„Das wird eine Monsteraufgabe“

Ukraine-Krieg
08.04.2022

Von: Redaktion OIZ
Die Abhängigkeit von russischen Erdgasimporten trifft die heimische Immobilienwirtschaft mehrfach, gibt Matthias Gass, Präsident von Fiabci Austria, zu bedenken. Umrüstungen auf andere Primärenergieträger in den Heizungssystemen sind dringend nötig.
Matthias Gass
Matthias Gass ist seit vergangenem September Präsident von Fiabci Austria.

OIZ: Seit September 2021 sind Sie Präsident von Fiabci Austria. Somit starteten Sie während der Covid-19-Krise und sind nun mit dem Ukraine-Krieg befasst. Wie gestalteten sich die ersten Monate Ihrer Funktion?

MATTHIAS GASS: Krisen unterscheiden sich von normalen Zeiten nur dadurch, dass der Wandel noch schneller voranschreitet und dass sich die Aufmerksamkeit auf andere Themen richtet. Corona verlangte der Immobilienwirtschaft einiges an Flexibilität ab. Global gesehen blicken wir gespannt auf die Verhaltensänderungen, die die Pandemie bei den Menschen auslöste, und darauf, ob Urbanisierung neu gedacht werden muss und wie tiefgreifend neue Formen des Arbeitens die Struktur unserer Städte auf den Kopf stellen. Die Transformation, die bei Büro- und Wohnimmobilien stattfindet, steht erst am Anfang.

OIZ: Und der Krieg in der Ukraine?

GASS: Dieser schuf an zwei Fronten neue Unsicherheiten: Die explodierenden Energiepreise auf der einen Seite, die alle Immobilienkosten anschwellen lassen. Auf der anderen Seite sinken in Kriegszeiten Investitionsfreude und Finanzierbarkeit von Projekten. Die Zinserwartung steigt schlagartig und steil, was sich auch auf Immobilien auswirken wird.

Trotzdem empfand ich die ersten Monate in meiner neuen Funktion als eine sehr anregende Zeit. Wir sehen uns als aktiver Player bei der Digitalisierung der Immobilienbranche und bauten deswegen rasch eine Partnerschaft mit der Austrian Proptech Initiative auf, mit der wir gemeinsame Veranstaltungen zum Thema „Immobilienbranche im digitalen Wandel“ ausrichten. Auch die Thematik „Innovationen in der Immobilienbranche“ gehört zu unserer Kernkompetenz und daher lobten wir, allen Krisen zum Trotz, zum dritten Mal den Prix d’Excellence aus, mit dem wir nachhaltige und innovative Projekte auszeichnen.

OIZ: Um auf den Krieg in der Ukraine zurückzukommen: Wie hilft die österreichische Immobilienbranche Flüchtlingen?

GASS: Es gibt zahlreiche Immobilienbesitzer, die sich zusammenschlossen, um leerstehende Flächen kurzfristig für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen. Auch Benefizkonzerte werden von Unternehmern der Immobilienbranche veranstaltet. Ich glaube, dieses starke Engagement, das meiner Einschätzung nach bei dieser Flüchtlingskrise wesentlich höher als bei jener 2015 ausfällt, hat vor allem damit zu tun, dass dieser Krieg vor unserer europäischen Haustüre stattfindet. Und dass die Frage, ob man in der unmittelbaren Nachbarschaft Kriegsvertriebene aufnimmt, eigentlich keine Frage, sondern eine Selbstverständlichkeit ist.

OIZ: Wie stark ist heimische Immobilienwirtschaft in der Ukraine investiert?

GASS: Es gibt natürlich einige österreichische Immobilieninvestoren in der Ukraine, die sich jetzt unverhofft in einer prekären Situation in einem Kriegsland wiederfinden. Trotzdem denke ich nicht, dass wir hier von einem kritischen Teil der Immobilienbranche ausgehen müssen. Österreichische Banken stehen wesentlich exponierter da.

OIZ: Wie stark wiederum ist die österreichische Immobilienwirtschaft in Russland investiert und was bedeuten die Sanktionen für sie?

GASS: Für die Investoren in Russland sehe ich die Situation viel kritischer als für jene in der Ukraine. Es wird eine große Zerrüttung zwischen der EU und der russischen Föderation bleiben und die ständige Sorge darum, ob Putin ganz allgemein Expansionsfantasien hegt, die europäische Territorien betreffen. Das heißt aber auch, dass mit einer raschen Rücknahme von Sanktionen nicht gerechnet werden kann. Investoren in Russland haben so mehrere Probleme zu managen: Sie können Kapital nicht ohne weiteres aus oder nach Russland transferieren. Sie können Währungsrisiken kaum absichern und sie müssen jederzeit mit Gegensanktionen von Russland rechnen, die auch Enteignungen oder das Einfrieren von Vermögen und Konten betreffen können. Insgesamt stellt sich die Lage für Investitionen in Russland auch mittelfristig als sehr fragwürdig dar.

OIZ: Wie wirken sich die wegen des Krieges steigenden Energiepreise auf die rot-weiß-rote Immobilienlandschaft aus?

GASS: Die hohe Abhängigkeit von russischen Erdgasimporten trifft die heimische Immobilienwirtschaft mehrfach: Es gibt einen extrem hohen Anstieg der Energiepreise, was die Bonität der Mieter belastet. Außerdem werden Umrüstungen auf andere Primärenergieträger in den Heizungssystemen dringend nötig. Hier gibt es noch keine echte Strategie, wie man sich nachhaltig von der Gasabhängigkeit befreit. Alternativen zur Gasheizung sind baurechtlich oft problematisch – Stichwort: Lärmschutz – und von den Energieversorgern mit den bestehenden Netzkapazität nicht bewältigbar. Das wird noch zu einer Monsteraufgabe.