Cool building

11.05.2012

 
Gebäudekühlung der Zukunft heißt: Nutzung alternativer Energiequellen, thermische Bauteilaktivierung und individuelle Regelbarkeit.

Wände und Decken, die nichts anderes tun, als „da“ von nebenan und unten von oben zu trennen, werden im Bürogebäude der Zukunft alt aussehen. Im Sinne möglichst effizienter Nutzung der Energieressourcen müssen diese Bauteile selbst immer öfter aktiv dazu beitragen, die Räume je nach Außentemperaturen zu beheizen oder zu kühlen. Entsprechende Systeme gibt es schon seit 20 Jahren; sie verbergen sich in dem Fachkürzel Tabs, das für „Thermo-Active Building Structures“ steht. Also Thermische Bauteilaktivierung. „In diese Richtung geht es immer mehr“, sagt auch Karl Helm, Business-Unit-Leiter Building Automation bei der Siemens AG Österreich. In Wänden oder Decken werden beispielsweise „Kühlschlangen“ verlegt, wodurch die ganze Bauteilfläche zur Kühlung genutzt wird. Denn je größer die Fläche, die zum Kühlen – wie auch zum Heizen – verwendet werden kann, umso geringer braucht die Temperaturdifferenz zwischen Kühlwasser und gewünschter Raumtemperatur sein.

Energiespeicher Erdreich
Ohne kaltes Wasser zu erzeugen, kommt aber auch ein Tabs-System nicht aus. Und das geht im Allgemeinen nur mit Strom beziehungsweise mit Kältemaschinen – bekanntlich eine der teuersten Erzeugungsarten, die es gibt. Ein Problem, angesichts dessen man heute immer öfter buchstäblich „in die Tiefe“ geht und zum Kühlen – genauso wie zum Heizen – das Erdreich zur Speicherung verwendet. Beispiel Siemens City, wo 120 Betonpfähle mit einem Meter Durchmesser, die 30 Meter ins Erdreich hineinragen, im Winter zum Heizen und im Sommer zum Kühlen der Büros genutzt werden. Die in den Pfählen und Decken der Büros verlegten Leitungen machen die Bauteilaktivierung möglich. Helm: „In der Nacht, wenn es draußen am kühlsten ist, wird diese Kälteenergie ins Erdreich gepumpt, um sie am Tag wieder heraufzuholen.“ Wobei das allein natürlich nicht reiche, „es ist aber insofern unterstützend, als das Kühlwasser nicht mehr um fünf bis zehn Grad, sondern nur noch um ein paar Grad weniger mit Strom heruntergekühlt werden muss“.

Tabs soll aber auch nicht heißen, dass Büromitarbeiter in Zukunft mit einer „Plantemperierung“ leben müssen. Neben der energieeffizienten Ressourcennutzung ist die individuelle Regelbarkeit genauso wichtig. Denn wenn es dem einen noch zu warm, kann es dem anderen schon zu kühl sein. Wie man aus Untersuchungen über Mitarbeiterzufriedenheit weiß, wirkt sich die Temperatur auf die Produktivität aus. „Wobei es darauf ankommt, ob man bereit ist, in der Errichtungsphase zehn Prozent mehr für eine Einzelraumregelung zu investieren“, sagt Helm in Richtung Bauherren – die seien aber „in der Regel nicht dieselben, die die Betriebskosten und die Produktivität zu verantworten haben.“ Diese zehn Prozent Mehrkosten würden sich jedenfalls innerhalb von wenigen Jahren amortisieren. Immerhin spare man nach einer vereinfachten Faustformel für jedes Grad weniger, das man für die Kühlung benötige, sechs bis zehn Prozent Energiekosten.

Kühlquelle Grundwasser
Auch für Wolfgang Reibke von der Planungsgruppe Grünbichler GmbH, Berater für technische Gebäudeausrüstung des internationalen Expertennetzwerks blueberg, ist die Baukernaktivierung zukunftsweisend. „Vorausgesetzt, man hat alternative Energiequellen zur Verfügung, zum Beispiel Grundwasser und eine entsprechende Wärmepumpe: Im Winter benutzt man die Grundwasser-Wärmepumpe, um das System von der Grundwassertemperatur auf Heiztemperarturniveau hochzufahren, im Sommer kann man unter Umgehung der Wärmepumpe und durch Zwischenschaltung eines Wärmetauschers direkt mit dem Grundwasser in die Baukernaktivierung hineineinfahren und damit kühlen“, erklärt Reibke.

Stille Energieabgabesysteme wie Flächenkühlung und Flächenheizung seien physiologisch jedenfalls positiv zu bewerten und hätten in der Regel eine sehr hohe Nutzerakzeptanz. „Eine Baukerntemperierung als Flächenheiz-/Kühlsystem ist allerdings von der individuellen Regelbarkeit eingeschränkt, da die Betonmasse, ist sie erst einmal erwärmt oder gekühlt, sehr träge reagiert.“ Wesentlich besser im Ansprechverhalten und der Regelbarkeit seien hier Heiz-/Kühldecken als abgehängte Decken, so Reibke.

Der höchste Komfort werde mit der Kombination Heiz-Kühl-Deckensystem mit mechanischer Lüftungsanlage erreicht, über die konditionierte Frischluft eingebracht wird. Diese sorge nicht nur für den hygienisch notwendigen Luftwechsel, sondern sei auch in der Lage, die Raumluft zu entfeuchten. „Gerade im Sommer bei zeitweise hoher Luftfeuchtigkeit wird so die Funktion der Kühldecke nicht eingeschränkt, und es ist möglich, die Luftfeuchtigkeit im Behaglichkeitsbereich zu halten.“ Bei einer Kühldecke ohne Lüftungsanlage werde bei einem Anstieg der Feuchtigkeit die Kühlwasserzufuhr unterbrochen, um Kondensatbildung zu verhindern. 

„Hierzu werden“, so Experte Reibke weiter, „Kondensatfühler eingesetzt, die in Abhängigkeit der Kühldeckenoberflächentemperatur und Luftfeuchtigkeit arbeiten. Mit mechanischer Lüftungsanlage und entsprechend ausgelegtem Kühlregister kann die Raumluftfeuchtigkeit abgeführt werden. Die Raumkonditionen bleiben somit über den gesamten Nutzungszeitraum in einem angenehmen Bereich.“ Diesen Komfort würden sich aber die wenigsten Investoren leisten.

Text: Hansjörg Preims