Virtual Reality vor dem Durchbruch

16.03.2017

 
Experten zufolge sind Smartphones und Tablets heute so selbstverständlich, wie es bald auch VR-Brillen und -Equipment sein werden. Die Technologie kommt jetzt schon bei der Vermarktung von Immobilien im gehobenen Segment zum Einsatz.
Ab dem Moment, an dem ein Interessent die 3D-Brille aufsetzt, befindet er sich in der Immobilie.

Schon vor einigen Jahren wurde der bevorstehende Durchbruch von Virtual Reality (VR) angekündigt. Nun dürfte es aber tatsächlich so weit sein: Die Geräte werden erschwinglich, und zahlreiche neue Anwendungen zeigen das Potenzial der neuen Technologien, gaben sich Experten bei einer Podiumsdiskussion im Rahmen der Plattform „Digital Business Trends“ am 23. Februar in Wien überzeugt. „Vom Vorbild eines Holodecks aus der Serie ‚Star Trek‘ sind wir noch ein bisschen entfernt. Wir sind ihm seit dem Hype vor ein paar Jahren aber schon ein gutes Stück näher gekommen“, erklärte Annette Mossel vom Insti­tute of Software Technology and Interactive Systems der Technischen Universität Wien bei der Diskussion. Die jüngsten Entwicklungen könnten die Grenzen diverser Geschäftsbereiche jedenfalls deutlich erweitern. So werden beispielsweise digitale Trainings von Operationen oder Rettungseinsätzen möglich. 

Selbstverständlich kommt die Technologie – als Marketing­instrument – auch im Immobilienbereich zum Tragen. Das erste Maklerunternehmen, das in Österreich VR einsetzte, war die auf das Luxuswohnsegment spezialisierte, in Wien ansässige Avantgarde Properties. Es war im Jänner 2016, als der Startschuss fiel, der sowohl bestehende als auch Objekte in der Planungs­phase betraf. „Wir sind von der Technologie begeistert, die Kunden ebenfalls. Sie bietet viele Vorteile. Der wichtigste ist die originalgetreue Darstellung einer Liegenschaft. Ab dem Moment, ab dem ein Interessent die 3D-Brille aufsetzt, befindet er sich in der Immobilie. Das ist kein Vergleich zu Fotos. Man kann nach oben schauen, man gewinnt einen Eindruck von der Weite eines Raums, den Lichtverhältnissen, den Details etc.“, berichtet ­Sophie Karoly, Partnerin bei Avantgarde Properties. Darüber hinaus sparen die Kunden auf diese Art viel Zeit. Denn via VR können sie sich laut Karoly innerhalb kürzester Zeit 15 Immobilien ansehen. Sie müssen nicht für jede anreisen und einen Feierabend oder gar ein Wochenende opfern. Für die Kaufentscheidung werden sie das Wunschobjekt aber natürlich direkt besichtigen.

Beratungsgespräch unersetzbar
Ebenfalls ein sogenannter „Early Adopter“ ist die Real360 Immobilien GmbH, die Ende vergangenen Jahres auf den VR-Zug aufsprang. Dabei befindet sich der Interessent entweder in deren Büroräumlichkeiten in der Köglstraße in Linz und sieht all dies durch eine Highend-VR-Brille Oculus Rift. Oder aber er holt sich eine günstige Cardboard-Brille, in die er sein Smartphone einlegt und die VR-Inhalte einfach über die Website von Real360 abruft. Besonderer Wert wurde darauf gelegt, den Zugang zur neuen Technologie einfach zu gestalten. Es ist weder ein App-Download nötig noch muss teure Hardware angeschafft werden. Für einen Eindruck reichen ein Handy und eine Cardboard-Halterung um 5 bis 20 Euro.

Die virtuelle Besichtigung steht jenen zur Verfügung, die sich für die Wohnanlage „Sunset Koglerau“ in Gramastetten interessieren. Es ist das erste Projekt, das Real360 in VR visualisieren ließ. „Das Beratungsgespräch bleibt wichtig“, betont Geschäftsführer Günther Edenstöckl. „Denn es ist zurzeit unmöglich, alle Objekte, die wir im Portfolio haben, als Virtual ­Reality-Erlebnis darzustellen. Das Wichtigste ist, dass der Interessent seine Traumimmobilie findet. Dabei helfen wir ihm. Wenn diese dann noch mittels VR-Visualisierung erlebbar ist, ist das ein emotionales Add-On, das die Kaufentscheidung erleichtert. Die Beratung selbst kann jedoch wie gesagt keine Technologie der Welt ersetzen“, fügt er hinzu.

3D-Brille bald kabellos

Doch wie kommt überhaupt eine Virtual-Reality-Welt zustande? Oliver Schön, Geschäftsführer der Wiener Full-Service-Agentur Jamjam, erklärt: „Als Basis dient ein CAD-Plan, welcher mittels 3D-Programm dreidimensional übersetzt wird. Der Bau- und Ausstattungsbeschreibung entnehmen wir die wichtigsten Grundinformationen, wie Wandmaterialien, Bodenbeläge, Fensterfarben etc. Als nächstes richten unsere Interior Designer das Objekt ein, und das fertige 3D-Grundgerüst wird in eine Game Engine importiert. Hier wird der Visualisierung Leben eingehaucht und die Interaktivität eingebaut. Der zeitliche Aufwand hängt dabei von der Projektgröße ab. Das Gestalterische kann dabei, da es sich um einen kreativen Prozess handelt, oftmals länger dauern als die rein technische Umsetzung.“

Jamjam bietet derzeit VR-Visualisierungen mittels Smartphone-VR-Brille an, und zwar vornehmlich für Projekte im gehobenen Segment, die sich noch in der Planungsphase befinden. „Da jedes VR-Projekt individuell entworfen und mit maßgeschneiderten Funktionen ausgestattet wird, kann ich keine pauschalen Kosten nennen. Die Preise starten bei etwa 4500 Euro pro Wohneinheit“, beantwortet Schön die heikle Kostenfrage. Der Agenturchef berichtet weiter, dass sich VR sehr gut für die Bemusterung von Immobilien einsetzen lässt. Das heißt, der Bauträger bekommt einen modernen virtuellen Showroom, in dem sich der Kunde seine Wunschausstattung, wie etwa verschiedene Parkettböden und Fliesen ansehen und aussuchen kann.

Derzeit ist das Equipment noch stationär: Die Brille wird mittels Kabel an einen leistungsstarken Computer angeschlossen. Das soll sich laut Schön bald ändern. Die Brille wird dann kabellos mit dem Computer verbunden. So können die Interessenten ein Immobilienprojekt auch auf der Baustelle bzw. der Liegenschaft besichtigen. Eine Technologie vor dem Durchbruch also? Möglicherweise.