Deutsche Branchenvertreter am Wort

15.06.2015

Die Mietpreisbremse und das Bestellerprinzip bringen den schwarz-rot-goldenen ­Immobilienmarkt zum Rumoren. Die OIZ befragte Helge Norbert Ziegler vom BVFI sowie Jürgen Michael Schick vom IVD getrennt voneinander zu den beiden heißen Eisen.

OIZ: Welche der zwei Maßnahmen – die Mietpreisbremse oder das Bestellerprinzip – trifft die deutsche Immobilienbranche härter und weshalb?

HELGE NORBERT ZIEGLER: Das kommt darauf an, welche Position man innehat. Für Wohnungsvermietungsmakler dürfte es das Bestellerprinzip sein. Für Vermieter beides. Denn zum einen hat er, jedenfalls dort, wo es einen Mietspiegel gibt, eine fixierte Obergrenze. Und das, obwohl die Nachfrage auch eine höhere Miete zulassen würde. Zum anderen muss er sich entweder jetzt der Vermietung selbst annehmen – was ihm mangels Fachkenntnisse qualifiziert kaum möglich ist – oder einen Wohnungsvermietungsmakler einschalten. Beides kostet ihn Geld, so oder so.

JÜRGEN MICHAEL SCHICK: Beide Maß­nahmen treffen weniger die Immobilienbranche als die Mieter. Die Mietpreisbremse wird dazu führen, dass Eigentümer ihre Wohnungen nicht mehr oder deutlich seltener als bislang modernisieren. Es lohnt sich für sie finanziell einfach nicht mehr. Dadurch wird sich der Zustand des deutschen Wohnungsbestands langfristig deutlich verschlechtern. Das Bestellerprinzip betrifft in erster Linie Wohnungssuchende. Diese werden zunächst finanziell entlastet. Denn nach dem Gesetz ist es praktisch nicht denkbar, dass ein Mieter einen Makler provisionspflichtig beauftragt. In diesem Fall dürfte der Makler dem Mieter nämlich keine Wohnungen zeigen, die er schon in seinem Portfolio hat. Wohnungen, die er dem Mieter exklusiv anbietet, darf er keinem weiteren Interessenten präsentieren. Makler werden deshalb kaum noch Aufträge von Mietern annehmen. Das wird zum Beispiel für jene Mieter problematisch, die aus beruflichen Gründen in eine andere Stadt ziehen und dort in kurzer Zeit eine Wohnung finden müssen. Sie werden dann nur schwer einen Dienstleister finden, der sich für sie auf Wohnungssuche begibt. Der Mieter ist am Ende also auch hier der Verlierer.

OIZ: Welche Konsequenzen wird das Bestellerprinzip nach sich ziehen?

ZIEGLER: Zu Beginn werden Vermieter versuchen, selbst zu vermieten. Dann werden sie feststellen, wie aufwendig das ist und dass ihnen dazu die Kenntnisse und die Zeit fehlen. Danach wenden sie sich wieder an einen qualifizierten Wohnungsvermietungsmakler. Der eine oder andere Wohnungsvermietungsmakler, der die Provision vom Mieter nur so „mitnahm“, ohne eine umfangreiche Leistung zu bieten, und nicht weiß, welche er künftig dem Vermieter bieten soll, wird aus dem Marktsegment ausscheiden, unter Umständen sogar seine Geschäftstätigkeit einstellen. Immobilienmakler, die echte Unternehmer sind, werden es verstehen, ihre Leistungen, für die der Vermieter künftig zahlen soll, transparent darzustellen und ihre Qualität zu vermitteln. Das sind auch die, die die im Koalitionsvertrag prognostizierten 130 Mio. Euro Vermieterprovision verdienen werden.

Schick: Das Bestellerprinzip führt dazu, dass fast immer der Vermieter den Makler zahlen muss. Vor allem private Vermieter werden zunächst versuchen, das Geld zu sparen und selbst auf die Suche nach einem Mieter gehen. Nicht alle haben aber das spezifische Fachwissen, um Mietverträge aufzusetzen, die richtige Miethöhe zu bestimmen und den passenden Mieter auszuwählen. Das kann zu Rechtsstreitigkeiten führen, die dem Mieter und Vermieter teuer zu stehen kommen. Wir erwarten, dass Vermieter nach kurzer Zeit zu den Maklern zurückkehren. Dass das Bestellerprinzip die schwarzen Schafe der Maklerbranche vom Markt verdrängt, wie viele hoffen, ist eher unwahrscheinlich. Denn mit der Qualität der Leistung hat das Prinzip nichts zu tun. Es geht ja nur darum, wer die Courtage zahlt.

OIZ: Ist das Bestellerprinzip Ihrer Meinung nach „wasserdicht“? 
ZIEGLER: Nein! Wir sind Mitinitiator einer Verfassungsklage, die die international renommierte Anwaltskanzlei ­Roedl & Partner für uns vorbereitet. Es ist nicht gerecht. Zugegeben, die bisherige Regelung war es auch nicht. Zum einen ist de jure nach einem BGH-Urteil vom 3. Mai 2012 der Mieter der Besteller, wenn er auf eine Annonce des Maklers reagiert. Zum anderen hatte er auch Vorteile von der Tätigkeit des Maklers. Daher wäre eine Provisionsteilung die gerechte Lösung gewesen.

Schick: Wasserdicht ist es meiner Meinung nach nicht. Wenn es im Juni in Kraft tritt, wird der Immobilienverband eine Verfassungsbeschwerde einlegen. Das Bestellerprinzip verstößt nicht nur gegen den Koalitionsvertrag der Bundesregierung, sondern auch gegen die Vertragsfreiheit. Unsere verfassungsrechtlichen Bedenken teilt auch der Mainzer Staatsrechtslehrer Friedhelm Hufen. 

OIZ: Ist es schlüssig, dass das Bestellerprinzip nicht für Kauftransaktionen gilt?
ZIEGLER: In Deutschland gibt es leider in jedem Bundesland eine andere Regelung. Es gibt Bundesländer wie Hamburg, Berlin oder Hessen, in denen der Käufer die vollständige Provision von bis zu sechs Prozent zzgl. MwSt. zahlt. In anderen Bundesländern wie Bayern oder Baden-Württemberg zahlen Käufer und Verkäufer bis zu je drei Prozent zzgl. MwSt. Dies führt gerade in bundesländerübergreifenden Transaktionen zu Irritationen. Wir würden uns eine bundesweit einheitliche Provisionsregelung wünschen. Sogar eine, in der nur der Verkäufer die volle Provision zahlt, die eingepreist wird. So wie das bei allen Handelsprodukten der Fall ist. Denn am Ende zahlt sie ja doch der Käufer mit seinem Kaufpreis, so oder so.

Schick: Ja. Die Idee hinter dem Bestellerprinzip war ursprünglich, dass der Wohnungssuchende vor hohen Kosten geschützt wird. Vor allem in den Großstädten, in denen es zu wenige Wohnungen gibt, haben die Mieter oft keine Wahl, als die Courtage zu zahlen. Beim Kauf von Immobilien lässt sich nicht sagen, dass eine Partei per se stärker unter hohen Kosten leidet als die andere. Wer ist eher schutzbedürftig: die Familie mit zwei Kindern, die ein Einfamilienhaus kauft, oder die Seniorin, die ihr Haus veräußert, um sich eine Wohnung in einer betreuten Wohneinrichtung für den Lebensabend leisten zu können? Aus diesem Grund ist ein Bestellerprinzip für Immobilien zum Kauf nicht vorgesehen.

OIZ: Die Mietpreisbremse tritt voraussichtlich nur in Berlin pünktlich am 1. Juni in Kraft. Was hält die anderen 15 Bundesländer zurück?

ZIEGLER: In jedem Bundesland müssen die Parlamente auf Antrag der Gemeinden entscheiden, welche Gebiete zu den angespannten zählen. Das muss vorbereitet werden. In einem Bundesland wie Berlin als Stadtstaat geht das für ein ganzes Gebiet leichter und schneller.

Schick: Viele Bundesländer prüfen noch, wo die Kriterien für „angespannten Wohnungsmarkt“ erfüllt sind, oder bereiten die Verordnung zur Mietpreisbremse vor. Für Verunsicherung dürfte eine Entscheidung des Amtsgerichts Berlin-Charlottenburg Mitte Mai gesorgt haben. Auf Basis eines Gutachtens hat die Richterin entscheiden, dass der Berliner Mietspiegel nicht als qualifiziert gelten könne, weil er nicht nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt worden sei. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Da der Mietspiegel als Grundlage für die ortsübliche Vergleichsmiete aber eine wichtige Basis für die Umsetzung der Mietpreisbremse darstellt, hat die Entscheidung Signalwirkung.

OIZ: Wird die Mietpreisbremse ihren Zweck erfüllen, sprich dass künftig bei Wiedervermietungen in begehrten Gegenden die Mieten nicht mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen werden?

ZIEGLER: Insgesamt ist das zu bezweifeln.

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