Nicht streit- und nicht leistbar!

11.09.2017

 
Ein Kommentar von Hans Jörg Ulreich.
Hans Jörg Ulreich ist Berufsgruppensprecher der österreichischen Bauträger.

Anlässlich des Forums Alpbach kam es in einer Diskussionsrunde zwischen dem Wiener Wohnbaustadtrat ­Michael ­Ludwig und mir zur Fragestellung, ob leistbarer Wohnraum und privater Wohnbau einen politisch ideologischen Widerspruch darstellen. Wir, die Branche, müssen uns hier wirklich nicht rechtfertigen. Es ist wohl jedem Hausverstand klar, dass Wohnen ein Grundrecht ist und jeder ein Dach über dem Kopf braucht. Mich ärgert auch immer der Begriff „leistbarer“ Wohnraum im Zusammenhang mit der Diskussion um den Mangel an Wohnraum für einkommensschwache Haushalte.

Fakt ist, dass in Wien in den letzten Jahren zu wenig bis gar keine Gemeindebauten errichtet wurden (wenn man von den Zahlen am Boden und nicht auf den Plakaten ausgeht). Andererseits wird Bestand nicht nach sozialen Kriterien vergeben. Die Folge: Mittlerweile wohnen mehr als 50 Prozent der Einkommensschwächsten in privaten Wohnungen.

Zu wenige Wohnungen für Einkommensschwache

Für Menschen an der Mindestsicherungs- oder Mindestlohngrenze sind diese im Vergleich zu Gemeindebauten natürlich schwerer leistbar, weil die private Immobilienwirtschaft frei finanzierten Wohnraum nicht zum Gemeindebautarif, also zum Richtwert, vermieten kann. Genau um diese Problematik geht es, nicht da­rum ob die Stadt viel und mehr als andere Länder baut oder ob die Privaten zu wenig und zu teuer vermieten. Aus der Sicht der Einkommensschwächsten hat die Stadt keine Wohnungen und sind die Privatwohnungen unbezahlbar. Und genau dieses Problem gehört angegangen, und zwar lösungsorientiert und ohne ideologische Differenzen vorzuschieben – weil wir, die Branche, es sonst ausbaden müssen.

Unsere Antwort auf diese Problematik ist klar und lösungsorientiert: Kurz angeschnitten ist es ein gemeinsamer Aktionsplan, der Investitionsanreize für die private Immobilienwirtschaft schafft, die im Gegenzug von angemessenem Mietzins, mehr Dichte und/oder Höhe zum Beispiel auch Sozialwohnraum auf bestimmte Zeit in ihren Projekten zur Verfügung stellt. Die Folge wäre eine Ankurbelung des Wohnbaus und eine Erhöhung des Angebots, also auch eine Preissenkung.

Die Antwort der Politik darauf ist eine Mietzinsobergrenze, die die private Immobilienwirtschaft weiter auf den Gemeindebautarifzins, sprich den Richtwert, runterbremst, also noch mehr Investitionshürden mit der Folge von weniger privater Bau- und Sanierungstätigkeit und einem noch knapperen Angebot als bisher. Den Betroffenen hilft das natürlich gar nichts!

Noch absurder als die politischen Antworten sind nur noch die Argumente, mit der diese untermauert werden.

In unserer Diskussion führte Ludwig an, dass diese aktuelle Wiener Wohnbaupolitik

Garant für soziale Durchmischung und
Garant gegen Mietzinsexplosionen und knappes Angebot sei.

Soziale Durchmischung aus Sicht der Stadt

Für Sie zur Information ein paar Zahlen zu diesen politischen Schlagworten: Ludwig versteht unter sozialer Durchmischung gerade einmal 300 (!) neu errichtete Smartwohnungen pro 5000 (!) errichteten Wohnungen, wie zum Beispiel im Sonnwendviertel – also einen Anteil von weniger als zehn Prozent – der Rest geht an den wohlhabenden Mittelstand. Bestand wird sowieso überwiegend unabhängig vom Einkommen weiter vergeben.

Das Argument mit der Verhinderung von Mietzinsexplosionen widerlegt er sogar selbst regelmäßig in der Tagespresse, wo plakativ die steigenden Mieten thematisiert werden – und das trotz Mietzinsregulierung.

Alpbach hat mir wieder die tiefen Gräben gezeigt. Jedenfalls lass’ ich es nicht zu, dass man der Branche dauernd den „schwarzen Peter“ in die Schuhe schiebt. Wir tun nämlich täglich unser Bestes, und im Gegensatz zur öffentlichen Hand können wir uns nicht hinter unstimmigen Plakatsätzen verstecken! Unternehmer können sich das nämlich auch nicht leisten!