Corona: Einstellung Baustellenbetrieb - Leistungsverzögerung

Bauträger
08.04.2020

 
Österreichweit werden derzeit Baustellen eingestellt und zum Teil von Bauunternehmen Leistungsverzögerungen und Mehrkostenforderungen angemeldet. Der Fachverband der Immobilien- und Vermögenstreuhänder informiert und gibt Empfehlung zum Umgang mit der aktuellen Situation.
Viele Baustellen in Österreich standen still. Aber was bedeutet das für Gewerbliche Bauträger?
Viele Baustellen in Österreich standen still. Aber was bedeutet das für Gewerbliche Bauträger?

Sofern ein beauftragtes Bauunternehmen seine vertraglichen Leistungen nicht oder nicht so wie vereinbart erfüllt, liegt eine Leistungsstörung vor. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, aus welchem Grund die Leistung nicht erbracht werden kann bzw. in wessen Sphäre ein allfälliger Leistungshinderungsgrund liegt. Die Bauunternehmen argumentieren, dass die aktuellen Baueinstellungen aufgrund „höherer Gewalt“ erfolgen.

Unter höherer Gewalt sind unerwartete äußere Umstände zu verstehen, die eine Vertragspartei daran hindern, ihre vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Es muss ein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis für die leistungsschuldende Vertragspartei sein.

Covid-19-Maßnahmengesetz

Ob tatsächlich ein Fall „höherer Gewalt“ vorliegt, der allenfalls zu Mehrforderungen und Erstreckung der Fertigstellungsfristen bzw. Übergabefristen berechtigt, muss im Einzelfall geprüft werden. Gemäß § 1 des Covid-19-Maßnahmengesetzes ist der Aufenthalt im öffentlichen Raum untersagt. Von diesem Verbot ausgenommen sind Wegstrecken, die für berufliche Zwecke erforderlich sind und wenn sichergestellt ist, dass am Ort der beruflichen Tätigkeit zwischen den Personen ein Abstand von mindestens einem Meter eingehalten werden kann. Es hängt sohin von der konkreten Art der Arbeiten und den konkreten Umständen (Baufortschritt, Baukoordination, etc.) ab, ob tatsächlich ein Anwendungsfall der „höheren Gewalt“ argumentiert werden kann.

Sofern in einem Bauvertrag keine speziellen Regelungen bzw. Definitionen zur „höheren Gewalt“ und den daran anknüpfenden Rechtsfolgen enthalten sind, oder sofern nicht die Anwendbarkeit der ÖNORM B 2110 vereinbart wurde, kommen die Bestimmungen des ABGB zur Anwendung.

Im Bereich des ABGB ist ein Fall „höherer Gewalt“ in der neutralen Sphäre gelegen und ist dem Auftragnehmer, sohin dem Bauunternehmen, zuzuordnen. Sofern jedoch im Bauvertrag die Anwendbarkeit der ÖNORM B 2110 vertraglich vereinbart wurde, sind Leistungshindernisse grundsätzlich der Sphäre des Auftraggebers zuzuordnen, wenn sie entweder die vertragsgemäße Ausführung der Leistungen objektiv unmöglich machen oder zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht vorhersehbar waren und vom Auftragnehmer nicht in zumutbarer Weise abwendbar sind.

Vereinbarte Übergabetermine

Weiters stellt sich im Zuge von Abverkaufsprojekten die Frage, welche Auswirkungen bauliche Verzögerungen auf den mit den Käufern vereinbarten Übergabetermin haben. Soferne dazu im Kauf- bzw. Bauträgervertrag Vereinbarungen hinsichtlich einer Verlegung der Übergabetermine getroffen wurden, sind diese daran zu messen, ob sie vor allem in Verbraucherverträgen gültig sind. Dies kann nur im Einzelfall beurteilt werden. Finden sich dazu keine vertraglichen Regelungen, kommen letztlich die gesetzlichen Verzugsregelungen mit möglichen Rücktrittsrechten und (bei Verschulden) auch Schadenersatzansprüchen zur Anwendung. Bauträger, die sich zur Sicherstellung mittels Bankgarantie verpflichtet haben, müssen deren Laufzeit an die neuen Übergabetermine anpassen

Jedenfalls gilt es, sowohl gegenüber den Käufern bzw. Kunden als auch gegenüber den beauftragten Bauunternehmen in der konkreten Situation zu agieren bzw. reagieren.

Der Fachverband empfiehlt:

  1. Beantwortung der Einstellungsschreiben, insbesondere bei Anmeldung von Mehrkostenforderungen;
  2. Prüfung der zugrundliegenden Bauwerkverträge samt Rechtsfolgeneinschätzung durch Rechtsexperten;
  3.  Bei jedem eingestellten Bauvorhaben individuell zu dokumentieren, welche Arbeiten als nächstes durchzuführen gewesen wären/Dokumentation des Bauzustandes;
  4. Kontaktaufnahme mit den Bauunternehmen und (wenn möglich) Abschluss vertraglicher Vereinbarung zum Umgang mit der Bauverzögerung;
  5. Bei Abverkaufsprojekten, Prüfung der Kaufverträge samt Rechtsfolgeneinschätzung durch Rechtsexperten.

Für eine Erstberatung zu diesem Thema stehen die auf Baurecht und BTVG spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei Weinrauch Rechtsanwälte GmbH, [email protected], 01 53364990 bzw. 0650 4686887 bzw. 03155 20994 (www.anwaltei.at) zur Verfügung.