Zigarettenrauch als Nachbarschaftsstreit
Nicht jedes Ärgernis ist auch rechtswidrig: Wie sich die Beschwerde der Nachbarn in Rauch auflöste. Ein Immo-Update der Weinrauch Rechtsanwälte GmbH.
Zwei Hauseigentümer bewohnen ein Reihenhaus mit Balkon und Garten. Direkt angrenzend errichtete eine Immobilienfirma ein Mietshaus mit mehreren mittlerweile vermieteten Wohneinheiten. Immer wieder drang von dort Zigarettenrauch auf das Nachbargrundstück, etwa durch offene Fenster, vom Balkon oder aus dem Garten. Die Hauseigentümer fühlten sich davon erheblich gestört und forderten, dass das Rauchen zu bestimmten Tageszeiten unterlassen wird. Der Streit darüber gelangte schließlich bis an den Obersten Gerichtshof (OGH).
Der Rahmen der Rechtslage
Nicht körperliche Einwirkungen von Nachbar*innen wie Rauch, Lärm oder Gerüche sind nach § 364 Abs 2 ABGB dann unzulässig, wenn sie das ortsübliche Maß überschreiten und zugleich die Nutzung des eigenen Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Beide Voraussetzungen müssen gemeinsam vorliegen.
Der OGH stellte in seiner Entscheidung zu 6 Ob 155/24y klar, dass das Rauchen auf dem eigenen Balkon nicht automatisch als ortsunüblich oder unzumutbar einzustufen ist. Vielmehr ist stets im Einzelfall zu beurteilen, wie intensiv, wie lange und wie häufig die Beeinträchtigungen auftreten, und wie die Wohnungen zueinander liegen.
Ob eine Immission ortsunüblich ist, lässt sich dabei nicht allein anhand von Statistiken oder Einzelfallberichten beurteilen. Auch normative Überlegungen spielen eine Rolle – etwa, ob sich das Verhalten nach allgemeiner Lebenserfahrung in das Umfeld einer dicht bebauten Wohngegend einfügt. Tabakkonsum auf Balkonen oder bei offenen Fenstern ist gesellschaftlich nach wie vor verbreitet. Auch in städtischen Wohnanlagen ist davon auszugehen, dass im Inneren der Wohnung oder im Freien geraucht wird. Allein der Umstand, dass Geruch entsteht, reicht nach Ansicht des OGH jedenfalls nicht aus, um Ortsunüblichkeit anzunehmen. Entscheidend ist, ob sich die konkrete Geruchsentwicklung in Dauer, Intensität und Wirkung auf das Nachbargrundstück noch in einem vertretbaren, weil üblichen Rahmen hält.
Beurteilung des konkreten Falls
Bei der Frage, ob eine Beeinträchtigung unzumutbar ist, ist zusätzlich ein objektiver Maßstab anzulegen. Maßgeblich ist nicht das persönliche Empfinden der betroffenen Nachbar*innen, sondern das eines durchschnittlichen Menschen unter den konkreten örtlichen Gegebenheiten. Gleichzeitig ist der gebotene Interessenausgleich zwischen den Parteien zu berücksichtigen. Ein gewisses Maß an gegenseitiger Rücksichtnahme und Toleranz muss zumutbar sein und liegt im Rahmen des sozial Verträglichen. Nicht jede als unangenehm empfundene Einwirkung ist rechtlich unzulässig.
Im konkreten Fall ergab sich, dass die Rauchimmissionen durchschnittlich weniger als 15 Minuten pro Tag dauerten. Die Intensität schwankte, die Gerüche waren nicht durchgehend wahrnehmbar und traten wetterabhängig auf. Das reichte nach Ansicht des OGH nicht aus, um ein gesetzliches Verbot zu begründen. Gerade unregelmäßig wiederkehrende oder spontan auftretende Geruchseinwirkungen wie sporadischer Zigarettenrauch rechtfertigen keinen Unterlassungsanspruch, solange deren Dauer und Intensität gering bleiben.
Ein generelles Rauchverbot oder bloß die Festlegung von „rauchfreien Zeiten“ kam hier somit nicht in Betracht, da keine objektiv unzumutbare Störung vorlag. Dabei wich der OGH ausdrücklich von der strengeren Linie des deutschen Bundesgerichtshofs ab, die bereits eine Zigarette als potenziell unzumutbare Belästigung ansieht.
Wer in einer Wohngegend gelegentlich auf dem Balkon oder im Garten raucht, darf dies grundsätzlich tun, auch wenn der Rauch auf Nachbargrundstücke zieht. Ein Verbot ist nur dann möglich, wenn die Geruchseinwirkungen regelmäßig, intensiv und unzumutbar sind. Entscheidend ist nicht das persönliche Empfinden, sondern das eines durchschnittlichen Menschen unter den jeweiligen Umständen. Mit dieser Entscheidung betont der OGH wiederholt den Grundsatz, dass gewisse Beeinträchtigungen im nachbarschaftlichen Zusammenleben hinzunehmen sind.



