Sicher und intelligent

Aufzugsicherheit
14.03.2018

 
Zukünftige Aufzugsicherheitsbauteile werden die Intelligenz „on board“ haben – vergleichbar mit Bauteilen des Internet of Things.
Das Schindler Ahead ActionBoard zeigt Status, laufende Aktivitäten, Leistungsindikatoren und Nutzungsstatistiken der Aufzüge.

Ein Programmpunkt des TÜV Austria Aufzugstags 2018 (26. April 2018) lautet: „Innovative Sicherheitskonzepte 2030: Umbruch im Aufzugsbau“. Was wird dieser Punkt konkret beinhalten bzw. was ist hier im Aufzugbau zu erwarten? „Die diesbezügliche Entwicklung wurde schon im Laufe der letzten Jahre gestartet. Die Grenzen zwischen mechanischen und elektrischen / elektronischen Bauteilen verschwimmen immer mehr“, erklärt Thomas Maldet, Leiter des Geschäftsbereichs Aufzugstechnik beim TÜV Austria, und führt Beispiele an: „Im Falle einer Übergeschwindigkeit des Aufzuges verhindert eine Fangvorrichtung, die von einem Geschwindigkeitsbegrenzer ausgelöst wird, den Absturz des Fahrkorbes bzw. eine Weiterfahrt mit zu hoher Geschwindigkeit.“ Im Wesentlichen handelt es sich beim Geschwindigkeitsbegrenzer um eine Art mechanischen Fliehkraftregler, der im Falle einer zu hohen Geschwindigkeit blockiert und so die mechanische Fangvorrichtung (eine Art Notbremse) einrückt, die den Fahrkorb an den Führungsschienen festklemmt. Elektrische Sicherheitsschalter unterbrechen die Stromzufuhr zum Antrieb. Zukünftige Komponenten erfassen eine Übergeschwindigkeit elektronisch und betätigen so die Fangvorrichtung. Dabei kann diese Erfassung direkt an der Bremseinrichtung (also an der Fangvorrichtung) sitzen, ohne weitere zwischengeschaltete Bauteile zu beinhalten. Zukünftige Sicherheitsbauteile werden also die Intelligenz „on board“ haben – vergleichbar mit Bauteilen des Internet of Things“.

Erhebliche Steigerung der Verfügbarkeit

Ein weiteres Beispiel ist die Erfassung der momentanen Position und der aktuellen Geschwindigkeit des Fahrkorbes während der Fahrt: „Dies wird zukünftig durch elektronische Bauteile erfasst werden, ohne eine größere Anzahl an mechanischen Bauteilen zu beinhalten“, so Maldet. Mit diesem System lasse sich auch die Notabschaltung im Falle eines Überfahrens der Endhaltestellen realisieren. „Viele Funktionen, die bisher mechanisch – und damit schwer manipulierbar – verwirklicht wurden, werden zukünftig durch Softwarelösungen (so genannte PESSRAL-Systeme) gelöst werden.“ Dabei sei es natürlich wichtig, durch entsprechende unabhängige Prüfroutinen sicherzustellen, „dass nicht durch Software-Änderungen während des Betriebes eventuell Sicherheitsverschlechterungen passieren.“ Ein weiteres Risiko dieser mit dem Internet verbundenen Komponenten bestehe darin, dass man das Hacken verhindern müsse, damit niemand von außerhalb die Kontrolle über den Aufzug übernehmen könne.

Die oben beschriebenen Systeme liefern über das Internet Daten an die Wartungsfirma – was neue Möglichkeiten hinsichtlich des so genannten „Vorbeugenden Wartungsservice“ eröffnet. Diese Daten können ausgewertet werden, und daraus können auch Rückschlüsse über den Zustand der Anlage gezogen werden. So kann sich ankündigender Verschleiß von Bauteilen unter Umständen schon vorzeitig erkannt werden und es können Reparaturen vorgenommen werden, bevor Störungen oder gefährliche Zustände auftreten. „Die Wartungseinsätze der Unternehmen können dadurch gezielter und vermutlich kostengünstiger erfolgen, die Verfügbarkeit der Anlage steigt erheblich“, sagt Maldet. Eine Wartung komplett „aus der Ferne“ werde aber auch zukünftig nicht möglich sein. Und: „Auch diese Systeme müssen regelmäßig überprüft werden, um sicherzustellen, dass die Sensoren auch ordnungsgemäß funktionieren und keine elektronisch unerkannten Probleme an der Anlage aufgetreten sind.“ Darüber hinaus sei auch hier das Manipulationsrisiko entsprechend zu betrachten und durch geeignete Prüfmaßnahmen hintanzuhalten.

„Das ist erst der Anfang“

Für die Aufzughersteller hat die Zukunft des „Vorbeugenden Wartungsservice“ jedenfalls bereits begonnen. Gernot Schöbitz, Managing Director von Kone Österreich: „Betreiber haben jederzeit eine Übersicht über den Status ihrer Anlagen, und unsere Servicetechniker können noch vorausschauender reagieren, um Ausfälle zu vermeiden und Stillstandzeiten zu minimieren.“ So bleibe in Gebäuden stets ein optimaler Personenfluss gewährleistet.

Konkret ist Kone mit den 24/7 Connected Services ins neue digitale Zeitalter gestartet. Über intelligente Services werden die Anlagen überwacht, um deren Leistung, Zuverlässigkeit und Sicherheit noch vorausschauender zu optimieren. Unter Berücksichtigung geltender Datenschutzrichtlinien sammelt und analysiert das cloud-basierte System Daten von einer Vielzahl von Anlagensensoren (mehr als 200 Parameter), um in Echtzeit Informationen über den Status von Anlagen zu liefern und Fehler vorherzusagen.

Aber das sei erst der Anfang, so Schöbitz: „Mit dieser Plattform werden wir neue Dienstleistungen und Innovationen schneller für unsere Kunden und Benutzer verfügbar machen. Der Kunde bekommt nicht nur 100-prozentig auf seine individuellen Anforderungen abgestimmte Dienstleistungen – mit besserer Zuverlässigkeit, Sicherheit und Planbarkeit – zusätzlich nutzen wir künstliche Intelligenz, um potentielle Probleme vorherzusehen und diese bereits zu lösen, bevor es zu Störungen kommt.“

Hololense-Technologie in der Testphase

„Prädiktive“ Wartungen, also Wartungen oder Service-Reparaturen, bevor eine Störung gemeldet werde, praktiziere Otis bereits seit über 15 Jahren, sagt Roman Teichert, Geschäftsführer von Otis Österreich. Möglich sei das durch das Remote Elevator Monitoring (REM), welches als Fernüberwachung diene und Notrufe übertrage.

Derzeit arbeitet Otis an neuen Lösungen, die die Verfügbarkeit ihrer Aufzüge weiter erhöhen soll. „Condition Based Maintenance“ sei dabei das Zauberwort der Zukunft, ist sich Teichert sicher, „ein Ansatz, der auf der REM-Technologie aufbaut, indem täglich zusätzliche Parameter ausgelesen und in eine Cloud übertragen werden.“ Bisher sei es nicht möglich gewesen, diese Datenmenge sinnvoll analysieren und in ihrem Umfang entsprechende Muster erkennen zu können. Mittels der gesammelten Daten werde nun sozusagen der „Health-Score“ jeder einzelnen Aufzugsanlage ermittelt, „und wenn dieser nicht gut ausfällt, erhalten wir eine Meldung und können einen Monteur zur Anlage schicken, bevor sie ausfällt“, erklärt Teichert. Noch stecke die Condition Based Maintenance in der Pilot-Phase, doch es gebe bereits erste Auswertungen, die eine 50-prozentige Prognosegenauigkeit belegten. Damit sei man heute schon „auf einem unglaublich hohen Niveau.“ Das nächste Ziel sei eine 75-prozentige Prognosegenauigkeit, „denn meine Vision ist eine 100-prozentige Verfügbarkeit der Aufzugsanlagen – es soll keinen ungeplanten Stillstand mehr geben“, ist Teichert optimistisch.

Aktuell in der Testphase ist bei Otis auch die Hololense-Technologie. Die Idee dahinter: Kommt ein Monteur bei einer Störungsbehebung nicht weiter, da diese zu komplex ist, kann er mittels der Hololense, einer Mixed-Reality-Brille, mit einem Spezialisten in Kontakt treten. Der Spezialist sieht aus der Entfernung genau dasselbe Bild wie der Monteur und kann diesem durch entsprechende Signale Hilfestellungen leisten. Teichert dazu: „Wenn man es schafft, all diese Dinge miteinander zu verknüpfen, engagierte Mitarbeiter hat und daraus den größtmöglichen Kundennutzen generiert, dann hat man ein gutes Service-Paket. Das verstehen wir unter der Marke Otis-Signatur-Service.“

Schnittstelle des Aufzugs zur Außenwelt

Auch Schindler führt im Bereich vorbeugender Wartungsservice etwas ganz Neues ein: „Schindler Ahead Core“, die Schnittstelle des Aufzuges zur Außenwelt. Mit diesem Paket, versichert das Unternehmen, sei es nicht nur möglich, den Notruf durchzuführen, sondern auch Stillstandszeiten durch neueste Analysemethoden deutlich zu reduzieren. Jede Schindler-Neuanlage wird mit Ahead Core ausgerüstet. Eine Closed-Loop-Plattform verbindet Anlagen, Kunden und Passagiere mit dem Kundencenter von Schindler, sodass alle Beteiligten jederzeit über relevante Informationen zu der Anlage verfügen. Auch die Service-Techniker werden in Echtzeit informiert und haben auch unterwegs jederzeit Zugriff auf digitale Experten und Assistenten. Durch umfassende Diagnose und Analyse können so Störungen bereits erkannt werden, bevor sie eintreten, und präventiv verhindert werden.