Das eventuelle Ende der Fahnenstange

Deutsche Wohnimmobilien
15.06.2018

 
Seit etwa acht Jahren kennen die Preise für deutsche Wohnimmobilien nur eine Richtung: steil nach oben. Nun zeichnen sich Einbremsungen ab. Über deren Nachhaltigkeit besteht ­Uneinigkeit.
Luxus samt Aussicht über die deutsche Hauptstadt hat weiter seinen Preis: In einem modernisierten Gründerzeitbau in Berlin Mitte steht dieses 158 Qua­dratmeter Wohnfläche zählende Penthouse für 1,35 Millionen Euro zum Verkauf.

Günter Fischer, Geschäftsführender Gesellschafter von Engel & Völkers Berlin-Mitte, formuliert es diplomatisch: „Die Kaufpreise für Eigentumswohnungen in sehr guten Lagen von Berlin sind in den vergangenen fünf Jahren enorm gestiegen. In manchen dieser Lagen erreicht der Markt allmählich seine Steigerungsgrenze.“ Denn trotz des knappen Angebots und der hohen Nachfrage stellt das Dienstleistungsunternehmen also fest, dass sich die Dynamik des Wohnimmobilienmarkts der Spree-Me­tropole insgesamt etwas verlangsamt hat.
Was für Berlin gilt, trifft auf ganz Deutschland zu. Dort klettern die Preise für Häuser, Apartments & Co bereits seit rund acht Jahren kontinuierlich stark. Die Frage, ob das Ende der Fahnenstange schön langsam erreicht ist, drängt sich auf. Zu Recht. Sogar das böse I-Wort – also „Immobilienblase“ – nehmen etliche Experten in den Mund, wobei sie das Platzen selbiger befürchten.

Kurzfristige Sommergewitter?

An der Tatsache eines starken Preisanstiegs auf dem schwarz-rot-goldenen Wohnimmobilienmarkt gibt es nichts zu rütteln. Die Deutsche Hypo benennt in einer Studie die Gründe dafür: Angebotsseitig besteht die Ursache darin, dass die Fertigstellungen von Wohnungen Mitte der 1990er Jahre bis zum Ende der vergangenen Dekade rückläufig waren und vor allem in den größeren Städten nicht ausreichten, um einer ansteigenden Nachfrage zu genügen. Womit wir bei der zunehmenden Nachfrage wären. Sie betraf sowohl den Vermietungs- als auch den Investment-Markt, sprich Käufe von Wohnungen. Seit der Finanzkrise kletterten daher die Preise teilweise deutlich stärker als die Mieten. 

Diese Kaufpreissteigerungen waren nur in geringem Ausmaß spekulativ begründet. Der dominierende Teil der Verteuerung lässt sich durch fundamentale Faktoren erklären. Dies sind zum einen die realwirtschaftlichen Eckdaten wie die demografische und ökonomische Entwicklung. Zum anderen durch finanzwirtschaftliche Faktoren wie die massiv gesunkenen Zinsen, die zu einer verbesserten Erschwinglichkeit von Wohnungen führten.

In ihrem Immobilienklima-Marktbericht für Mai 2018 kon­statiert die Deutsche Hypo nun prosaisch, dass sich – quer durch alle Asset-Klassen – Eintrübungen am Horizont feststellen lassen. Ob der aktuelle Rückgang kurzfristige Sommergewitter oder eine lang anhaltende Schlechtwetterfront andeutet, werde sich zeigen.

1,5 Millionen neue Wohnungen

Aktuell flacht der Bevölkerungszuwachs ab, und an der Angebotsschraube wird fest gedreht. Schließlich sollen nach dem Willen der relativ frischen deutschen Bundesregierung während der kommenden Jahre rund 1,5 Millionen Wohnungen entstehen. Dank neuer Anreize wie reformierter Grundsteuer, Baukindergeld sowie zusätzlicher Mittel für die soziale Wohraumförderung. Dieses Angebotsplus soll die Preissteigerungen eindämmen.

Das renommierte Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln gibt jedoch zu bedenken, dass dieses ambitionierte 1,5-Millionen-Ziel die regionalen Unterschiede zu wenig im Blick hat. Denn während auf dem Land teilweise Leerstand droht, werden in den Großstädten weiter tausende Wohnungen fehlen. „Vor allem das Baukindergeld setzt falsche Anreize. Aufgrund des festen Betrags ist die Wirkung in ländlichen Räumen mit niedrigen Immobilienpreisen deutlich größer als in Ballungszonen“, wirft Michael Voigtländer, Leiter des Kompetenzfelds Finanzmärkte und Immobilienmärkte beim IW, ein. Die Menschen in den Städten werden ergo unverändert mit steigenden Kaufpreisen und Mieten konfrontiert sein. Die Pläne der Regierung könnten die Situation sogar noch verschärfen. Weil nämlich die geplanten höheren Abschreibungssätze und die zusätzlichen Mittel für die soziale Wohnraumförderung – bei zugleich knappen Baumöglichkeiten sowie starker Nachfrage – als Preistreiber fungieren. Voigtländer meint dazu: „Die Politik sollte sich viel mehr darauf konzentrieren, den Städten beim Aufbau neuer Viertel zu helfen, vor allem durch die Vorfinanzierung von Infrastruktur.“

Die Entwicklung des Wohnimmobilienmarkts im Nachbarland bleibt folglich spannend. Das Gros der Deutschen wird allerdings während der kommenden Wochen punkto Spannung auf die Fußballweltmeisterschaft fokussiert sein.