Je mehr Automatisierung, umso mehr Daten braucht es

Immobilienbewertung
06.06.2018

 
Günther Schabus, Geschäftsführung Sprengnetter Austria GmbH, über die Kunst der Bewertungssoftware-Entwicklung.
Günther Schabus, Sprengnetter Austria: „Ich glaube, dass der komplette Prozess der Immobilienfinanzierung voll digitalisiert wird.“
Günther Schabus, Sprengnetter Austria: „Ich glaube, dass der komplette Prozess der Immobilienfinanzierung voll digitalisiert wird.“

OIZ: Es gibt unterschiedliche Anlässe der Immobilienbewertung. Was ist der bekannteste?

Günther Schabus: Der bekannteste Bewertungsanlass dürfte sein, wenn eine Bank im Rahmen einer Wohnraumfinanzierung wissen muss, was das Objekt, für das sich jemand interessiert, wert ist. Herkömmlicherweise beauftragt die Bank dann einen Sachverständigen, der nach wissenschaftlichen Grundsätzen die Immobilie bewertet. Aber was gestern hier im Wesentlichen der Bankbetreuer gemacht hat, macht heute – durch geeignete Werkzeuge – schon der Kunde selbst und morgen vielleicht schon der Interessent. Es gibt bereits Softwarelösungen, mit denen der Kunde bis zur Wohnraumfinanzierung alles selbst erledigen kann, ohne jemals eine Bank zu betreten. Und die Bank als unser Kunde benötigt dafür eben andere Zugänge zu dem Thema Bewertung, nämlich Daten und Methoden.

OIZ: Wie funktioniert generell eine Immobilienbewertung?

Schabus: Es gibt zum einen den Sachwert – das, was der Bauherr investiert hat, was aber üblicherweise nicht dem Marktwert entspricht. Der zweite Bereich ist der Ertragswert, wo es darum geht, welche Erträge man in Zukunft mit der Immobilie erzielen kann – somit üblicherweise in die Zukunft gerichtet und schon näher am Marktwert. Der dritte Bereich ist, zumal wenn es um Wohnraumfinanzierung geht, der Vergleichswert, dieser ist immer bezogen auf die Gegenwart. Und bei allen drei Verfahren benötigt man Vergleichspreise – beim Vergleichswertverfahren ähnliche Liegenschaften in ähnlicher Konfiguration in ähnlicher Lage und mit einer ähnlichen soziodemografischen Struktur.

OIZ: Welche Datengrundlagen nützen Sie für Ihre automatisierte Immobilienbewertung?

Schabus: In Österreich werden bis zu 100.000 Immobilientransaktionen pro Jahr getätigt. Wir analysieren alle diese im Grundbuch entsprechend vorhandenen Kaufverträge, heben die Daten aus und stellen sie über unsere Produkte den Banken zur Verfügung. Das Gleiche gilt für große Immobilienportale: Wir kaufen die Objektdaten von den Portal-Betreibern, vermischen sie mit den Transaktionsdaten und mit den soziodemografischen Daten der Statistik Austria. Am Ende kann ein Kunde mit drei, vier Eingangsdaten – Objektgröße, Lage, Adresse, Baujahr – sofort den indikativen Verkehrswert ermitteln, den er schon der Beantragung einer Bankenfinanzierung zugrunde legen kann. Wir haben dazu eine App entwickelt, für die alle in Österreich vorhandenen Daten durch unsere Wissenschaftler entsprechend aufbereitet werden und den Kunden in die Lage versetzen, selbst eine Wertindikation zu erhalten. Einer der Vorteile ist, dass der Kunde, wenn er möchte, die Daten auch der Bank übergeben kann, mit denen diese ihrerseits eine Bewertung machen kann – und der Kunde bekommt dann unmittelbar die Finanzierungszusage oder generell eine Finanzierungsberatung.

OIZ: Worin besteht im Wesentlichen die Kunst der Bewertungssoftware-Entwicklung?

Schabus: Die Kunst besteht im Wesentlichen darin, sehr komplexe Dinge so aufzubereiten, dass für den Endnutzer oder den Bankberater am Verkaufspunkt eine schnelle und einfache Bedienung möglich ist. Ein Sachverständigen-Gutachten ist zwar sehr genau und ein sehr hochwertiges Produkt, aber auch mit großem Zeitaufwand verbunden – ein zu langwieriger Prozess für einen Anwender, der sich erstmal nur orientieren möchte.

OIZ: Worauf liegt derzeit der Weiterentwicklungs- bzw. Optimierungsfokus?

Schabus: Ich glaube, dass der komplette Prozess der Immobilienfinanzierung voll digitalisiert wird. Die Banken werden für Dinge, die derzeit noch in ihrem Bereich liegen, zukünftig dem Kunden Werkzeuge in die Hand geben, die dieser selbst verwenden kann, zumindest, was das Standardgeschäft betrifft, sprich: Standard-Einfamilienwohnhaus und Standard-Eigentumswohnung. Dadurch wird die Finanzierung für den Kunden günstiger und der Prozess für die Bank effektiver. Es wird sich hier also sehr viel in Richtung Kunden verlagern. Der Bankmitarbeiter konzentriert sich dann nur noch auf die Beratung und die nachgelagerten Tätigkeiten. Die operativen Dinge werden stark automatisiert ablaufen. Und je mehr man automatisiert, umso mehr Daten braucht man und umso mehr wissenschaftlichen Input benötigt man – das ist die Herausforderung der nächsten Jahre.