Das Bestellerprinzip im Detail

Immobilienvermarktung
08.04.2023

Von: Redaktion OIZ
Der neue § 17a MaklerG verankert das Erstauftraggeberprinzip für die Vermittlung von Wohnungsmietverträgen. Christoph Kotbhauer, Konsulent für Wohn- und Immobilienrecht, analysiert.

Übersiedlungssituation
Am 22. März 2023 wurde das Bundesgesetzblatt mit der Nummer 24/2023, das den Kurztitel „Makler-Änderungsgesetz“ (MaklerG-ÄG) trägt, veröffentlicht.

Vermieter als Erstauftraggeber

Wenn ein Vermieter oder ein von diesem dazu Berechtigter im eigenen Namenals erster Auftraggeber einen Immobilienmakler mit der Vermittlung eines Wohnungsmietvertrags beauftragt hat, wird der Immobilienmakler ab 1. Juli 2023 nur mit dem Vermieter beziehungsweise dem von diesem Berechtigten eine Provision vereinbaren können (§ 17a Abs 1 MaklerG).

Christoph Kothbauer, Konsulent für Wohn- und Immobilienrecht, bringt es auf den Punkt: „Eine Provisionsvereinbarung mit dem Mieter soll in einem solchen Fall also jedenfalls ausgeschlossen sein.“

Mieter als erster Auftraggeber

Mit einem Wohnungssuchenden wird ab 1. Juli 2023 ein Makler nur dann eine Provision vereinbaren können, wenn ihn dieser als erster Auftraggeber mit der Vermittlung eines Wohnungsmietvertrags beauftragt hat (§ 17a Abs 2 MaklerG).

„In einem solchen Fall wird der Makler als Doppelmakler auch mit dem Vermieter eine Provision vereinbaren dürfen“, erläutert Kothbauer.

Ausnahmen

Aber auch mit dem Wohnungssuchenden als erstem Auftraggeber wird der Makler ab 1. Juli 2023 keine Provision vereinbaren können (§ 17a Abs 3 MaklerG). Dies betrifft drei Punkte:

Erstens, wenn der Vermieter oder der Verwalter am Unternehmen des Immobilienmaklers oder an einem mit diesem verbundenen Unternehmen (§ 189a Z 8 UGB) unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist oder selbst, durch Organwalter oder durch andere maßgebliche Personen Einfluss auf dieses Unternehmen ausüben kann. Dasselbe gilt auch im umgekehrten Fall, in dem der Immobilienmakler am Unternehmen des Vermieters oder Verwalters oder an einem mit diesem verbundenen Unternehmen unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist oder selbst, durch Organwalter oder durch andere maßgebliche Personen Einfluss auf dieses Unternehmen ausüben kann (Z 1).

Oder zweitens, wenn der Vermieter oder der Verwalter – jeweils inklusive Organwalter und andere maßgebliche Personen – vom Abschluss eines Maklervertrags abgesehen hat, damit der Wohnungssuchende als Erstauftraggeber provisionspflichtig wird (Z 2).

Oder drittens, wenn der Immobilienmakler eine zu vermietende Wohnung mit Einverständnis des Vermieters inseriert oder zumindest für einen eingeschränkten Interessentenkreis – etwa durch Newsletter, E-Mails etc. – auf andere Weise bewirbt (Z 3).

Kothbauer dazu: „§ 17a Abs 3 MaklerG soll einer Umgehung des Erstauftraggeberprinzips entgegenwirken.“

Dokumentationspflicht des Maklers

Der Immobilienmakler wird ab 1. Juli 2023 jeden Maklervertrag über die Vermittlung eines Wohnungsmietvertrags unter Beifügung des Datums schriftlich oder auf einem anderen dauerhaften Datenträger festhalten müssen. Bei Geltendmachung eines Provisionsanspruchs wird er dem Wohnungssuchenden darzulegen haben, dass keine Erstbeauftragung durch den Vermieter (§ 17a Abs 1 MaklerG) und auch keine Ausnahme von der Provisionspflicht des Wohnungssuchenden als Erstauftraggeber (§ 17a Abs 3 MaklerG) vorliegt (§ 17a Abs 4 MaklerG).

„Diese Dokumentationspflicht ändert nichts daran, dass es für Maklerverträge grundsätzlich (von Fällen des § 31 KSchG abgesehen) keine Formvorschriften gibt und sie daher auch mündlich oder konkludent zustande kommen können“, führt Experte Kothbauer aus.

Mann in weißem Hemd
Christoph Kothbauer, Konsulent für Wohn- und Immobilienrecht: „So sind etwa auch Freizeitwohnungen und Luxusobjekte vom Erstauftraggeberprinzip erfasst, obwohl hier ganz ohne Zweifel von keiner besonders zu berücksichtigenden Schutzwürdigkeit der Wohnungssuchenden ausgegangen werden kann.“

Unwirksame Vereinbarungen

Eine Vereinbarung wird ab 1. Juli 2023 unwirksam sein (§ 17a Abs 5 MaklerG), soweit sie entweder den Wohnungssuchenden zu einer sonstigen Leistung im Zusammenhang mit der Vermittlung oder dem Abschluss eines Wohnungsmietvertrags an den nicht provisionsberechtigten Immobilienmakler oder an den Vermieter verpflichtet (Z 1). Oder den Wohnungssuchenden zu einer sonstigen Leistung im Zusammenhang mit der Vermittlung oder dem Abschluss eines Wohnungsmietvertrags ohne gleichwertige Gegenleistung an den früheren Mieter oder an einen sonstigen Dritten verpflichtet (Z 2).

An dieser Stelle merkt der Wohn- und Immobilienrechtsexperte Kothbauer an: „Mit § 17a Abs 5 MaklerG soll verhindert werden, dass der Entfall der Provisionspflicht des Wohnungssuchenden durch ihm vertraglich aufgebürdete Leistungspflichten – etwa in Gestalt von „Nebenkosten“ – kompensiert wird. Insbesondere soll der Vermieter seine Provisionsbelastung nicht auf den Wohnungssuchenden überwälzen dürfen. Außerhalb des mietrechtlichen Preisschutzes wird freilich nicht verhindert werden können, dass der Vermieter seine Vermittlungskosten in den nicht preisgeschützten und daher ‚freien‘ Mietzins hineinkalkuliert, was demnach zu einer Verteuerung der Mietzinse führen wird.“

In der Vollanwendung des MRG wird die Schutzbestimmung des § 27 MRG unberührt bleiben.

„Dies bedeutet, dass in der Vollanwendung des MRG für das Begehren der Rückzahlung verbotener Leistungen nach § 17a MaklerG das mietrechtliche Außerstreitverfahren zur Verfügung steht (§ 37 Abs 1 Z 14 MRG), und die Verjährungsfrist für die Rückforderung zehn Jahre beträgt (§ 27 Abs 3 MRG)“, weiß Kothbauer.

Verwaltungsstrafbestimmungen

Sofern die Tat nicht bereits von § 27 Abs 5 MRG erfasst ist, wird ab 1. Juli 2023 eine Verwaltungsübertretung vorliegen (§ 17a Abs 7 MaklerG), wenn erstens der Immobilienmakler oder ein für ihn handelnder Vertreter entgegen § 17a Abs 1, Abs 3 oder Abs 5 MaklerG eine Provision oder sonstige Leistung vereinbart, fordert oder entgegennimmt (Z 1). Oder zweitens, wenn der Vermieter oder ein für ihn handelnder Vertreter, ein früherer Mieter oder ein sonstiger Dritter entgegen § 17a Abs 5 MaklerG Leistungen vereinbart, fordert oder entgegennimmt (Z 2). Oder schließlich drittens, wenn es der Immobilienmakler entgegen § 17a Abs 4 MaklerG unterlässt, einen Maklervertrag schriftlich oder auf einem anderen dauerhaften Datenträger festzuhalten (Z 3).

Die betreffende Person soll in den Fällen der Z 1 und Z 2 mit einer Geldstrafe bis 3.600 Euro, im Fall der Z 3 mit einer solchen bis 1.500 Euro zu bestrafen sein.

Dazu Kothbauer: „Durch den Hinweis auf eine entsprechende Ausnahme („sofern […] nicht“) wird für den Vollanwendungsbereich des MRG der Vorrang der Verwaltungsstrafbestimmung des § 27 Abs 5 MRG gegenüber § 17a Abs 7 MaklerG unterstrichen.“

Geltung

Von der neuen Bestimmung des § 17a MaklerG wird grundsätzlich die Vermittlung von Mietverträgen über jede Art von Wohnung erfasst sein.

„Dabei ist der Begriff ‚Wohnung‘ im Sinne des § 1 MRG zu verstehen und umfasst daher jegliche Wohnraummiete – auch in Ein- und Zweifamilienhäusern, Reihenhäusern etc.,“ spezifiziert Kothbauer.

Der neue § 17a MaklerG soll für alle Wohnungsmietverträge gelten, unabhängig davon, ob das Mietverhältnis zur Gänze, teilweise oder überhaupt nicht den Schutzbestimmungen des MRG unterliegt. Es ist auch unmaßgeblich, ob für das Mietverhältnis das KSchG zur Anwendung gelangt oder nicht.

Umzugskartons in Wohnung
Mieter werden ab dem 1. Juli 2023 für gewöhnlich Mietverträge unvertreten, unberaten und ohne haftungsrechtliche Absicherung abschließen.

Kothbauer gibt zu bedenken: „So sind etwa auch Freizeitwohnungen und Luxusobjekte vom Erstauftraggeberprinzip erfasst, obwohl hier ganz ohne Zweifel von keiner besonders zu berücksichtigenden Schutzwürdigkeit der Wohnungssuchenden ausgegangen werden kann. Damit ist zur fehlenden sozialen Treffsicherheit des MaklerG-ÄG schon alles gesagt. Für Geschäftsraummietverträge, für die Miete sogenannter neutraler Objekte (weder Wohn- noch Geschäftszweck) und für Pachtverträge wird § 17a MaklerG hingegen nicht gelten. Gemischt genutzte Objekte sind nach dem Überwiegen der Nutzung zu beurteilen.“

Die neuen Regeln werden aber nicht für die Vermittlung von Wohnungsmietverträgen gelten, die von Dienstgebern als Mieter geschlossen werden, um Dienstnehmern eine Dienst-, Natural- oder Werkswohnung (§ 1 Abs 2 Z 2 MRG) zur Verfügung zu stellen (§ 17a Abs 6 MaklerG).

Unabdingbarkeit und Inkrafttreten

Von § 17a MaklerG wird nicht zum Nachteil des Wohnungssuchenden abgegangen werden können (§ 18 MaklerG).

„Damit wird dem Schutzkonzept des Erstauftraggeberprinzips Rechnung getragen, das durch vertragliche Vereinbarung eben nicht ausgeschaltet werden soll“, präzisiert Christoph Kothbauer.

§ 17a MaklerG und § 18 MaklerG in der Fassung des MaklerG-ÄG werden am 1. Juli 2023 in Kraft treten und auf Verträge und Tathandlungen anzuwenden sein, die nach ihrem Inkrafttreten geschlossen oder gesetzt werden (§ 41 Abs 5 MaklerG).

Auswirkungen auf die Doppelmaklertätigkeit

Ist aufgrund der (typischen) Fallkonstellation, in welcher der Vermieter oder ein von diesem dazu Berechtigter als erster Auftraggeber einen Immobilienmakler mit der Vermittlung eines Wohnungsmietvertrags beauftragt hat, die Provisionspflicht des Wohnungssuchenden ausgeschlossen (§ 17a Abs 1 MaklerG), so wird dieser Umstand laut Kothbaur de facto das Ende jeglicher Doppelmaklertätigkeit bedeuten: Ein Makler, der vom Mieter keine Provision mehr fordern kann, wird wohl auch kaum bereit sein, mit diesem in ein  Vertragsverhältnis zu treten und damit gleichsam unentgeltlich die Risken einer vertraglichen Haftung (§ 3 Abs 4 MaklerG) wegen Verletzung vertraglicher Aufklärungspflichten (§ 3 Abs 3 MaklerG, § 30b KSchG) zu tragen.

Dies führt zum Ergebnis, dass Mieter ab 1. Juli 2023 für gewöhnlich Mietverträge unvertreten, unberaten und ohne haftungsrechtliche Absicherung abschließen werden. Die vermeintliche Kostenentlastung der Mieter ist also mit dem doch recht hohen Preis verbunden, dass der Mieter gegenüber dem Makler keinen Anspruch auf Information und Beratung mehr hat, zumal mangels Vertragsverhältnisses den Immobilienmakler gegenüber dem Mieter keine Interessenwahrungspflichten treffen. Will der Mieter ein solches ganz und gar nicht wünschenswertes Informationsdefizit vermeiden, müsste er anderweitig rechtliche Beratung in Anspruch nehmen und Informationen einholen. Der damit verbundene finanzielle Aufwand würde natürlich die mit § 17a MaklerG verbundene Entlastung gleich wieder zunichtemachen.

Veranstaltungen zum Bestellerprinzip am 3. Mai 2023

Die Fachgruppe Wien der Immobilien- und Vermögenstreuhänder lädt am 3. Mai 2023 um 9 Uhr gemeinsam mit dem Österreichischer Verband der Immobilienwirtschaft (ÖVI) zu einer Informationsveranstaltung zum Bestellerprinzip in die Grand Hall Erste Campus Wien. Dabei kommen Maklerrechtsexperten zu Wort: Carl Knittl erläutert das Erstauftraggeberprinzip in der Praxis. Im Anschluss geht Christoph Kothbauer auf Konsumentenschutz und Bestellerprinzip ein. Der letzte Programmpunkt vor dem Get-Together um 11 Uhr ist die Präsentation von neuen Maklerformularen durch Karin Sammer und Anton Holzapfel vom ÖVI. Anmeldung: https://wko.at/wien/immo

Am selben Tag, also am 3. Mai 2023, um 14 Uhr findet die Veranstaltung – organisiert vom Fachverband der Immobilien- und Vermögenstreuhänder – als Webinar statt: www.immowebinar.at