Die Renaissance des Einfamilienhauses

Einfamilienhausmarkt
10.02.2021

 
Covid-19 und die Einschränkungen im täglichen Leben bescheren der Wohnform „Einfamilienhaus“ wieder einen regelrechten Schub, inklusive stark steigender Preise.
Das Einfamilienhaus verbraucht Land: Täglich wird in Österreich insgesamt eine Fläche von knapp 13 Hektar zubetoniert.
Das Einfamilienhaus verbraucht Land: Täglich wird in Österreich insgesamt eine Fläche von knapp 13 Hektar zubetoniert.

Die Einschränkungen des täglichen Lebens, die Covid-19 seit letzten März nach sich zieht, lassen niemanden kalt. Die Lockdowns zwingen die Menschen dazu, mehr Zeit als bisher in den eigenen vier Wänden zu verbringen. Wer schon bis zum Ausbruch des Virus mit seiner Wohnsituation zufrieden war, kam und kommt psychisch besser durch die Krise, die Homeoffice und Homeschooling bedingt. Ohne Balkon, Terrasse oder Loggia sind die Grenzen der Belastbarkeit in der Regel jedoch rasch erreicht. Noch erstrebenswerter ist freilich ein eigener Garten, eventuell sogar mit Pool – samt dem dazugehörigen Einfamilienhaus, idealerweise in Alleinlage. Ein hehrer Wunsch?

Jedenfalls ein Wunsch, der aufgrund der Pandemie boomt. Laut aktuellen Zahlen von Re/Max liegen Einfamilienhäuser im Trend. Das Angebot soll heuer nach dem Stillstand der Vorjahre wieder größer werden. Während die Prognose für 2019 und 2020 von +0,3 % beziehungsweise 0,0 % Erweiterung ausging, sind es für 2021 +1,5 %. „Wer ein Haus mit Garten besitzt und es verkaufen möchte, weil etwa die Kinder bereits ausgezogen sind und die Pflege und Instandhaltung beschwerlich wird, der hat aktuell sehr gute Chancen. Die Nachfrage ist gut, die Finanzierbarkeit ebenso und die Konkurrenz am Markt überschaubar. Mit einer realistischen Verkaufspreis-Einschätzung und einer professionellen Vermarktungsstrategie können mit Sicherheit sehr gute Preise erzielt werden“, erklärt Anton E. Nenning, Managing Director bei Re/Max Austria.

Von der Stilvilla zum Einfamilienhaus

Dabei ist die Geschichte des Einfamilienhauses vergleichsweise jung, aber nicht minder erfolgreich. Vor der Industriellen Revolution lebte der Großteil der österreichischen Bevölkerung vorwiegend in Bauern- oder Bürgerhäusern. Wohnen und Arbeiten konzentrierten sich dabei zumeist an einen Ort. Mit der Stärkung der bürgerlichen Kleinfamilie und dem steigenden Wohlstand weniger Bevölkerungsteile im 19. Jahrhundert wuchs der Drang der neuen Elite nach selbstbestimmten, repräsentativen Wohnformen, der unter anderen in der Entstehung großbürgerlich anmutenden Villen gipfelte. Das architektonische Vorbild dazu lieferten Villenbauten der Antike und Renaissance mit historischen und klassizistischen Stilelementen. Den ideologischen Siegeszug feierte das Einfamilienhaus letztlich aber in der Etablierung bürgerlicher Lebensformen im nicht-bürgerlichen Milieu. Arbeiten und Wohnen wurden zunehmend örtlich getrennt, woraus sich auch im Kleinbürgertum die Sehnsucht nach intimen, abgegrenzten Wohnformen entwickelte. Seinen ersten nennenswerten Breitenschub erfuhr das Einfamilienhaus nach Ende des Ersten Weltkrieges in Form von sogenannten Kriegssiedlungen. Den entgültigen Siegeszug trat die neuartige Wohnform allerding erst in den 60er Jahren nach den Nachkriegsjahren des Zweiten Weltkrieges an. Das Einfamilienhaus war nun auch bei Arbeitern und Angestellten angekommen, wobei ein hoher Eigenleistungsanteil die Voraussetzung für den „Traum mit Garten“ war. Jahrzehnte danach wurde das Einfamilienhaus die bevorzugte und erwünschte Wohnform einer breiten Bevölkerungsschicht. Ein Trend, der in Zeiten der Pandemie wie kräftig auflebt. Gewichen scheint der Nimbus der kleinbürgerlichen Spießigkeit. Das Haus im Grünen erlebt derzeit eine neue Renaissance, was sich anhand von Zahlen durchaus belegen lässt.  Auch, wenn dieser Wunsch derzeit nicht wirklich preiswert zu verwirklichen ist.

„Wir haben während des Lockdowns 2020 einen regelrechten ‚Run‘ auf Freiflächen festgestellt. So haben sich beispielsweise die Immobiliensuchen mit dem Stichwort ‚Garten‘ zu diesen Zeiten nahezu verdoppelt“, berichtet Judith Kössner, Head of Immobilien bei willhaben. Gerade wenn der Rückzug in die eigenen vier Wände zwingend notwendig ist, wird der Bewegungsraum an der frischen Luft zum Luxus.

Im Rahmen einer repräsentativen Studie von Wienerberger Österreich wurden der aktuelle Wunsch nach einem Eigenheim, Investitionen in Anbetracht der Corona-Krise sowie die wichtigsten Ausstattungsmerkmale des Traumhauses erhoben. Die Ergebnisse zeigen, dass in Zeiten des Lockdowns das Interesse an einem Eigenheim weiter gestiegen ist.

Die gesteigerte Nachfrage basiert auf einem stärkeren Bedürfnis nach Sicherheit für die Familie (49 %). Bei der Ausstattung der Häuslbauer steht ein großer Garten (47 %) sowie eine Terrasse (48 %) ganz oben auf der Wunschliste. Weniger gefragt sind Smart-Home-Lösungen (7 %) oder Dachböden (6 %). Die Wunsch-Location für das eigene Traumhaus befindet sich bei fast allen Befragten außerhalb der Metropolen. Mehr als die Hälfte (56 %) bevorzugen eine ländliche Gegend mit bis zu 5.000 Einwohnern. Nur 4 Prozent sehen ihr Traumhaus in einer Großstadt. Der seit Jahren anhaltende Trend nach einem Leben in der Stadt scheint durch die Covid-19-Pandemie derzeit zumindest statistisch eingebremst zu sein. Teuer bleibt der Wunsch nach Landleben aber allemal.

Starker Preisanstieg bei Bauland

Eine aktuelle Analyse von willhaben und ImmoUnited führt dazu ins Feld, dass im dritten Quartal 2020 im Vergleich zum dritten Quartal 2019 mit Ausnahme von Niederösterreich die Preise von Einfamilienhäusern stärker als jene von Eigentumswohnungen zulegten. Den stärksten Anstieg gab es in Tirol mit mehr als 30 %. Dahinter folgen das Burgenland mit knapp 28 % und Vorarlberg mit fast 26 %.

„Makler die genug Eigentumswohnungen oder Einfamilienhäuser im Portfolio hatten, haben ein wirtschaftlich erfolgreiches Jahr hinter sich,“ resümiert Georg Spiegelfeld, Präsident des Immobilienring Österreich, zu 2020. „Eigentum wird oft vom Plan weg gekauft, obwohl die verfügbaren Einkommen gesunken sind. Während Einfamilienhäuser für den Eigenbedarf angeschafft werden, ist ein großer Teil der Eigentumswohnungen als persönliche Anlage oder für späteres Wohnen der eigenen Kinder gedacht,“ so Spiegelfeld weiter. Wer ins Grüne ziehen will, möchte gleichzeitig ein modernes, urbanes Umfeld mit erstklassiger Infrastruktur vorfinden. Der Preis ist also heiß.

Noch heißer ist für alle, die ein Haus bauen wollen, jener für das Grundstück. Denn laut Re/Max werden in Österreich die Preise für Baugrundstücke spürbar weiter klettern und die Steigerungsrate auf einem hohen Niveau bleiben: + 5,4 % für 2021 nach +5,3 % für 2020 und +5,5 % für 2019. Die Nachfrage soll heuer sogar um 6,6 % wachsen, nach +5,1 % für das Vorjahr und +5,5 % für 2019. Das Angebot soll hingegen um 2,1 % zurückgehen.

Das Problem der Flächenversiegelung

Der Grundstückverbrauch ist im Übrigen eine der Angriffsflächen, die der Trend zum Einfamilienhaus bietet. Gemäß Daten der Statistik Austria wuchs die Flächenversiegelung hierzulande seit dem Jahr 2001 mit 25,7 % deutlich schneller als die österreichische Bevölkerung (10,4 %). Täglich werden knapp 13 Hektar oder umgerechnet die Größe von zwanzig Fußballfeldern zubetoniert. Um den Bodenverbrauch auf den im Regierungsprogramm verankerten 2,5-Hektar-Zielwert einzudämmen, muss ein Bündel an Maßnahmen umgesetzt werden, wie Gernot Stöglehner, Leiter des Instituts für Raumplanung, Umweltplanung und Bodenordnung an der Universität für Bodenkultur Wien, fordert: „Die österreichische Siedlungstätigkeit ist vielerorts durch ausufernde Siedlungsränder und eine niedrige Bebauungsdichte gekennzeichnet. Wir brauchen ein Umdenken in Richtung Innenentwicklung. Das bedeutet, Wohnen, Arbeiten, Einkaufen und viele weitere Raumnutzungen sind innerhalb der bestehenden Siedlungsränder unterzubringen. Überbordende Baulandwidmungen sollten zurückgewidmet werden. Die Gemeinden überschätzen vielfach den Baulandbedarf, sodass teilweise Baulandreserven für Jahrzehnte gewidmet sind. Wird der Baulandüberhang mit dem 2,5 Hektar-Bodenschutzziel der österreichischen Bundesregierung verglichen, haben wir österreichweit Baulandreserven bis 2100, also für achtzig Jahre vorrätig. Diese Form des Weitblicks ist in diesem Fall zu kurzsichtig. Es sollte daher ein Mechanismus eingeführt werden, dass neue Baulandwidmungen durch Rückwidmungen an anderer Stelle kompensiert werden.“

Und jetzt auch noch das Wochenendhaus…

Den Flächenverbrauch zusätzlich ankurbeln könnte der – ebenfalls Corona-bedingte – Run auf Wochenendhäuser, die laut Zahlen von Re/Max viele Jahre bei den Wohnimmobilien das Schlusslicht in der Nachfrageentwicklung bildeten. Für heuer wird allerdings eine Steigerung um +2,1 % vorhergesagt. Das ist um rund drei Prozentpunkte positiver als für das Vorjahr und für 2019. Bei eher gleichbleibendem Angebot ziehen die Preise um +2,1 % an. Dazu erläutert Nenning: „Wenn Einfamilienhäuser, Wochenendhäuser und Wohnobjekte in Einzellagen die preisdynamischsten Immobilientypen mit der höchsten Preisdynamik 2021 sein werden, und erst dann Eigentumswohnungen im Zentrum und Eigentumswohnungen am Stadtrand folgen, dann kann man darin einen Trend hinaus aus der Stadt sehen. Profiteure werden allerdings weniger das obere Mühl-, Wald- und Weinviertel, die Südsteiermark oder das Südburgenland sein, sondern alles, was sich noch in einer halben, maximal in einer Stunde Wegzeit, von einer Bundes- oder Landeshauptstadt erreichen lässt, die ‚erweiterten‘ Speckgürtel also.“

Einige weitere nicht minderschwere Wermuthtstropfen hält das Einfamilienhaus neben der Bodenversiegelung aber auch noch parat: Die Zersiedelung und die notwendig zu erschaffende Infrastruktur für Gemeinden und Bezirke bei Neubauten. Auch wenn das klassische Einfamilienhaus in der Gunst der Österreicher durch Corona noch stärker steigt, scheint die Suche nach neuen, zeitgemäßen und sozial verträglichen Wohnformen zumindest alternativ nötig.