Aber bitte mit Photovoltaik & Co

Logistik
06.02.2023

Von: Redaktion OIZ
Logistikimmobilien erleben einen Boom, wobei die Nachhaltigkeit der Gebäude an Bedeutung gewinnt.

Logistikimmobilie mit PV auf dem Dach
Die Dächer von Logistikimmobilien eignen sich für solare Energiegewinnung zur Eigennutzung oder Einspeisung.

Die Kombination aus hoher Nachfrage und geringer Verfügbarkeit sowie steigenden Bau- und Finanzierungskosten führten 2022 auf dem heimischen Logistikimmobilienmarkt zu einem überdurchschnittlichen Mietwachstum von rund zwölf Prozent bei Neuvermietungen. Etwa 1,3 Millionen Quadratmeter sollen bis 2024 an den drei Hotspots Wien, Graz und Linz Abhilfe schaffen. „Zurzeit gehen wir davon aus, dass der Großteil dieser Flächen bereits vor deren Fertigstellung verwertet sein wird“, stellt Franz Kastner, Teamlead Industrial & Logistics bei CBRE Österreich, fest.

Zuletzt startete Garbe Industrial Real Estate an einigen Orten in der Alpenrepublik Projekte, wobei beim Spatenstich jeweils schon der Ankermieter präsentiert wurde. Bei einer Halle in der Vorarlberger Gemeinde Mäder, in der auch produziert wird, installierte Garbe auf dem Dach eine Photovoltaikanlage. Beheizt wird das Gebäude darunter mithilfe einer Wärmepumpe. „Das macht die Immobilie ein Stück weit unabhängig von fossilen Energieträgern“, betont Garbe-Geschäftsführer Jan Dietrich Hempel. Ein Grünraumkonzept gibt es ebenfalls – und das ist für die Assetklasse relativ neu. “In der Vergangenheit wurde das Thema Nachhaltigkeit bei Logistikimmobilien im Zusammenhang mit dem Wunsch nach günstigeren Mieten eher nachrangig behandelt”, kommentiert Stefan Wernhart, der bei EHL Büro & Logistik leitet. Bei der Errichtung der Objekte hätten bislang überwiegend die Funktionalität und Flächeneffizienz im Vordergrund gestanden, doch ein Sinneswandel sei zu beobachten. In Zeiten gestiegener Energiepreise werden Logistikimmobilien von Mietern, aber vor allem auch von Investoren in Hinblick auf Klimaneutralität neu bewertet.

Mann mit Brille im Anzug
Stefan Würrer, Geschäftsführer von Atmira Österreich: „Das Thema Bodenversiegelung ist nicht wegzudiskutieren. Die Lösung liegt hier für uns in der Höhenentwicklung.“

Dem Nachhaltigkeitsreport folgend

Um Investoren Zukunftssicherheit bieten zu können, schauen Fondsverwalter als Abnehmer für renditestarke Objekte inzwischen gezielt auf Nachhaltigkeitskriterien. Bei Catella zum Beispiel referenziert man auf ökologische Merkmale im Sinne des Artikel 8 EU-Offenlegungsverordnung. Dabei soll die Auswahl und Bewirtschaftung der Immobilien nach den beiden Zielen der CO2-Reduktion und Energiereduktion erfolgen. Für die Projektbeurteilung erarbeitete man intern einen Nachhaltigkeitsmonitor, der im weitesten Sinne die ESG-Kriterien als Vorlage hat. Zum Beispiel wird auf Abwasserrecycling, Gebäudedämmung, Energieerzeugung abgestellt, wobei man den angelegten Maßstab mit über 180 Einzelkriterien nicht weiter kommuniziert.

Der EU-Offenlegungsverordnung Nummer 9 verpflichtet sieht man sich beim German Logistics Impact Fonds (GLIF) von Palmira Capital Partners. Der gesamte Errichtungs- und Betriebsprozess soll digitalisiert durch eine ESG-Software-Plattform transparent gehalten werden. Aus den gewonnenen Energiedaten erstellt Palmira demnach Berichte, welche den Dekarbonisierungsfortschritt nachvollziehbar darstellen. Zusätzlich, so die Ankündigung, wird die Umsetzung der Maßnahmen durch die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) zertifiziert. Dem nicht genug, soll der Fonds als Ganzes über ein Scoring-System bezüglich der nachhaltigen „Performance“ bewertet werden.

Was nachhaltig sein soll

Logistik-Immobilienfonds mit nachhaltigen Investmentkriterien gibt es mittlerweile flächendeckend, also in allen Regionen Europas. Beim Fonds Alquila Capital mit Investmentziel Südeuropa will man aktuell 1,5 Milliarden Euro unter dem Titel “Nachhaltige Logistik” veranlagen. Neun Megaprojekte befinden sich in Umsetzung, wobei die gigantische Dimension anscheinend mit Nachhaltigkeitsthemen in Deckung gebracht werden. Die optimale Anbindung an Verkehrsknotenpunkte soll hier wegen minimierter Kohlendioxidemissionen Nachhaltigkeitskriterien entsprechen. Diese doch mauen Argumente werden mit dem BREEAM-Zertifikat aufgefettet. Und die Installation von Photovoltaikmodulen auf den Dächern zwecks klimaneutraler Energiebereitstellung gehört natürlich dazu. Seitens der Geschäftsführung beim Investmenthaus Alquila Capital heißt es: „Wir beobachten ein zunehmendes Interesse institutioneller Investoren an nachhaltigen Immobilienanlagen bei Logistikzentren.”

Visualisierung eines Logistikobjekts
Das gemischt genutzte Logistikobjekt City Park Vienna will mit Nachhaltigkeit Mieter anziehen.

In einer Studie von Bulwiengesa in Kooperation mit Berlin Hyp wird offen über fehlende Standards bei „Green Investments“ im Zusammenhang mit der Logistikimmobilie nachgedacht: „Aufgrund der Vielzahl von europaweit nicht einheitlichen Energiezertifikaten sowie der Verifizierung der Energieangaben infolge der länderweise divergierenden Gesetzeslandschaften ist die Nachhaltigkeitsanalyse ein sehr komplexer Vorgang.“ Bei der Logistikimmobilie greift Berlin Hyp zwecks Abschätzung der Finanzierungstauglichkeit nach der EU-Taxonomieverordnung auf ein eigenes Energie-Analyse-Tool mit Ampelfarben mit zurück. Nachhaltigkeit ist anscheinend noch immer ein Schlagwort, unter dem vieles verstanden werden kann.

Problematisch scheint aus Betreibersicht irgendwann die gebrauchte Logistikimmobilie und ihr Nachführen auf ein zukunftsträchtiges Niveau. Marktanalysten warnen schon vor Schwächen in der Nachhaltigkeitsbewertung beim Bestand. Thomas Gernert vom Wärmepumpenhersteller Daikin sprach bei einem Expertentalk die Benchmark an: „Statt des offiziellen CO2-Tonnenpreises kann man auch den ‚Schattenpreis‘ als Maßstab anlegen“. Der würde den vollen gesellschaftlichen Schaden berücksichtigen und sei zweieinhalb Mal so hoch, womit eine Kalkulation wirklich solide wäre. Indes scheint sich die energieautarke Strategie in der Projektentwicklung mit dem Argument gestiegener Energiepreise durchzusetzen. Das neue „Cross Dock Upper Austria“ in Enns mit 11.000 Quadratmetern Solarkollektorfläche am Dach von der deutschen KanAm Grund Gruppe ist ein aktuelles Beispiel. Die Post mietete sich dort ein.

„Zertiverzierte“ Gebäude

Der CTPark Nord in St. Pölten ist ebenfalls ein neues Logistikprojekt, bei dem sich die erste von drei Hallen in der Vermarktung befindet und bei dem im Endausbau von 83.000 Quadratmetern Nutzfläche für Distribution, Leichtindustrie sowie produzierendes Gewerbe die Rede ist. Der Errichter, der niederländische Logistikkonzern CTP, ist nach eigenen Angaben der erste paneuropäische Anbieter von Logistikflächen, der kompromisslos jeden seiner 9,9 Millionen Quadratmeter Fläche top zertifizierte. Auch in Bruck an der Leitha hat man zwei neue Hallen in der Errichtung. PV-Module zieren alle neuen Hallen am Dach. Energiemonitoring und -anpassung in Echtzeit, Regenwasserspeicherung sowie zeitgemäße Isolation werden bei CTP reportet. Energieeinspeisung von Überschüssen in Netz sei eine Option.

Getrieben von international tätigen Entwicklern und Investoren tauchen in Österreich immer neue Hallen auf, wo gerade noch eine Wiese oder ein Feld war. Logistik auf umgewidmeten Flächen scheint sich zu lohnen. Aber wenn schon Nachhaltigkeit, dann müsste der Standort auch eine Rolle spielen. Ein Beispiel ganz ohne Inanspruchnahme von Neuflächen vermeldete zuletzt der Projektentwickler GoAsset mit seinem Verteilzentrum für Amazon in Wien Simmering. „Wir freuen uns, an BNP Paribas REIM ein modernes und nachhaltiges City-Logistik-Objekt mit optimaler Mieterbonität übergeben zu können“, verkündete GoAsset-Geschäftsführer Andreas Liebsch. Der deutsche Projektentwickler Atmira sucht derweil aktuell gezielt nach „Brownfield“-Standorten. Das Thema Bodenversiegelung ist nicht wegzudiskutieren. Die Lösung liegt für uns in der Höhenentwicklung", erläutert Atmira-Österreich-Geschäftsführer Stefan Würrer. Je nach Gebäudezweck könne man mehrstöckige Lösungen herstellen, was man sich aus Asien abgeschaut hätte.

Logistikgebäude bei Graz
28 Millionen Euro wurden von Gebrüder Weiss in diese Halle in Graz-Kalsdorf investiert. Wachstum soll jetzt mit Nachhaltigkeit zusammengehen.

Logistiker mit Handlungsbedarf

Bei der Entwicklung des „City Park Wien“ vom US-Fondsbetreiber Nuveen Real Estate handelt es sich wiederum um eine Neubebauung auf den Novartis-Gründen in Liesing. Auf ein Energiekonzept mit Erdwärme und Solarthermie wird verwiesen. Besonders Wert gelegt wurde zudem auf die projektierte Grünraumgestaltung, die eine Pflanzung mit tausend Bäumen sowie die Ausbildung von Gründächern beinhaltet. Ende des heurigen Jahres soll die Projektentwicklung abgeschlossen sein. Der heimische Logistiker Cargoe kündigte bereits die Verlegung seines Stammsitzes hierhin an. „Wir wollen ein Zeichen sowohl für unsere Mitarbeitenden als auch für die nachhaltige Entwicklung des Unternehmens setzen“, erklärte dessen Geschäftsführer Harald Jony.

DHL errichtete zuletzt in Linz-Hörsching ein größeres Verteilzentrum, und zwar ganz im Sinne der Nachhaltigkeitsstrategie des Konzerns, der bis 2030 Investitionen in der Höhe von sieben Milliarden Euro in „grüne Technologie“ vorhat. Die städtische Lieferflotte soll bis dahin zu 60 Prozent elektrisch betrieben werden und außerdem seien dann, wenn alles nach Plan läuft, sämtliche Gebäude voll klimaneutral. In Hörsching kann man einen Vorgeschmack darauf bekommen. „Wichtig war uns neben der Dimension der Photovoltaikanlage auf dem Dach, dass wir die Energiewerte in Echtzeit angezeigt bekommen“, erläutert Projektleiter Ken Straetman. Er verweist auf 334 Tonnen CO2-Einsparung und auf das Äquivalent von 1,6 Millionen Autokilometern. Angesichts des Ausgleichs, der hier mit solarer Energiegewinnung am Dach geschaffen werden kann, scheint eine solche für die Logistikbranche bald unverzichtbar.

Etwa die Hälfte des Energiebedarfs des 27.000 Quadratmeter großen neuen Logistikzentrums von Gebrüder Weiss in Graz-Kalsdorf kann man mit dem Stromertrag vom Dach decken. „Wir haben schon bei der Projektierung des neuen Logistikterminals energieeffiziente Konzepte mit eingeplant“, sagt Markus Nigsch, Head of Facility Management bei Gebrüder Weiss, die bereits auch eine Nachrüstoffensive beim Bestand starteten. An den firmeneigenen Standorten in Österreich, Deutschland und der Schweiz sind mittlerweile 21 PV-Anlagen in Betrieb, die in Summe jährlich 1.100 Tonnen CO2 einsparen. Was gut klingt, bedeutet allerdings, dass man im Unternehmen damit 90 Prozent des Weges bis zum selbst gesteckten Ziel der Klimaneutralität im Gebäudebetrieb noch vor sich hat.