Die Frage nach dem nächsten Immobilienjahr

Prognose
13.12.2022

Von: Redaktion OIZ
Heimische Branchenexperten blicken gefasst nach vorne.

Kompassnadel, die auf "2023" zeigt
Gewinner werden die sein, die die Herausforderungen der Zeit als Chance begreifen und ihr Unternehmen fit für die Zukunft machen.

Das Jahr 2022 biegt in die Zielgerade ein. Es hatte es in sich. Entsprechend verschlechterten sich die Aussichten für die Wirtschaft sowie für den Immobiliensektor. Sieben von zehn Experten aus der Immobilienbranche glauben, dass Europa noch vor 2023 in eine Rezession schlittern wird. Dies ist eines der Kernergebnisse der Studie „Emerging Trends in Real Estate 2023 – In the Eye of the Storm“, die kürzlich das Beratungsunternehmen PwC in Kooperation mit dem Urban Land Institute (ULI) veröffentlichte. Sie basiert auf Einschätzungen von mehr als tausend Fachleuten in ganz Europa, einschließlich Investoren, Bauträgern, Kreditgebern und Beratern. 

Mit 91 Prozent ist die meistgenannte Herausforderung des Immobiliensektors die Inflation, dicht gefolgt von den Zinsbewegungen (89 Prozent) und dem schwachen Wirtschaftswachstum in Europa (88 Prozent). Die politische Unsicherheit auf globaler und regionaler Ebene bereitet ebenfalls große Sorge. Bei den Faktoren, die konkret die Immobilienwirtschaft betreffen, stehen die stark gestiegenen Baukosten (92 Prozent) sowie die Verfügbarkeit von Ressourcen (84 Prozent) ganz oben auf der Liste. Diese beiden Aspekte werden von den Immobilienmanagern als längerfristige Herausforderung gesehen: Rund drei Viertel der Befragten stellen sich auf entsprechende Kosten- beziehungsweise Ressourcenprobleme über die nächsten drei bis fünf Jahre ein.

Wo Schatten ist, ist auch Licht

Österreichische Branchenvertreter sind sich besagter Herausforderungen bewusst und kehren deren positive Aspekte hervor. Etwa Oliver Brichard, Geschäftsführer von Brichard Immobilien, der betont: „Aufgrund der aktuellen Situation (…) findet gerade ein Umdenken in unseren Köpfen statt. Unser Bewusstsein für so manches Thema wächst. Das bewerte ich positiv, da wir Verantwortung übernehmen müssen. Dazu zählt auch die Reduktion des CO²-Ausstoßes.“

Ins selbe Horn stößt Nadja Pröwer, Head of Building Consultancy bei CBRE und Vorstandsmitglied des Salon Real, für die das Immobilienjahr 2023 unter dem Motto „Veränderung“ steht.„Gewinner werden die sein, die die Herausforderungen der Zeit als Chance begreifen und ihr Unternehmen fit für die Zukunft machen. Mit Geschäftsmodellen, die einen positiven Fußabdruck schaffen, einer Unternehmenskultur, die inspiriert, die Diversität als Stärke nutzt und Sinn für alle Generationen stiftet. Was es dazu braucht? Optimismus, Mut und Empathie. Kreativität, Toleranz und manchmal auch ein Gläschen Sekt. Prosit Neujahr!”, legt sie in ihrem Statement dar. Dem kann man sich nur anschließen. Prosit 2023!

Mann im Anzug mit Brille
Anton Holzapfel, Geschäftsführer des ÖVI

Vorsorge ist angesagt

„Das Jahr 2022 hat eine unerwartete Zäsur für das Leben in Europa gebracht. Als schonungsloser Brandbeschleuniger hat der Ukraine-Krieg die virulenten Problemherde verstärkt: von Lieferkettenschwierigkeiten über massive Kostensteigerungen bis hin zu Energieversorgung und Klimakrise. Viele von uns sind in den vergangenen Jahrzehnten mehr oder weniger sorgenfrei aufgewachsen, nicht bei allen gibt es die notwendige Resilienz für die zu erwartenden Herausforderungen. Der Immobiliensektor wird – mit Verspätung – auch davon betroffen sein, Vorsorge ist angesagt.“

Mann im Anzug
Bernhard Reikersdorfer, Managing Director von Re/Max Austria

Abflachen der Preiskurve

„Der Immobilienmarkt wird aktuell von zahlreichen Faktoren wie den steigenden Bau- bzw. Energiekosten, der hohen Inflation, den steigenden Zinsen und den strengeren Kreditvergaberichtlinien beeinflusst. Im Jahr 2023 rechnen wir mit einem steigenden Angebot im Bereich Wohnimmobilien Kauf, einer rückläufigen Nachfrage und einem Abflachen der Preiskurve. Spürbare Preissteigerungen wie in den letzten Jahren wird es unter den derzeitigen Rahmenbedingungen nicht mehr geben. Die Veränderungen am Markt bieten der Immobilienbranche aber auch neue Chancen. Wir werden diese bestmöglich nutzen, damit auch 2023, trotz aller Herausforderungen, wieder ein gutes Geschäftsjahr wird.“

Frau im Blazer
Martina Hirsch, Geschäftsführerin der s Real Immobilienvermittlung

Die Immobilie bleibt wichtig

„Viele Faktoren verändern derzeit einen lange gewohnten Zustand voller Dynamik im Wohnimmobilienmarkt. Gleichzeitig ist eines klar: die letzten Jahre waren ebenso speziell mit historisch langem Niedrigzinsniveau, dem starken Fokus auf Wohnimmobilien und der neuen Bedeutung des Zuhauses in Zeiten von Covid-19. Was ist sicher: Wir alle wohnen. Es gibt immer Situationen, die uns veranlassen umzuziehen. Sei es ein beruflich bedingter Ortswechsel oder eine Veränderung der Familiensituation. Wir werden weiter wohnen, wie bei Vielem aktuell aber bewusster auswählen, nachhaltig denken und sorgfältig prüfen. Die Immobilie bleibt wichtig, als Lebensmittelpunkt ebenso wie als sicheres Investment.“

Mann im Rollkragenpulli
Boris Grasser, Geschäftsführer Market & Sales bei Sprengnetter Austria GmbH

Dreh- und Angelpunkt Energieeffizienz

„Wir blicken trotz Unwägbarkeiten am Markt positiv ins Immobilienjahr 2023. Nachhaltigkeit und Energieeffizienz von Gebäuden rücken immer stärker in den Fokus, auch abseits der Anforderungen der EU-Taxonomie-Verordnung ist das Thema integraler Bestandteil der Immobilienbewertung. Die Nachfrage von Krediten und Förderungen für thermische Sanierungen zur Erhöhung der Energieeffizienz von Gebäuden wird steigen. Sprengnetter unterstützt hier unter anderem mit dem EEK-Screening und dem Modernizer, zwei Werkzeugen für die Ermittlung von energetischen Optimierungspotentialen von Einzelobjekten und Portfolios.“

Mann im Anzug vor Fenster
Matthias Gass, Präsident des Fiabci Austria

Krise mit Potenzial für spannende Entwicklungen

„Die Branche befindet sich in einer unsicheren Zeit zwischen dem alten und dem neuen ‚Normal‘, geprägt von großer Zurückhaltung seitens der Investoren. Steigende Zinsen, steigende Baukosten, die Kriegswirtschaft und eine bevorstehende Rezession lassen Geldgeber die Pausetaste drücken. Bei vielen Immobilienmärkten und einigen Assetklassen zeigt sich diese Entwicklung auch durch sinkende Preise. Die Krise hat aber auch das Potential, spannende Entwicklungen hervorzubringen. Es entstehen Immobilien, die die Bedürfnisse der Menschen mehr in den Mittelpunkt stellen. Außerdem erwarten wir Technologien, die die Baukosten dramatisch senken und Märkte, die global und für jeden erreichbar sind.“

lächenlde Frau mit Brille
Ellen Moll, Geschäftsführende Gesellschafterin der Dr. Moll & Punt OHG

Fehlende Begleitmaßnahmen beim EWG

„Immobilienverwalter müssen enorme Preissteigerungen bei den Wohn- und Baukosten (bei Sanierungen) managen. Das erschwert eine Sanierungsoffensive. Das Erneuerbare-Wärme-Gesetz wird voraussichtlich ab 2023 den stufenweisen Umstieg von fossilen Heizungen auf erneuerbare Alternativen – Ausstieg Ölheizungen bis 2035 und Gasheizungen bis 2040 – regeln. Leider fehlen die dafür notwendigen wohnrechtlichen Begleitmaßnahmen, z. B. Duldungspflichten der Mieter bzw. Miteigentümer. Gerade in Städten ist die Umrüstung der Heizungen schwierig und eine zusätzliche finanzielle Belastung für die Eigentümer.“

Mann im Anzug
Oliver Attensam, Geschäftsführer der Unternehmensgruppe Attensam

Geringere Investitionen bemerkbar

„Angesichts der aktuellen Situation sind langfristige Prognosen schwierig, aber das kommende Jahr wird aller Voraussicht nach herausfordernd werden: Die Effekte der Teuerung dürften ab dem Frühjahr für viele Betriebe spürbar werden, das wird sich vermutlich auf den Arbeitsmarkt niederschlagen und wahrscheinlich auch in geringeren Investitionen bemerkbar machen. Ich blicke dennoch positiv in die Zukunft, denn wir sind mit unserem großen Serviceportfolio rund ums Haus breit aufgestellt und haben nicht zuletzt in der Coronapandemie bewiesen, dass wir systemrelevant und krisenfest sind.“

Mann im Anzug
Rainer Kubicki, Vorsitzender der Berufsgruppe der Inkassoinstitute der WKO

Höhere Risiken für Gläubiger

„Die multiplen Krisen wie Inflation, Ukraine-Krieg, Klimawandel führen schon jetzt zu einem Rückgang der Wirtschaftsleistung, welcher sich laut Prognosen diverser Ökonomen im kommenden Jahr sogar zu einer Rezession entwickeln kann. Davon sind alle Branchen betroffen – auch die Inkassowirtschaft in ihrer Funktion als Dienstleister der kreditgebenden Wirtschaft. Noch ist die Zahlungsmoral in Österreich stabil. Aufgrund der auch für 2023 zu erwartenden hohen Inflation, der weiter steigenden Zinsen und des Abschwungs der Wirtschaft werden die Risiken für die Gläubiger, d.h. für alle Unternehmen, die auf Kredit liefern und leisten, höher. Somit kommt einiges an Arbeit auf die Inkassoinstitute zu. Ich rechne damit, dass sowohl die Anzahl der Inkassofälle als auch die Höhe der ins Inkasso übergebenen Forderungsvolumina steigen werden.“  

Mann im Anzug
Oliver Brichard, Geschäftsführer von Brichard Immobilien

Dekarbonisierung als Pflicht

„Aufgrund der aktuellen Situation rund um den Ukraine-Krieg und die Energiekrise findet gerade ein Umdenken in unseren Köpfen statt. Unser Bewusstsein für so manches Thema wächst. Das bewerte ich positiv, da wir Verantwortung übernehmen müssen. Dazu zählt auch die Reduktion des CO²-Ausstoßes. Dieses Thema beherrscht momentan die Medienlandschaft und lässt wohl kaum einen Hausverwalter oder Eigentümer kalt. Durch die Dekarbonisierung werden wir an Wohlstand verlieren. Sie kostet unheimlich viel Geld und vernichtet damit Vermögen. Dennoch ist es eine logische und absolut nachvollziehbare Maßnahme, die durchgeführt werden muss.“

Frau in weißer Bluse
Nadja Pröwer, Head of Building Consultancy bei CBRE und Vorstandsmitglied des Salon Real

Schaffung eines positiven Fußabdrucks

„2023 steht unter dem Motto ‚Veränderung‘. Das Ziel ist klar: eine lebenswerte Zukunft für alle sicherstellen. Der Weg dahin noch unklar. Aber eins steht fest: Gewinner werden die sein, die die Herausforderungen der Zeit als Chance begreifen und ihr Unternehmen fit für die Zukunft machen. Mit Geschäftsmodellen, die einen positiven Fußabdruck schaffen, einer Unternehmenskultur, die inspiriert, die Diversität als Stärke nutzt und Sinn für alle Generationen stiftet. Was es dazu braucht? Optimismus, Mut und Empathie. Kreativität, Toleranz und manchmal auch ein Gläschen Sekt. Prosit Neujahr!”