Zukunftsgerecht heizen und kühlen

Gebäudetechnik
06.07.2018

 
Vor dem Hintergrund des rasch voranschreitenden Klimawandels gewinnt vor allem die Kühlmöglichkeit der thermischen Bauteilaktivierung sehr stark an Bedeutung.
Heiz-Kühlsystem gewinnen zunehmend an Bedeutung.
Heiz-Kühlsystem gewinnen zunehmend an Bedeutung.

Dass „Raumkühlung mit Wärmepumpe“ kein Paradoxon ist, dürfte sich noch nicht überall herumgesprochen haben: „Die Technik ist schon sehr ausgereift, aber leider noch nicht sehr weit verbreitet beziehungsweise bei vielen Kunden noch immer nicht bekannt“, sagt Bernd Lieber, Vertriebsleiter Österreich und Schweiz für Ochsner Wärmepumpen. Nämlich die Technik der Wärmepumpe als ein – aus den Energiequellen Umgebungsluft, Erdreich oder Grundwasser gespeister – Wärmeerzeuger, der durch eine Kreislaufumkehr auch zum Kühlen verwendet werden kann.

Angenehmes Raumklima

Wobei die derzeit verbreitetste Anwendung die Luftwärmepumpe ist, da sie am einfachsten und schnellsten installiert ist. „Auch die kühltechnische Nachrüstung einer ursprünglich nur auf Wärmeerzeugung ausgelegten Wärmepumpe ist bei einer Luftwärmepumpe am einfachsten“, weiß Bernd Lieber. „Ein großer Vorteil der Luftwärmepumpe ist, dass man relativ wenig Zusatzkosten in Kauf nehmen muss – Erdbauarbeiten sind nicht erforderlich“, betont Andreas Grimm, Produktmarktmanager Wärmepumpen und Solar bei Hoval. Die Konsumenten würden immer mehr Wert auf ein angenehmes Raumklima legen – Hoval trage dem Trend Rechnung, daher würden alle Hoval Wärmepumpen auch über eine Kühlfunktion verfügen.

Wie effizient eine Kühlung mit Wärmepumpe betrieben werden kann, hängt auch vom Verteilsystem im Haus ab. Bernd Lieber: „Sehr gut funktioniert es bei Flächensystemen, etwa wenn man ein Fußbodenheizungssystem auch für die Kühlung nutzen kann. Die ist mit sehr wenig beziehungsweise gar keinem Mehraufwand am einfachsten zu betreiben.“ Die optimalen Kühlvarianten sind für ihn entweder eine Deckenkühlung, sprich: Bauteilaktivierung der Betondecke, bei der die von oben herabrieselnde kühle Luft ein optimales Raumklima schaffe, „oder – die Alternative, wenn kein Flächenheizsystem vorhanden ist – Gebläsekonvektoren mit Kondensatabfuhr, welche optimal für die Raumkühlung sind, da durch die Kondensatabfuhr auch die Feuchtigkeit im optimalen Bereich ist.“ Flächenheiz- und kühlsysteme seien grundsätzlich bei allen Gebäuden möglich, wobei im Einfamilienhaus – aufgrund der Kosten – vornehmlich über die Fußbodenheizung geheizt und gekühlt werde. Deckenkühlung verwende man eher im hochwertigeren Wohnbau – auch wenn die Mehrkosten dafür nicht übermäßig hoch seien.

Thermische Bauteilaktivierung

Apropos Bauteilaktivierung: Die thermische Aktivierung der tragenden Bauteile eines Gebäudes – die darin verlegten Rohrleitungen werden vom Heiz- beziehungsweise Kühlmedium durchflossen – wurde schon vor Jahrzehnten zur Kühlung von Gebäuden mit hohen Wärmelasten eingesetzt, vornehmlich in Bürogebäuden. Die Situation in Bezug auf die Einsatzmöglichkeiten der Bauteilaktivierung hat sich heute aber insofern geändert, als von den Bauvorschriften her eine hohe thermische Qualität der Gebäudehülle eingefordert wird – insbesondere auch im Wohnbau. Klaus Kreč, Büro für Bauphysik, Arbeitsgruppe für Nachhaltiges Bauen an der TU Wien und Forscher in Sachen Bauteilaktivierung: „Der Trend zu Niedrigstenergiebauten und Passivhäusern hält ungebrochen an und wird über Regelwerke sowohl national als auch von EU-Seite her gefördert und gefordert. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die thermische Bauteilaktivierung in Verbindung mit einer sehr guten thermischen Qualität der Gebäudehülle dazu geeignet ist, das Gebäude ganzjährig zu konditionieren, also sowohl zu heizen als auch zu kühlen“ – ein Ansatz, der dann besonders interessant sei, wenn es gelinge, eine solche Konditionierung ohne jegliche Zusatzmaßnahmen umzusetzen. Forschungsarbeiten zu diesem Thema würden – kurz zusammengefasst – zu folgendem Ergebnis führen: „Bei Niedrigenergiehäusern mit Lüftungswärmerückgewinnung ist die thermische Aktivierung der Decken zur alleinigen Konditionierung des Gebäudes gut geeignet. Für Passivhäuser trifft diese Aussage mit hoher Sicherheit zu. Niedrigenergiehäuser ohne Lüftungswärmerückgewinnung markieren nach diesen rechnerischen Untersuchungen den Grenzfall für die Umsetzbarkeit dieses Konzepts.“

Die thermische Bauteilaktivierung könne jedenfalls in die Kategorie „zukunftsgerechtes Bauen“ eingeordnet werden, betont Kreč, da mit ein und demselben System sowohl geheizt als auch gekühlt werden könne. Vor dem Hintergrund des rasch voranschreitenden Klimawandels gewinne die Kühlmöglichkeit der thermischen Bauteilaktivierung sehr stark an Bedeutung. Für Wohngebäude sei heute zwar nach wie vor normativ gefordert, dass diese ohne Kühlung auch während hochsommerlicher Hitzeperioden nicht überhitzen dürften, es könne aber davon ausgegangen werden, dass diese Forderung bereits in naher Zukunft nicht mehr aufrecht zu erhalten sei, so Kreč.  Zudem zeige die seit Anfang dieses Jahrtausends explodierende Anzahl der verkauften Kühlgeräte die Bedeutung der Kühlung von Wohnräumen bereits heute drastisch an.

Das Faszinierende an der thermischen Bauteilaktivierung ist für Kreč, „dass es keine Hightech-Lösung, sondern, im Gegenteil, ein sehr einfaches, leicht herstellbares System darstellt.“ Damit sei es auch kostengünstig – was insbesondere für die Aktivierung der Decke zutreffe. Eine thermische Aktivierung von Fußböden werde zwar auch immer wieder umgesetzt, zu beachten sei dabei aber: „Eine solche Aktivierung ist nur dann effektiv, wenn auf Dämmschichten oberhalb der Rohrregister (wie z. B. eine Trittschalldämmung) verzichtet werden kann.“ Die thermische Aktivierung von Wänden sei zwar hoch wirksam, bautechnisch aber etwas schwieriger umsetzbar. Zudem beeinflusse die Möblierung die Effektivität eines solchen Systems.

Neuartige Kühldecke

Mit Flächenkühlung hat sich auch Leo Obkircher, Geschäftsführer von Obkircher Plus, Ingenieurbüro für technische Gebäudeausrüstung, intensiv auseinandergesetzt: Beim Abkühlen von Flächen sei der Taupunkt zu beachten, jener Temperaturpunkt, bei dessen Unterschreiten die Luftfeuchtigkeit anfange zu kondensieren. Sprich: „Kondensat ist der Feind aller Baustoffe in einem Bauwerk, deshalb darf man kein herkömmliches Bauteil unter den Taupunkt abkühlen.“ Wenn man ein Bauteil aber nur bis zum Taupunkt abkühlen dürfe, sei keine hohe Kühlleistung zu erzielen. „Daher“, so Obkircher, „haben wir eine Kühldecke mit einem speziellen Material entwickelt, einem speziellen Porenputz, der aus der Feuchtmauersanierung kommt und dem das Kondensat nichts ausmacht. Mit dieser patentierten Decke können wir also auch unter den Taupunkt abkühlen.“ Und: In diesem Material kondensiere das Wasser, man entfeuchte also gleichzeitig die Luft. Das anfallende Kondensat werde im Kühlelement gespeichert und in den Nachtstunden, wenn die Kühldecke ausgeschaltet ist, wieder abgegeben.

In einer Gebrauchstauglichkeitsstudie an der TU Wien wurden die Leistungsdaten dieses neuen Systems erhoben – „mit bisher unerreichten Resultaten für wassergeführte Kühldecken“, erklärt Obkircher. Und in der Untersuchung aller hygienischen Aspekte wurde nachgewiesen, dass es zu keinerlei Schimmelbildung kommt. Eben durch diesen Trockungsprozess beziehungsweise dadurch, dass es in der Nacht wieder komplett austrocknet.

Dieses patentierte System – Projektname „Cool Plaster“ – ist derzeit im Prototypen-Stadium, Ende dieses Jahres werden die ersten Feldtestanlagen gebaut. In Obkirchers Büro bewährt sich diese Kühldecke seit Frühjahr 2017 schon im praktischen Einsatz, ab 2020 soll sie dann auf dem Markt erhältlich sein und nicht nur in gewerblichen Betrieben wie in Bürohäusern, Produktionshallen, Werkstätten, Ladengeschäften und der Gastronomie, sondern auch in Privathaushalten eingesetzt werden können. Das Wichtigste an dem System ist, wie gesagt, das Material, das Feuchte aufnehmen und wieder abgeben kann, ohne sich selbst zu zerstören.