Baustellen im Krisenmodus
Die Corona-bedingte Zwangspause auf den Baustellen des Landes war eine plötzliche Zäsur. Auf etlichen davon war nicht mehr gearbeitet worden und Bauträger hatten ihre liebe Not, weil sie nicht einzuschätzen wussten, wie lange das anhalten kann. Nachdem Mitte März sämtliche Baustellen der Strabag mit einem Schlag ausgesetzt waren und über Kündigungen vorgewarnt wurde, war ein Ruck der Verunsicherung durch die Bau- und Immobilienbranche gegangen. Alle großen Baufirmen des Landes folgten. Zehn Tage später konnte nach einer Sozialpartnervereinbarung die Arbeit wieder aufgenommen werden, wenn auch mitunter der Baustrom weiter fehlte oder ein Deponiezugang. Bauinnungsmeister Norbert Hartl atmete nach der Schockstarre auf: „Es ist ein kleiner Schritt zurück zur Normalität.“ Viele kleinere Baustellen wären ohnedies weiterbetrieben worden. Für größere hätte durch einen allzu langen Stillstand Mehrkosten gedroht. Hartl plädierte dafür, „dass sich Auftraggeber und Auftragnehmer in bewährter Weise partnerschaftlich zusammensetzen und gemeinsam Lösungen erarbeiten.“
Dominoeffekte einer „kurzen Pause“
Bei der NOE Immobilien Development GmbH (NID), die in Niederösterreich und Wien tätig ist, gibt es bei der Hälfte der Baustellen nun Verzug. Auch wenn noch Mitarbeiter auf den Baustellen fehlen, ist man zuversichtlich einigermaßen im Plan zu bleiben. Sieben Projekte die in Vorbereitung sind, werden allerdings langsam drängend. Eine für April bereits fixierte Bauverhandlung in Wien 23 wurde aus nämlichem Grund behördlich storniert. „Geplant war der Baubeginn nach dem Sommer und die Liegenschaftsverwertung war auf Rampe“, meint Geschäftsführer Michael Neubauer mit wachsender Besorgnis. Immerhin seien auch Ankaufsfinanzierungen abgeschlossen worden. Die Vorverwertung müsse daher parallel beginnen um die Projektsicherheit zu gewähren, was ohne Baubescheid nicht gut möglich wäre. Die Consulting Company, die in Oberösterreich und Wien aktiv ist, hatte in der Ausnahmesituation zwei Projekte in die Bauphase zu schicken. Die Baustellenlogistik ohne Verkehrsverhandlung vor Ort war hier Thema. Ad hoc waren auch Planänderung Richtung Fertigteile als Maßnahme gesetzt worden. Telefonisch seien die Behörden erreichbar geblieben. Eine im März angesetzte Spatenstichfeier war zwar ausgefallen, nicht jedoch ein geplanter Baubeginn. „Auf die Bauvorbereitung wurde nun besonderes Augenmerk gelegt und Festlegungen wurden von Anfang an genauer getroffen,“ sagt Florian Kammerstätter, Mitglied der Geschäftsführung, und verweist auf die exakte Gestaltung von Werkverträgen und den gesetzlichen Rahmen.
Behördenverfahren abgesagt
Die DEBA Wohnbau GmbH hat zwei Projekte deren Baubeginn nach dem Winter anstehen. Eine Verzögerung von vier bis sechs Wochen bei zumindest einem der Projekte wird erwartet. Die Bearbeitung einer beantragten Lagerung von Baustoffen im Verkehrsraum hatte auch hier für Ungewissheit gesorgt. „Derartige Bewilligungen sind derzeit ein Hemmschuh, da ohne Bescheid auch der Baubeginn fraglich ist“, sagt Geschäftsführer Günther Schleifer. Auch nach Wiederaufnahme der behördlichen Tätigkeiten wäre von Verzögerungen durch einen Bearbeitungsrückstau auszugehen. Ein Monat nach dem Einsetzen von Corona-Maßnahmen, waren die Behörden in Wien für derartige Probleme alternativlos. Das Vorgehen wurde daher der Situation angepasst. Container die im öffentlichen Raum nun nicht aufgestellt werden können, werden vorerst auf der Liegenschaft untergebracht. Die Aushubarbeiten würden auch ganz ohne Baubüro begonnen. „Die Baufirma versucht auf ihrer Seite abzufedern und wir tragen Sondermaßnahmen kostenseitig mit,“ sagt Schleifer. Trotz allem bleibt man bei der DEBA positiv und von neuerlichen Behinderungen will man lieber nicht ausgehen.
Mit allen Betroffenen in Kontakt
Von einem Monat Verzögerung rund geht man bei laufenden Projekten in der Immobiliengruppe Eyemaxx aus. Stephan Pasquali, Geschäftsführer der Projektentwicklung handelt proaktiv: „Man muss in dieser Situation das Gespräch suchen und versuchen selber alles unter Kontrolle zu halten.“ Alle inklusive der Behörden seien trotz allem gut erreichbar gewesen. Eine in- und eine ausländische Baustelle wären aus der Ferne zu betreuen gewesen. „Wir halten den Käufer des Objektes über die Baustelle am Laufenden, sodass er den Übergabetermin dahingehend planen kann“, meint Pasquali zu einem bereits weiter veräußerten Projekt in Wien, wo im Herbst die Wohnungen übergeben werden sollen. Verbindliche Aussagen zur Fertigstellung treffen will er dann, wenn eine gemeinsame Begehung der Baustelle wieder möglich ist, was für den Mai absehbar scheint. Lieferprobleme bei Rohbauelementen und die Grenzsperre für den Personenverkehr inklusive dem Wegfall von Subfirmen haben trotz baldiger Wiederaufnahme der Tätigkeiten Lücken auf den Baustellen des Landes hinterlassen. Unbearbeitete Planänderungen sowie Fertigstellungsanzeigen kommen hinzu. Terminliche Verwerfungen werden bei der späteren Wohnungs- oder Objektübergabe in der Branche daher als problematisch angesehen. Die Gründe für Verzögerungen seien in der Baupraxis im Nachhinein schwer zuordenbar. Anfang April macht die neu gegründete Vereinigung österreichischer Projektentwickler (VÖPE) auf den Mangel aufmerksam, zu einer Zeit als sowieso das ganz zivile Leben gerade stillsteht. VÖPE-Präsident Erwin Soravia klagt trotzdem: „Es gibt einen Stillstand der normalen Genehmigungsverfahren.“ Gefordert wird die automatische Verlängerung von Baubewilligungen und Fertigstellungsfristen sowie Umlaufbeschlüsse auf elektronischem Weg. Der stellvertretende Landeshauptmann und Wohnbaureferent von Oberösterreich, Manfred Haimbuchner greift den Faden auf: “Die Bundesregierung muss hier dringend nachbessern, damit die Durchführung von Bauverhandlungen irgendwie ermöglicht wird.“ In Wien kündigt die Baupolizei die Wiederaufnahme der Tätigkeiten mittlerweile an und bittet um Voranmeldung für eine Einzelterminvergabe und um Verständnis für die Sondermaßnahme.
Was noch alles kommt
Für Neufinanzierungen, so die Rückmeldung, wären mit einem Schlag doppelte Sicherheiten gefragt und private Zwischenfinanzierer fühlen sich angesichts dessen bereits auf den Plan gerufen. „Wir rechnen mit einer größeren Anzahl von Finanzierungsanfragen durch Projektentwickler oder Bestandshalter, ausgelöst durch die Verlangsamung der Kreditvergabeprozesse und Ressourcenengpässe im Finanzsektor,“ sagt Jörg Scheidler, Mitglied des Vorstands der Engel & Völkers Capital AG und verweist auf ein Netzwerk an Kapitalgebern. Einen nach vorne gerichteten Blick durch die Krise für die Branche wagt Ernst Kovacs, krisenerprobter Projektentwickler und Geschäftsführer von KE Wohnimmobilien: „Die hohe Nachfrage von Investoren wird auch nach der Corona-Krise nicht nachlassen.“ Wie es mit der Endnachfrage weiter geht, steht allerdings auf einem anderen Blatt Papier und das muss erst noch beschrieben werden.