Bauwerksbuch: Neue Anforderungen an Verwalter von Immobilien in Wien
Seit der jüngsten Novelle der Wiener Bauordnung stehen Hausverwaltungen vor neuen Pflichten: Das Bauwerksbuch wird nun auch für Altbauten verpflichtend. Dieser Fachbeitrag beleuchtet praxisnah, was das Bauwerksbuch ist, welche Ziele die Baubehörde damit verfolgt und wie Hausverwalter die neuen Vorgaben umsetzen können. Zudem werden der zu erwartende Aufwand, laufende Pflichten und die rechtliche Haftung erläutert.

- Was ist das Bauwerksbuch?
Das Bauwerksbuch ist ein vom Wiener Baurecht vorgeschriebenes „Gebäudelogbuch“ (geregelt in § 128a der Wiener Bauordnung). Es dokumentiert umfassend den Zustand eines Gebäudes sowie alle Maßnahmen zur Instandhaltung und Überprüfung sicherheitsrelevanter Bauteile. Ursprünglich 2014 nur für Neubauten mit mehr als zwei Hauptgeschoßen eingeführt, wird die Pflicht nun mit der letzten Bauordnungsnovelle vom 13. Dezember 2023 auf bestehende Gebäude ausgeweitet, sowie es besteht nun eine Dokumentationspflicht, für welche die zuständige Hausverwaltung haftet. Ziel ist es, für jedes relevante Gebäude eine aktuelle, elektronische Dokumentation vorzuhalten, die bei Bedarf der Behörde vorgelegt werden muss.
Ein Bauwerksbuch enthält alle wesentlichen Bau- und Bewilligungsdaten, einen Plan für regelmäßige Sicherheitsüberprüfungen sowie ein aktuelles Verzeichnis der Baugebrechen und deren Behebung. Konkret muss es unter anderem folgende Informationen beinhalten:
- Allgemeine Unterlagen: Ausführungspläne, jegliche Bescheide, Einreichungen und Fertigstellungen bzw. wie es früher hieß: Benützungsbewilligungen (idealerweise mit Plänen).
- Prüfobjekte: Eine Auflistung aller Gebäudeteile, die regelmäßig überprüft werden müssen – vor allem solche, deren Verschleiß die Sicherheit von Menschen gefährden könnte (z. B. Tragwerk, Dach, Fassade, Balkone, Geländer). Teile, die ohnehin schon nach anderen Gesetzen geprüft werden (etwa Aufzüge oder Rauchfänge), müssen nicht doppelt erfasst werden.
- Prüfintervalle: Den Zeitpunkt der ersten Überprüfung (Erstprüfung) und die Intervalle für alle folgenden Kontrollen. Dabei gilt der Grundsatz: Einfache Sichtprüfungen häufiger (z. B. jährlich), aufwändigere fachmännische Prüfungen in größeren Abständen. Diese ist an die B1300 angelehnt.
- Qualifikation der Prüfer: Die Anforderungen an die fachliche Befugnis der Personen, welche die jeweiligen Kontrollen durchführen (Ziviltechniker, Baumeister etc.).
- Prüfergebnisse: Die Ergebnisse aller durchgeführten Überprüfungen, einschließlich einer Auflistung festgestellter Baugebrechen (Mängel) und – falls Mängel festgestellt wurden – einen Plan zu ihrer Behebung.
- Maßnahmenänderungen: Eine Dokumentation etwaiger bedeutender Änderungen oder Einzelbausanierungsmaßnahmen am Bauwerk (z. B. Eingriffe in tragende Teile oder an gebäudetechnischen Systemen), damit auch nachträgliche Änderungen lückenlos nachvollziehbar sind.
Das Bauwerksbuch ist digital zu führen und aktuell zu halten. Es gibt grundsätzlich keine Formvorgabe jedoch eine Empfehlung seitens der MA37, es nach einer bestimmten Ordnerstruktur zu führen. Oft werden PDF-Dokumente oder digitale Datenbanken genutzt. Wichtig ist, dass die Dokumente vollständig, jederzeit abrufbar und verständlich gegliedert ist. Es handelt sich nicht um die digitale Bauakte der Baubehörde, sondern um ein vom Eigentümer, bzw. wenn ein Verwalter für die Liegenschaft zuständig ist, von diesem geführtes Dokument, das auf Verlangen vorzuweisen ist. Eine routinemäßige Übermittlung an die Behörde ist nicht erforderlich, wohl aber die Registrierung des Bauwerksbuchs (siehe Punkt 3). Zusammengefasst ist das Bauwerksbuch also ein Instrument der Gebäudesicherheit, das die Instandhaltungs- und Prüfhistorie eines Hauses nachvollziehbar festhält. Man könnte auch sagen, sowas wie eine technische Buchführung.
- Intention der Baubehörde
Warum führt die Stadt Wien diese Verpflichtung ein? Hintergrund ist die gesetzliche Erhaltungspflicht für Gebäude, die bereits seit längerem in der Wiener Bauordnung verankert ist. Eigentümer sind dafür verantwortlich, ihr Gebäude in sicherem und ordnungsgemäßem Zustand zu erhalten. Mit dem Bauwerksbuch will die Baubehörde diese Pflicht bewusster machen und besser kontrollierbar gestalten.

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Insbesondere in Wien mit seinem großen Altbaubestand soll das Bauwerksbuch der präventiven Gefahrenabwehr dienen. Durch die regelmäßigen Inspektionen können etwa Bauschäden an Fassaden oder Tragwerken frühzeitig erkannt und behoben werden, bevor es zu Unfällen kommt. Medienberichte über herabfallende Fassadenteile und Gebäudeschäden in der Vergangenheit haben den Ruf nach strengeren Kontrollen laut werden lassen. Die Stadt reagierte mit der Novelle 2023: Nun müssen auch Altbauten ein Bauwerksbuch bekommen, um die öffentliche Sicherheit zu erhöhen und das bauliche Erbe Wiens zu schützen (Stichwort: historische Fassadenelemente in Schutzzonen).
Kurz gesagt, die Intention der Behörde ist ein “Mehr” an struktureller Sicherheit und Transparenz. Eigentümer sollen einen klaren Wartungsplan an der Hand haben, und die Behörde erhält im Ernstfall eine Nachweismöglichkeit, dass der Eigentümer seiner Sorgfaltspflicht nachgekommen ist.
- Erstmalige Maßnahmen für Hausverwalter
Für Hausverwalter bedeutet die Einführung des Bauwerksbuchs, dass sie nun proaktiv für die von ihnen betreuten Liegenschaften diese neuen Vorgaben umsetzen müssen. Insbesondere in der Startphase – also bei der erstmaligen Erstellung des Bauwerksbuchs – kommen einige konkrete Schritte auf die Verwaltungen zu:
3.1 Bestandsprüfung und Fristenplanung: Zunächst ist zu erheben, für welche Objekte ein Bauwerksbuch erforderlich ist. Seit 2014 betrifft dies alle Neubau-, Zu- und Umbauprojekte, die eine Baubewilligung nach § 60 Abs.1 lit.a BO erfordern (hier muss das Bauwerksbuch bereits bis zur Fertigstellungsanzeige vorliegen). Neu ist die Ausweitung auf bestehende Gebäude: Vor dem 1. Jänner 1919 errichtete Gebäudemüssen bis zum 31. Dezember 2027 und zwischen 1. Jänner 1919 und dem 1. Jänner 1945 errichtete Gebäude bis zum 31. Dezember 2030 ein Bauwerksbuch erstellt und der Behörde registriert haben. Ausgenommen sind Kleingartenhäuser, Kleingartenwohnhäuser und Gebäude mit einer bebauten Fläche von nicht mehr als 50 Quadratmetern. Für Hausverwalter heißt das, sie sollten rasch eine Objektliste mit Baujahr erstellen und je Objekt die maßgebliche Frist notieren. Es empfiehlt sich, frühzeitig zu planen: Da städtische Ressourcen (z. B. das Planarchiv der Baupolizei) begrenzt sind, sollte man notwendige Vorarbeiten „ab sofort“ in Angriff nehmen, insbesondere wenn Baupläne erst aus dem Archiv beschafft werden müssen.
3.2 Sachverständigen beauftragen (Erstellung & Erstprüfung): Die Hausverwaltung muss im Einvernehmen mit dem Eigentümer einen befugten Experten engagieren, der das Bauwerksbuch erstellt. Laut Vorschrift kommen dafür nur bestimmte Berufsgruppen in Frage, nämlich Ziviltechniker mit einschlägigem Fachgebiet (z. B. Architekten, Bauingenieure), gerichtlich beeidete Sachverständige für Bauwesen oder Baumeister (mit Planungsbefugnis). Diese Fachperson darf nicht in einem abhängigen Verhältnis zum Eigentümer stehen, sondern muss extern und unabhängig agieren.

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Ein zentraler Bestandteil der erstmaligen Erstellung ist die Erstprüfung des Gebäudes vor Ort: Dabei begutachtet der Sachverständige alle sicherheitsrelevanten Bauteile auf ihren Zustand. Diese Erstüberprüfung ist obligatorisch – ohne sie kann kein gültiges Bauwerksbuch ausgestellt werden. Praktisch bedeutet das für die Hausverwaltung, einen Begehungstermin zu koordinieren, eventuelle Zugangsmöglichkeiten (Dachboden, Fassadenbereich etc.) bereitzustellen und den Eigentümern/Mietern die Inspektion anzukündigen. Zusätzlich sind detaillierte Instandhaltungsmaßnahmen der letzten zehn Jahre zur Verfügung zu stellen, da diese dem Prüfer mehr Aufschluss über den Bauzustand einzelner Prüfrelevanter Gebäudeteile geben. Auf Basis dieser Begutachtung erstellt der Sachverständige das Bauwerksbuch-Dokument mit den zuvor genannten Inhalten. Festgestellte Mängel werden darin festgehalten und es wird ein Maßnahmenplan zur Behebung dieser Mängel ausgearbeitet. Gegebenenfalls muss die Hausverwaltung im Anschluss in Abstimmung mit den Eigentümern sofortige Sicherungsmaßnahmen veranlassen, falls akute Gefahren entdeckt wurden (etwa Absperrungen, Notreparaturen).
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- Dokumente und Daten zusammentragen: Parallel zur Erstprüfung sollten alle relevanten Unterlagen des Objekts gesammelt werden. Das umfasst insbesondere die Plan- und Bewilligungsdokumente (Einreichpläne, Baubescheide, Benützungsbewilligung, frühere Fertigstellungsanzeigen etc.), die im Bauwerksbuch referenziert und zum Teil in Kopie beigelegt werden sollen. In vielen Fällen liegen diese Unterlagen (gerade bei älteren Häusern) nicht vollständig beim Eigentümer oder Verwalter vor. Hier muss der Bauakt beider Behörden ausgehoben werden. Wien stellt hierfür eine Planeinsicht im MA 37-Archiv zur Verfügung; fehlende Pläne und Bescheide können dort angefordert werden. Wichtig: Da die Beschaffung aus dem Archiv Zeit braucht, sollte dies frühzeitig geschehen.
- Bauwerksbuch erstellen und abschließen: Hat der Sachverständige alle Informationen beisammen, erstellt er das Bauwerksbuch. Der Verwalter muss nun darauf achten, dass das Dokument praxisgerecht nach Vorgabe der MA37 gegliedert ist. Die Stadt Wien gibt hier gewisse Struktur-Empfehlungen vor:
- Allgemeines
- Stammdatenblatt
- Unterlagen
- Einreichungen
- Bescheide
- Ausführungspläne
- Fertigstellung (alt: Benützungsbewilligung)
- Bauwerksbeschreibung
- Konstruktionsbeschreibung
- Identifikation der zu prüfenden Bauteile
- Durchgeführte Instandhaltungsmaßnahmen
- Durchgeführte Instandsetzungsmaßnahmen
- Sonstige durchgeführte Maßnahmen
- Überprüfungen
- Festlegung der Prüfintervalle
- Festlegung der Qualifikation der prüfenden Personen
- Erstprüfung – Festlegung der Prüftiefe
- Folgeprüfungen – Festlegung der Prüftiefe
- Ergebnisse
- Ergebnis der Erstprüfung
- Maßnahmen- und Zeitplan aus der Erstprüfung
- Ergebnis der Folgeprüfungen
- Maßnahmen- und Zeitplan aus Folgeprüfungen
- Sobald das Bauwerksbuch fertiggestellt und vom Sachverständigen digital signiert wurde, erhält die Hausverwaltung typischerweise eine elektronische Kopie (PDF). Dieses Dokument sollte intern sorgfältig abgespeichert und gesichert werden, da es fortan die Grundlage für alle weiteren Wartungs- und Prüfroutinen bildet.
- 3.3 Registrierung bei der Behörde: Abschließend muss das neue Bauwerksbuch der Behörde gemeldet (registriert) werden. Wien richtete dafür eine eigene Online-Plattform (Bauwerksbuch-Datenbank) ein. Die Registrierung kann vom Ersteller, Eigentümer oder stellvertretend von der Hausverwaltung vorgenommen werden. Über die Plattform „Amtshelfer Bauwerksbuch-Registrierung“ werden einige Basisdaten eingegeben (Objektdaten, Ersteller, Datum der Fertigstellung des Bauwerksbuchs etc.) und zwei Dokumente hochgeladen: zum einen die Bestätigung über die Erstellung des Bauwerksbuchs, zum anderen – bei Altbauten – die Bestätigung der erfolgten Erstprüfung, jeweils unterzeichnet vom befugten Sachverständigen. Wichtig: Das Bauwerksbuch selbst wird nicht hochgeladen, sondern verbleibt beim Eigentümer/Verwalter. Nach erfolgreicher Online-Registrierung erhält man eine Bestätigung der Behörde. Damit ist die erste Etappe abgeschlossen: Das Gebäude ist nun ordnungsgemäß registriert und verfügt über ein gültiges Bauwerksbuch.
Praxis-Tipp: Hausverwalter sollten diese Schritte möglichst projektmäßig organisieren – besonders, wenn sie für mehrere Gebäude gleichzeitig Bauwerksbücher erstellen lassen. Es ist sinnvoll, frühzeitig Kontakte zu geeigneten Ziviltechnikern/Bauexperten zu knüpfen und eventuell Rahmenvereinbarungen zu treffen, da die Nachfrage nach diesen Dienstleistungen bis 2027 stark ansteigen wird.
- 4. Laufende Pflichten für Hausverwalter
Mit der einmaligen Erstellung ist es nicht getan. Das Bauwerksbuch entfaltet seine Wirkung erst durch sein Bestehen in der laufenden Führung. Hier kommt der Hausverwaltung eine entscheidende Rolle zu, da nicht der Eigentümer, sondern die bestellte Hausverwaltung für die elektronische Führung verantwortlich ist. Welche kontinuierlichen Pflichten ergeben sich daraus in der Praxis?
- Regelmäßige Überprüfungen organisieren: Alle im Bauwerksbuch festgelegten Prüfintervalle müssen strikt eingehalten werden. Die Hausverwaltung muss also dafür sorgen, dass Folgeinspektionen rechtzeitig vor Ablauf der Fristen durchgeführt werden. Die Intervalle unterscheiden sich je nach Bauteil und festgestelltem Risiko. Beispielsweise könnten einfache Sichtkontrollen (etwa des Allgemeinzustands der Fassade) jährlich im Zuge der B1300 Begehung stattfinden, während aufwändigere Prüfungen (etwa am Dachstuhl) in mehrjährigen Abständen durch Fachleute erfolgen. Diese Planungen wurden vom Sachverständigen im Bauwerksbuch vorgegeben; der Verwalter sollte sie in den elektronischen Terminkalender oder dem digitalen Fristenbuch übernehmen. Bei Bedarf müssen rechtzeitig neue Sachverständige oder Fachfirmen beauftragt werden. Tipp: Viele Verwaltungen richten sich automatische Erinnerungen ein oder nutzen Software, um keine Prüftermine zu versäumen. Ein Fristenmanagement ist unerlässlich, denn die Baupolizei darf die Einhaltung kontrollieren – etwa kann sie Nachweise der zweiten Überprüfung nach der Erstprüfung verlangen – und bei Versäumnissen einschreiten. Achtung: Gestraft wird die zuständige Hausverwaltung!
- Dokumentation und Aktualisierung: Bei einem bestehenden Bauwerksbuch herrscht elektronische Dokumentationspflicht. Nach jeder durchgeführten Überprüfung, Instandhaltung, Begutachtung etc. sind die Ergebnisse im Bauwerksbuch zu dokumentieren. Praktisch bedeutet das, dass die Hausverwaltung Prüfberichte, Befunde und durchgeführte Instandhaltungen, die nicht nur der Sachverständige liefert, dem Bauwerksbuch hinzufügt (meist in digitaler Form als Anhang oder Eintrag in einer Datenbank). Neu festgestellte Mängel sind in das laufende Mängelverzeichnis zu übernehmen, ebenso der Status ihrer Behebung. Wenn etwa bei einer Kontrolle Risse in der Fassade oder Korrosion an Geländern festgestellt werden, müssen diese Punkte eingetragen und als offen markiert werden, bis die Reparatur erfolgt ist.
- Maßnahmenplan verfolgen: Die Verwaltung hat dafür zu sorgen, dass empfohlene Instandsetzungsmaßnahmen zeitnah umgesetzt werden; sei es durch Beauftragung von Handwerkern oder durch Einholung von Angeboten zur Sanierung. Sobald ein Mangel behoben ist, wird dies wiederum im Bauwerksbuch vermerkt (idealerweise mit Datum und Bestätigung der ausführenden Firma). Das Bauwerksbuch ist damit ein lebendes Dokument, das den Zustand des Gebäudes fortschreibend abbildet. Jede Änderung am Bauwerk, die die strukturelle Sicherheit betrifft (z. B. Austausch eines Tragwerksteils, größere Sanierungen), ist ebenfalls einzutragen, damit der Inhalt stets aktuell bleibt. Da jedoch nicht alle Informationen an die zuständige Hausverwaltung herangetragen werden, ist der regelmäßige Weg zum Planarchiv programmiert, um allfällige Einreichungen, Bescheide oder Fertigstellungsanzeigen im Bauwerksbuch nachzutragen.

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- Elektronische Führung und Aufbewahrung: Die Wiener Bauordnung schreibt vor, dass das Bauwerksbuch in elektronischer Form geführt werden muss. Für Hausverwalter bedeutet dies, dass das Bauwerksbuch zum täglichen Begleiter jeglicher Instandhaltungsmaßnahe wird. Auch müssen eingehende Prüfberichte unverzüglich eingearbeitet werden, um keinen Aktualisierungsstau entstehen zu lassen. Es ist somit für Hausverwaltungen unerlässlich, spätestens jetzt in eine Art Ticketsystem, das eine gewisse automatische Nachvollziehbarkeit der Mängel und deren Bearbeitung zulässt, zu investieren. Hierfür hat sich die MA37 eine Empfehlung überlegt und eine entsprechende Übersicht, welche in den 18-seitigen Erläuterungen zum Bauwerkbuch gemäß der Bauordnung Wien, vom 26. Juni 2024 nachzulesen ist, entworfen. Selbstverständlich darf zur leichteren Suche des oben zitierten Mangelticket ein Betreff nicht fehlen.
- Behördenkontrolle ermöglichen: Die Hausverwaltung muss das Bauwerksbuch jederzeit bereithalten, um es auf Verlangen der Baubehörde vorzuzeigen. In der Praxis könnte dies etwa im Zuge einer stichprobenartigen Kontrolle durch die Baupolizei geschehen oder wenn es einen konkreten Anlass (etwa einen gemeldeten Bauschaden) gibt. Dann ist es erforderlich, der Behörde Einsicht zu gewähren. Diese Einsicht hat elektronisch zu erfolgen – z. B. durch Übermittlung des PDF-Dokuments per E-Mail oder Upload auf ein Behördenportal. Eine proaktive regelmäßige Übermittlung ist hingegen nicht vorgesehen. Die Verwaltung sollte also im Ernstfall kurzfristig reagieren können und eine entsprechende Exportroutine hinterlegen. Es empfiehlt sich, vor einer behördlichen Überprüfung intern zu prüfen, ob alle Einträge vollständig und verständlich sind. Fehlende Nachträge sollten spätestens dann nachgeholt und aktualisiert werden. Auch Eigentümer haben natürlich ein Anrecht darauf, das Bauwerksbuch einzusehen; gerade im Wohnungseigentum könnte die Eigentümergemeinschaft von der Hausverwaltung regelmäßig einen Bericht zum Bauwerksbuch-Status verlangen.
Es entstehen für Hausverwalter somit aus dem Bauwerksbuch kontinuierliche Aufgaben: Terminkoordination für Inspektionen, Nachhalten von Mängelbehebungen, laufende Datenpflege, Dokumentation und Kommunikation mit Eigentümern und Behörde. Dies erfordert ein hohes Maß an organisatorischer Sorgfalt; ähnlich wie bereits bekannte Pflichten (z.B. Wartung von Aufzügen oder Feuerlöschern), jedoch meist umfassender und individueller je Gebäude.
- Aufwand für Hausverwalter – Arbeits- und Kostenaspekte
Die Einführung des Bauwerksbuchs bringt für Hausverwaltungen spürbaren Mehraufwand mit sich – sowohl einmalig bei der Erstellung als auch laufend in der Betreuung. Objektiv betrachtet ergeben sich zusätzliche Arbeitsstunden und auch finanzielle Belastungen, die nicht unterschätzt werden sollten.
Einmaliger Aufwand (Initialphase): Die Erstellung eines Bauwerksbuchs ist ein Projekt für sich. Von der Beschaffung alter Pläne über die Begleitung der Erstbegehung bis hin zur Abstimmung mit dem Sachverständigen fallen zahlreiche Tätigkeiten an, die bisher nicht zum Alltagsgeschäft gehörten. Je nach Größe und Komplexität des Gebäudes kann die Bearbeitung viele Personentage in Anspruch nehmen – insbesondere, wenn Unterlagen fehlen oder umfangreiche Mängelprotokolle erstellt werden müssen. Hinzu kommen interne Kosten der Hausverwaltung durch den Zeitaufwand der Mitarbeiter. Die Hausverwaltung muss in dieser Phase den Experten viel zu- und aufarbeiten. Auch Software bzw. IT wird notwendig sein, um den Dokumentationswahn bewerkstelligen zu können. Ein positiver Aspekt: Die einmal erfassten Bestandsdaten eines Gebäudes (Pläne, Bewilligungen etc.) können der Verwaltung auch für andere Zwecke nützen (z. B. für Sanierungs- und Budgetplanung). Hier entsteht also eine gewisse Datenbasis, die über das Bauwerksbuch hinaus wertvoll ist.
Laufender Aufwand: Ist das Bauwerksbuch erst mal etabliert, entstehen weitere Kosten und Aufwendungen für die wiederkehrenden Überprüfungen. Gebäude mit Bauwerksbüchern besitzen nun auch eine Dokumentationspflicht bei Instandhaltungsmaßnahmen, welchen den Aufwand dieser noch mehr in die Höhe treibt. Diese ähneln in der Natur den bisherigen periodischen Wartungen (B1300 Begehungen, fünfjährliche Blitzschutzprüfung etc.), sind aber umfangreicher und detaillierter zu dokumentieren, da z.B. in der B1300 mehrere Mängel vorkommen können. Alle paar Jahre muss ein Sachverständiger erneut beauftragt werden, der etwa die Fassade und das Dach begutachtet.
Administrativer Mehraufwand: Unabhängig von den direkten Kosten ist klar, dass das Bauwerksbuch die administrative Last für Hausverwalter erhöht. Zusätzliche Dokumentationspflichten nach gesetzlicher Formvorgabe und umfangreiche Prüfprotokolle müssen bewältigt werden. Für Hausverwaltungen bedeutet dies intern oft eine Umorganisation: Bestehende Arbeitsabläufe müssen angepasst werden (Integration der Bauwerksbuch-Daten in die Hausverwaltungssoftware oder Einführung einer gänzlich neuen/zusätzlichen Software, Einführung eines Ticket-Systems, Anlage eines Fristenbuches, Mitarbeiter müssen darauf geschult werden etc.). All dies kostet Zeit und Geld.
In Summe entsteht also ein zusätzlicher Verwaltungs- und Kostenaufwand, der aufmerksam kalkuliert werden muss.
- Rechtliche Haftung: Konsequenzen bei Nichteinhaltung
Die Pflichten rund um das Bauwerksbuch sind gesetzlich verbindlich. Werden sie missachtet, drohen rechtliche Konsequenzen – sowohl verwaltungsrechtlicher als auch zivilrechtlicher Natur.
Zunächst handelt es sich bei Verstößen (z. B. wenn gar kein Bauwerksbuch angelegt wird, es nicht fristgerecht registriert ist oder vorgeschriebene Kontrollen unterbleiben) um Verwaltungsübertretungen nach der Bauordnung. Die Baupolizei (Magistrat 37) ist befugt, dies zu ahnden. In der Praxis kann dies bedeuten, dass die Behörde dem säumigen Eigentümer mittels Bescheids eine Frist zur Erfüllung vorgibt und gegebenenfalls ein Zwangsstrafgeld verhängt, um den rechtmäßigen Zustand herzustellen. Für Hausverwalter wichtig zu wissen: Adressat der behördlichen Anordnungen ist formal der Eigentümer als Verpflichteter. Dennoch kann die Behörde Auskünfte und Vorlage des Bauwerksbuchs direkt von der Hausverwaltung verlangen, wenn dieses nicht zur Einsicht vorgelegt werden kann, werden auch gegen die Hausverwaltung Strafen verhängt.
Noch gravierender können die zivilrechtlichen Haftungsfolgen sein. Vernachlässigt eine Verwaltung die vorgeschriebenen Kontrollen und es kommt dadurch zu einem Schaden, können Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden. Beispiel: Wenn ein Baumangel (etwa lose Fassadenteile) nicht behoben wurde und sich löst, wodurch Personen- oder Sachschaden entsteht, haften die Eigentümer für die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Hat die Hausverwaltung die Prüf- und Dokumentationspflicht unterlassen, kann sie vom Eigentümer in Regress genommen werden. Im Worst Case drohen sogar strafrechtliche Konsequenzen. Zwar ist dies ein Extremfall, doch allein das Risiko sollte Verwaltungen dazu motivieren, die Bauwerksbuch-Vorgaben sehr ernst zu nehmen.

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Ein weiterer Aspekt ist die Versicherung: Gebäudehaftpflicht- und Sachversicherungen könnten im Schadensfall prüfen, ob der Eigentümer/Verwalter seinen Obliegenheiten (wie dem Bauwerksbuch) nachgekommen ist. Bei grober Pflichtverletzung besteht die Gefahr, dass der Versicherer Leistungen kürzt oder Rückgriff verlangt. Auch hier steht die Hausverwaltung in der Verantwortung, durch lückenlose Wartung die Deckung nicht zu gefährden.
Auf den Punkt gebracht: Die Einführung des Bauwerksbuchs verschärft die Rechenschaftspflicht der Eigentümer und damit direkt auch der Hausverwalter. Ignorieren ist keine Option; zu hoch wären die potenziellen Strafen und Haftungsrisiken. Im Gegenteil: Die Verwaltung sollte dokumentieren können, dass sie alle vorgeschriebenen Maßnahmen fristgerecht setzt. Damit schützt sie nicht nur die Bewohner und Dritte, sondern vor allem sich selbst vor rechtlichen Problemen.
- Fazit und Handlungsempfehlungen für die Praxis
Das Wiener Bauwerksbuch stellt Hausverwaltungen vor Herausforderungen, bietet aber auch die Chance, die Gebäudebetreuung proaktiver und sicherheitsorientierter zu gestalten. Abschließend einige praxisorientierte Empfehlungen, wie Verwaltungen mit den neuen Anforderungen umgehen können:
- Frühzeitige Planung: Warten Sie nicht bis knapp vor den gesetzlichen Fristen. Beginnen Sie jetzt mit der Identifikation der betroffenen Objekte und erstellen Sie einen Maßnahmenplan. So vermeiden Sie Engpässe – sowohl intern als auch bei externen Sachverständigen –, wenn sich die Aufträge häufen. Die Stadt Wien (bzw. die Baubehörde) appelliert ausdrücklich, die Arbeiten zeitlich zu strecken.
- Eigentümer einbinden: Informieren Sie Ihre Auftraggeber (Eigentümergemeinschaften, Zinshauseigentümer) früh über die neuen Pflichten. Klären Sie über Sinn und Zweck auf und schaffen Sie Verständnis dafür, dass hier Aufwand und Kosten entstehen, die letztlich der Gebäudesicherheit dienen. Eine transparente Kommunikation – etwa via Rundschreiben oder in Eigentümerversammlungen – erleichtert die Zusammenarbeit.
- Expertennetzwerk nutzen: Bauen Sie einen Pool an befugten Fachleuten auf, mit denen Sie gut zusammenarbeiten können (Architekten, Bauingenieure, Sachverständige). Aufgrund der großen Zahl an benötigten Bauwerksbüchern bis 2030 kann es zu Kapazitätsengpässen kommen. Wenn Sie verlässliche Partner haben, können Sie effizienter agieren. Eventuell lassen sich für mehrere Objekte Rahmenverträge oder günstigere Paketpreise vereinbaren. Auch interne Schulungen (z. B. im Zuge von Branchenveranstaltungen der WKO oder ÖVI) helfen, Know-how aufzubauen.
- Digitale Tools einsetzen: Nutzen Sie Software-Lösungen, um die Fristen und Prüfberichte je Gebäude zu verwalten. Einige Anbieter entwickeln bereits spezielle Module für Hausverwaltungsprogramme, die an ONORM B1300 angelehnt sind und nun für das Wiener Bauwerksbuch adaptiert werden. Digitale Tools können Erinnerungen automatisieren und erleichtern das Zusammenführen der vielen Informationen (Pläne, Fotos, Prüflisten). So behalten Sie auch bei großen Liegenschaftsportfolios den Überblick.
- Verwaltervertrag und Ressourcen anpassen: Prüfen Sie Ihre bestehenden Verwaltungsverträge dahingehend, ob die Führung eines Bauwerksbuchs bereits abgedeckt ist oder nicht. Falls nicht, sollte vertraglich geregelt werden, in welchem Umfang die Hausverwaltung diese Zusatzleistung erbringt und wie sie vergütet wird. Gegebenenfalls ist eine Anpassung der Pauschalgebühr oder die Vereinbarung von Sonderhonoraren sinnvoll, um den Mehraufwand zu decken. Intern müssen Sie zudem sicherstellen, dass genügend Personalressourcen vorhanden sind. Möglicherweise lohnt es sich, einen technischen Mitarbeiter einzustellen oder einen bestehenden Mitarbeiter speziell für Bauwerksbücher abzustellen.
Quellen und nützliche weiterführende Links
Stadt Wien – FAQ Bauwerksbuch 07.2024: https://www.wien.gv.at/wohnen/baupolizei/pdf/faq-bauwerksbuch.pdf
Stadt Wien – Baupolizei: Erläuterungen zum Bauwerksbuch gemäß Bauordnung für Wien, 26.06.2024: https://www.wko.at/wien/information-consulting/immobilien-vermoegenstreuhaender/bauwerksbuch-erlaeuterungen.pdf
Kammer der Ziviltechniker:innen I Architekt:innen und Ingenieur:innen: Bauwerksbuch – Erläuterungen, Muster: https://wien.arching.at/service/downloadcenter/bauwerksbuch_erlaeuterung_muster.html