Nicht am falschen Ende sparen

05.02.2019

 
Für Immobilienentwickler und Bauträger ist es unabdingbar geworden, bei Neubauprojekten oder Umbauten die Infrastruktur für die Elektromobilität mitzudenken und zu -planen.
Die Preise für die Errichtung einer Ladestation sind – in Abhängigkeit von der Anschlussleistung – derzeit noch sehr hoch.
Die Preise für die Errichtung einer Ladestation sind – in Abhängigkeit von der Anschlussleistung – derzeit noch sehr hoch.

Würde die Nachfrage nach Elektroautos durch die Decke gehen, wenn sie auf einmal leistbarer in der Anschaffung und auch die Reichweitenprobleme gelöst wären? Das muss bezweifelt werden, denn für viele potenzielle Kunden dürfte auch entscheidend sein, ob sie das E-Fahrzeug am eigenen Stellplatz am eigenen Wohnort laden können. Und diesbezüglich bewegt sich Vieles erst in Ansätzen Richtung Zukunft. „Für Immobilienentwickler und Bauträger ist es daher unabdingbar, bei Neubauprojekten oder Umbauten die Infrastruktur für die Elektromobilität mitzudenken und zu -planen“, sagt Klaus Alberer, Business Unit Manager New Mobility beim TÜV Austria.

Für die Immobilienentwickler und Bauträger ist E-Mobilität aber auch insofern ein immer größeres Thema, als diese nicht nur von Kundenseite, sondern immer stärker auch seitens der Gemeinden eingefordert wird, etwa im Rahmen eines nachhaltigen Mobilitätskonzeptes. Franziska Trebut, ÖGUT – Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik, Bereichsleitung Energie und Innovatives Bauen: „Insbesondere in Wien, aber auch in anderen Regionen, in denen Grundstücke knapp werden, entscheidet auch das Mobilitätskonzept mit darüber, ob man den Zuschlag für einen Bauplatz erhält oder nicht. Anforderungen hinsichtlich E-Mobilität können auch über Mobilitätsverträge, städtebauliche Verträge oder über Mobilitätsabgaben verankert werden. Die Anzahl der zukünftig mit Ladevorrichtung versehenen Stellplätze werde vermutlich stark auch davon abhängen, ob ein Gebäude in einer ländlichen oder in einer städtischen Region liege. Derzeit seien jedenfalls die Preise für die Errichtung einer Ladestation – in Abhängigkeit von der Anschlussleistung – noch sehr hoch. Und: „Teilweise ist vermutlich auch die Anschlussleistung straßenseitig gar nicht vorhanden, um alle Stellplätze, die vorgeschrieben sind, mit einer E-Ladestation auszustatten – insbesondere, wenn ein Teil davon Schnellladestationen sein sollen.“ Dennoch sei es wichtig, zumindest die Leerverrohrung vorzusehen, um Stellplätze später mit relativ wenig Aufwand nachrüsten zu können.

 Alle Stellplätze versorgbar machen

In diese Richtung weist auch Klaus Alberer vom TÜV Austria: „Alle Stellplätze sollten von vornherein mit Mehrverrohrung oder Kabeltassen versorgbar gemacht werden, so dass ein Mieter oder Eigentümer auch nachträglich mit geringem Aufwand – ohne Stemmarbeiten oder Durchbrüche – Ladeinfrastruktur installieren kann.“ So habe dann jeder seinen Kabelweg, den er benutzen könne, bis hin zum zentralen Zählerplatz.

Der TÜV Austria selbst hat bei seinen neuen Büro-Standorten die entsprechende Infrastruktur geschaffen und betreibt aktuell an vier Standorten insgesamt 20 Ladestationen für Elektroautos. „Erfahrungen aus unserem eigenen Fuhrpark und der zugehörigen Ladeinfrastruktur machen es uns auch möglich, Paketlösungen für unsere Kunden anzubieten, von der ersten Beratung über die Konzeption und Projektierung bis zur Installation und Inbetriebnahme sowie Erst- und wiederkehrende Prüfung (s. www.tuv.at/efleet)“, sagt Alberer und konkretisiert, welche Faktoren dabei immer zu berücksichtigen sind:

 • Planung mit zentralen Zählerplätzen – „mit oder trotz Smart Meter“, sprich: „Es ist besser, die Zähler, auch wenn es Smart Meter sind, alle zentral an einem Ort zu versammeln, um dann die Abzweigungen Richtung Stellplätze realisieren zu können. Sonst bekommt man wahrscheinlich ein Problem an den Steigleitungen.“

 • Vorgeschriebene Platzreserven in Verteilerkästen wirklich einhalten (3-phasige Erweiterung mittels FI und LS für Ladestation je Parkplatz bzw. Wohneinheit)

 • Kabelwege mittels Leerrohr oder Kabeltasse zu jedem Stellplatz vorsehen

 • Erhöhung des Querschnittes der Hauptzuleitung, jedoch noch keine zusätzliche Anschlussleistung einkaufen, denn: „Fragt man heute einen Stromnetzbetreiber, ob es Auswirkungen hat, wenn man Ladestationen installiert, sagt dieser zwar, dass pro Ladestation zusätzliche Anschlussleistung einzukaufen sei, sehr viele Versuche zeigen aber, dass das aktuell nicht notwendig ist“, weiß Alberer.

Für die Unterscheidung, ob die Ladeinfrastruktur bei einer Wohn-, einer Büro- oder einer gewerblichen Immobilien geplant und realisiert wird, sind laut dem TÜV-Experten im Wesentlichen folgende Fragestellungen relevant:

Ist es bei einer Wohnimmobilie notwendig, seine persönliche Ladestation zuzusperren, damit der Nachbar nicht laden kann? Oder kann man hier Komplexität herausnehmen und auf die Versperrbarkeit verzichten, indem man darauf vertraut, dass keiner beim anderen lädt? Ist eine Nutzer-Authentifizierung notwendig, um eine Ladung zu starten?

Dementsprechend auch die Frage der Verrechnung: Wem gehört die Ladeinfrastruktur und wer betreibt sie? Jeder Mieter in der Wohnimmobilie selbst? Soll die abgegebene Energie separat verrechnet werden oder direkt auf der Kundenrechnung integriert sein? Oder Thema Lastmanagement: Wie viel Leistung hat man zur Verfügung bzw. kann man der Ladeinfrastruktur geben? Müssen die Ladestationen aufeinander Rücksicht nehmen und gegebenenfalls die Ladeleistung reduzieren?

Eigene Wallbox, eigene Leitung, eigene Absicherung

Je nach Immobilie hat man andere Nutzergruppen. Alberer: „In einer Wohnimmobilie geht es mit dem Laden los, wenn die Bewohner in der Regel so zwischen 15 und 19 Uhr nach Hause kommen, in der Büroimmobilie kann man davon ausgehen, dass die Leute zwischen 7:30 und 9:30 Uhr hereinkommen und dann beginnen, Ladeleistung zu beziehen.“ In der gewerblichen Immobilie wiederum könnte es eine Mischform geben. Im Detail so oder so wichtig sei: Die normale Schuko-Steckdose solle für das Elektroauto nur eine Notlademöglichkeit darstellen. Im Regelfall werde der Ladestrom am Ladegerät auf 10A begrenzt, um die Elektroinstallation nicht zu gefährden. Dies verlängere die Ladezeit. Mit dem Einsatz einer Wallbox (oder Ladesäule) und dem Typ2 Steckertyp seien höhere Ladeleistungen möglich (z.B.: 1-phasig 16A = 3,7 kW oder 3-phasig 16A = 11kW). Und mittels Kommunikationsleitungen (im Stecker integriert) werde für den sicheren Ladebetrieb gesorgt.

„Unsere Empfehlung ist jedenfalls immer: eigene Wallbox, eigene Leitung, eigene Absicherung mit FI und LS. Bei den Energien, die hier übertragen werden, sollte man nicht am falschen Ende sparen“, so Alberer. Da die Ladeinfrastruktur als elektrische Anlage gelte, seien natürlich die Erstprüfung sowie wiederkehrende Prüfungen nicht zu vergessen.

Im Bestand ist die technische Umsetzung von Ladeinfrastruktur – abgesehen von den rechtlichen Möglichkeiten und Pflichten – meist deutlich schwieriger. Alberer: „Durch das Fehlen eines zentralen Zählerplatzes ist das Verkabeln der Stellplätze aus den Wohneinheiten ein kostenintensives Unterfangen.“ Hier könnten – zum Unterschied von Einzellösungen für einen oder mehrere Bewohner – Konzepte eine technische Gesamtlösung für alle Hausbewohner eingesetzt werden, um die Nachrüstkosten zu senken.“

Die Preispalette für die Ladestation zu Hause reiche von 750 Euro für eine einfache Ausführung ohne irgendwelche Extras bis hin zu möglichen Design-Varianten, die auch 2.500 Euro kosten können. „Bei den wirklichen Schnellladestationen mit 50 kW Ladeleistung, wie man sie am hochrangigen Straßennetz findet, sind wir preislich bei 40.000 Euro für das Gerät plus noch einmal 40.000 Euro für die Anschlussleistung. Bis alles dort steht, sind es – als Richtwert – um die 100.000 Euro“, rechnet Alberer.

Manches noch relativ unklar und in Bewegung

Ein guter Einstieg in die E-Mobilität könne für Bauträger auch das Thema E-Carsharing sein, „indem sie einige wenige Stellplätze mit Ladeinfrastruktur ausstatten, die Fahrzeuge bereit stellen und es den Bewohnern so ermöglichen, E-Mobilität auszuprobieren“, bringt Franziska Trebut, die ÖGUT-Expertin, einen interessanten Aspekt ins Spiel. Mit wachsender Bedeutung von klimafreundlichen Mobilitätslösungen treten in Ballungsräumen wie Wien zunehmend auch Mobilitätsdienstleister auf, die Bauträgern mehr oder weniger schlüsselfertige Lösungen für E-Mobilität von der Planung über die Errichtung bis zum Betrieb anbieten. Zur Orientierung wird Urban Innovation Vienna Anfang 2019 für Wien einen Leitfaden Mobilität bei Wohnbauvorhaben veröffentlichen.

„Beim Ausrollen der E-Mobilität ist sicherlich manches noch relativ unklar und in Bewegung“, so Trebut, „wichtig ist aber, dass Schritte in die richtige Richtung gesetzt und insbesondere Wohngebäude auf nachhaltige Mobilität ausgerichtet werden, denn sie sind Start- und Endpunkt der meisten Wege und Fahrten.“ Sowohl Förderungen als auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen, sei es zum Beispiel die angekündigte neue Bauordnung der Stadt Wien oder auch die europäische Gebäuderichtlinie, würden jedenfalls ganz klar in Richtung E-Mobilität weisen.

Apropos Förderungen: Das Programm „klimaaktiv mobil“ fördert Bauträger bei der Errichtung von Ladeinfrastruktur und bei der Anschaffung von E-Fahrzeugen. Die Förderungen gelten gleichermaßen für Investitionen im Bereich der Mobilität der Mitarbeiter als auch der Mobilitätsinfrastruktur bei Bau- und Sanierungsprojekten. Die Förderung wird über die Kommunalkredit Public Consulting abgewickelt und darf auch mit etwaigen Landesförderungen kombiniert werden. Die Förderbedingungen wurden mit 1.8. 2018 dahingehend geändert, dass jetzt ein ganz klarer Fokus auf E-Mobilität liegt. Das Programm „klimaaktiv mobil“ bietet dazu ein kostenloses Beratungsangebot.