung noch bis Jahresende dauern. Für 2024 erwartet der Zinshausexperte von Otto Immobilien aus heutiger Sicht einen leichten Aufschwung. Geht es nach EHL-Investment-Leiter Peham, dann werde die Entwicklung am Immobilienmarkt in der nächsten Zeit stark davon abhängen, wie sich die Zinsen fortschreiben und wie die Signale einzuschätzen sind: „Viele Investoren sagen, sie können mit höherem Zinsniveau leben. Sie müssen aber einschätzen können, wo das Limit ist. Und das ist derzeit schwer einschätzbar. Der Zinshausmarkt ist davon nicht losgelöst, obwohl derzeit viele Investoren mit Eigenkapital kaufen.“

Mann im Anzug
Patrick Rezazadeh, Geschäftsführender Gesellschafter der VRG Immobilien: „Wir beobachten momentan eine gewisse Marktbereinigung.“

EU-Taxonomie

Die Zinserhöhung führte auch dazu, dass die Anfang 2022 besonders stark diskutierte EU-Taxonomie bei vielen Bestandhalter aktuell an Priorität verlor, wenngleich sie im Zinshausbereich ein großes Thema ist. Deutlich erkennbar sei laut Philipp Maisel allerdings, dass sie für Unsicherheit sorgt: „Noch herrscht große Unklarheit darüber, wie beispielsweise der Ausstieg aus Gas im klassischen Gründerzeithaus überhaupt umgesetzt werden kann. Technisch-strukturell gesehen bedeutet der Umstieg auf klimafreundliche Heizsysteme bei der geschlossenen Bauweise eine riesige Herausforderung. Wir haben in den letzten Monaten einige Projekte in der Vermarktung begleitet, bei denen die Installation einer Luftwärmepumpe geprüft wurde, um von der Gastherme wegzukommen. Eine Wärmepumpe einzubauen ist sowohl im Keller aufgrund der kleinteiligen Kellerabteile und als auch im Dachgeschoß aufgrund der Statik problematisch. Eine Umstellung ist bautechnisch eine gewaltige Herausforderung – ganz zu schweigen von der wirtschaftlichen Darstellbarkeit, die insbesondere angesichts des Richtwertmietzins nicht gegeben ist.“

Eine Lösung aus Sicht von Otto Immobilien wäre, den bei denkmalgeschützten Gebäuden geltenden § 16 Abs. 1 Z. 3 MRG anzuwenden. Sprich: Wende ich als Eigentümer erhebliche Eigenmittel für eine thermische Sanierung auf, dann steht es mir zu, einen angemessenen Mietzins zu verlangen. Aktuell sei die EU-Taxonomie Maisel zufolge ein Aspekt, der sowohl von Käufer als auch der Verkäuferseite durchaus mitbedacht werde, allerdings noch nicht ein alleiniges Ankaufs- oder Verkaufskriterium darstelle.

EHL-Zinshausexperte Peham weiß allerdings schon von Eigentümern, „die entscheiden, sich von Zinshäusern im Bestand zu trennen, weil sie sich mit diesem Thema nicht auseinandersetzen möchten.“ Für viele Privatinvestoren sei die EU-Taxonomie noch nicht greifbar. Anders sei dies bei Entwicklern: „Die schauen sehr wohl darauf, was umsetzbar ist, doch Investitionen sind vor allem dann interessant, wenn das Gebäude überwiegend bestandsfrei ist. Verbesserungen sind ja auch aufgrund der Vermietungssituation oft nicht so leicht realisierbar.“ Dennoch gebe es nach wie vor auch eine Zielgruppe, „die auf eine gute Gebäudesubstanz und erstklassige Lagen sowie auf Nachhaltigkeit im Bestand wert legt und auch bereit ist notwendige Investitionen zu tätigen“.

Blick in die Landeshauptstädte

Wie sich die Situation aktuell in den Hauptstädten der Bundesländer gestaltet, ist laut Rustler-Chef Alexander Scheuch schwer einzuschätzen, da hier nur punktuell Verkäufe vonstatten gehen. „2021 und 2022 wurden jeweils 16 Zinshäuser in der Stadt Salzburg verkauft. Heuer rechnen wir mit einem Rückgang bei Ankäufen. Es gibt nicht weniger Objekte am Markt, doch die Nachfrage sinkt. Die Anleger sind zögerlicher geworden. Es gibt eine Zurückhaltung bei Kaufentscheidungen. Dass die Kaufpreise wirklich nach unten gehen, ist noch nicht erkennbar und wird von der weiteren Zinssituation und der Nachfragesituation abhängig sein. Bei den ausgeschriebenen Objekten sind die Angebotspreise bereits reduziert worden“, berichtet die Salzburger Immobilienmaklerin Julia Grosschädl. In Graz beobachtet Sevak Khloyan, Geschäftsführer SK Real Steiermark, eine ähnliche Dynamik: Gegenüber 2021 seien 2022 deutlich mehr Zinshäuser privater Eigentümer auf den Markt gekommen bei gleichgebliebener Nachfrage.

Bei den Preisen habe lediglich eine minimale Preiskorrektur stattgefunden. „In der Vergangenheit war das Angebot von Zinshäusern begrenzt, wobei die Nachfrage das Angebot ständig überstieg. Dies hat zu einem wettbewerbsorientierten Markt mit steigenden Immobilienpreisen geführt. Es ist möglich, dass sich dieser Trend auch in Zukunft fortsetzt, da ein relativ begrenztes Angebot zum Verkauf angeboten wird“, erzählt Florian Höll, Leiter des Innsbruck-Büros von Engel & Völkers, über den Zinshausmarkt der Tiroler Landeshauptstadt: Auch wenn es schwierig sei vorherzusagen, ob in den kommenden Jahren mehr oder weniger Zinshäuser auf den Markt kommen würde, sei davon auszugehen, dass die Nachfrage nach dieser Art von Objekten weiterhin stark und der Markt weiterhin wettbewerbsintensiv sein werde: „Durch die geringe Anzahl an Zinshäusern im Alleineigentum bleibt der Marktwert stabil.“