Falsche Nutzwertgutachten haben teure Folgen

Parifizierung
27.11.2018

 
Bei der Parifizierung von Gebäuden ist vor allem Fachkompetenz gefragt.
Der OGH hat in einem Urteil festgestellt, dass eine persönliche Befundung bei Gutachten unabdingbar ist.
Der OGH hat in einem Urteil festgestellt, dass eine persönliche Befundung bei Gutachten unabdingbar ist.

Erbteilung, Verkauf von Wohnungen oder die richtige Zuordnung von Kostenanteilen - etwa bei Sanierungen oder der jährlichen Betriebskostenabrechnung - brauchen eine exakte Berechnungsbasis: die Nutzfläche oder den Nutzwert. Der Nutzwert wird von Sachverständigen festgestellt, im Nutzwertgutachten dokumentiert, in den Wohnungseigentumsvertrag übernommen, und dann im Grundbuch verbüchert. Ist das Nutzwertgutachten falsch, wird es teuer. In manchen Fällen kommt es sogar zur Auflösung der Wohnungseigentümergemeinschaft oder Rückabwicklung von Kaufverträgen. Geregelt ist das im Wohnungseigentumsgesetz (WEG 2002). Auf Antrag sind die Nutzwerte vom Gericht insbesondere dann abweichend vom Nutzwertgutachten festzusetzen, wenn das Gutachten gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertberechnung verstößt, oder bei einem Wohnungseigentumsobjekt um mehr als 3 Prozent von den tatsächlichen Gegebenheiten abweicht.

Die Architektin und Sachverständige Regina Lettner weiß, welche Fehler gemacht werden und wie sie zu vermeiden sind: „Im Bewertungsverfahren gibt es viele Punkte, die mehr Beachtung erfordern, als sie vielfach bekommen. Wir sehen oft falsche Nutzwertgutachten und den Rattenschwanz an rechtlichen Folgen, den diese nach sich ziehen. Daher raten wir dringend, Bewertungen nur von Profis machen zu lassen.“

Klare Vorgaben im Wohnungseigentumsgesetz

Was genau zu tun ist, steht im Wohnungseigentumsgesetz. Auch Regelwerke wie die Vorgaben des Hauptverbandes der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen oder jene des Magistrats der Stadt Wien - MA 25 geben Aufschluss über Anforderungen und Bewertungsmethoden. Die häufigsten Fehlerquellen sind:

  • Keine (persönliche) Befundaufnahme
  • Divergenzen zwischen Bauplan und Bestand und/oder sonstigen Unterlagen
  • Das Bestandsobjekt ist nicht wohnungseigentumstauglich
  • Falsche Nutzflächenberechnung
  • Falsch gerechnete Zuschläge
  • Fehlende oder unrichtige Zu- und Abstriche
  • Die Zuordenbarkeit ist nicht gegeben
  • Die Regelwohnung ist eine virtuell angenommene

Mit der persönlichen Befundung aller Wohnungseigentumsobjekte lassen sich Fehler vermeiden, etwa die Divergenzen zwischen Bauplan und Bestand, die alltäglich auftreten, wie Regina Lettner feststellt. „Ich kenne kein einziges Zinshaus, bei dem der baubehördlich bewilligte Konsens mit der Realität übereinstimmt. Daher ist die häufig geübte Praxis riskant, die Raumnutzungen oder die Nutzfläche ohne Überprüfung einfach aus den baubehördlich bewilligten Plänen oder auch aus Verkaufsplänen zu übernehmen. Lettner führt weiter aus: „Wir haben festgestellt, dass viele Flächensummen unrichtig sind oder einzelne Flächen falsch ausgewiesen werden – zu den ‚Klassikern‘ gehört die falsche Bezeichnung von Balkon oder Loggia. Oft zeigen Verkaufspläne auch Flächen, die Allgemeinflächen sind, wie zum Beispiel Flachdächer oder Vorbereiche von Wohnungseingangstüren. Solche Abweichungen sind unbedingt zu klären.“ Auch der OGH hat in einem Urteil festgestellt, dass eine persönliche Befundung bei Gutachten unabdingbar ist.